New York City. Über acht Millionen Einwohner aus aller Welt leben an diesem Ort. Mindestens ebenso viele Mythen ranken sich um diese Stadt. Einige davon handeln von ihren vielen Superhelden. Spider-Man, der sich durch die tiefen Straßenschluchten von Manhattan schwingt. Batman, der im Dunkeln auf Verbrecherjagt geht. Seit Ende letzten Jahres, hat die Stadt einen neuen ambitionierten Helden. Afro-Amerikaner. Jude. Tätowiert. Brillenträger. 2,08 Meter groß. 113 Kilogramm schwer. Sein Vater starb, als er 12 war. Seine Mutter war genauso oft im Gefängnis wie zuhause, sagt man.
Wie bei jedem neuen Helden, waren die New Yorker auch bei ihm zunächst skeptisch, aber mittlerweile beginnen sie ihn zu lieben. Sein Name: Amar'e Stoudemire. Man nennt ihn STAT – Standing Tall And Talented. Sein Anliegen: er macht aus dem renommierten aber über eine Dekade in der Belanglosigkeit verschwundenen Traditionsteam der Stadt wieder Gesprächsstoff. Die New York Knicks. We're talking about Basketball und ja, ich rede, nicht Jim.
Die Leidenschaft für die Knickerbocker (der Name bezieht sich eigentlich auf eine Hosenart, die synonym für die zunächst holländischen Siedler der Stadt, die damals noch New Amsterdam hieß, verwendet wird) und selbstverständlich auch ihre Heimatstadt, teile ich mit Rob, der seit Sommer 2009 das NY Knicks Journal im Netz betreibt. Die Zielgruppe ist recht eng gesteckt, aber die Umsetzung ist ambitioniert und leidenschaftlich. Die kompetenten Spielrückblicke und allgemeinen Beobachtungen sind mit popkulturellen Querverweisen durchzogen und machen so den charismatischen Stil des Berliners aus, der auch für das deutsche Basket und das amerikanische Hoop Doctors schreibt. Was Basketball so besonders macht?
"Die Faszination besteht darin, dem Ball auf seinem Flug zum Korb jedes Mal nachzuschauen. Egal ob Trainer, Mitspieler, Gegenspieler oder Zuschauer – wirft jemand den Ball Richtung Ring, schaut man gebannt, ob dieser durch den Ring fällt. Verfällt man dieser Faszination ein Mal, kommt man nie wieder davon weg." Seit 17 Jahren spielt er selbst Basketball, angfixt vom Dream Team in den frühen Neunzigern.
Wie schon erwähnt, kratzten die Knicks in den letzten zehn Jahren an der Schwelle zur Irrelevanz. In der Stadt sprach man nicht über sie, es sei denn, man wollte einen guten Witz machen. Dann tauchte STAT vor dem Start der aktuellen Saison auf der Bühne Manhattans auf – nicht zuletzt durch einen 100-Millionen-Dollar-Vertrag für die nächsten fünf Jahre motiviert. Aber er bewegte sehr schnell etwas, was die Knicks plötzlich wieder zum Gespräch machte.
"Amar’es Rolle sehe ich wie die Rückkehr von Steve Jobs zu Apple. Vor Ihm drohte der Konzern unter zu gehen, mit Ihm erstrahlt er in neuem Glanz und zieht seitdem die Massen an. Die Knicks sind wieder sexy!" You. Us. We. Now.
Auch wenn der sympathische und selbstironische Superheld Amar'e in Point Guard Raymond Felton einen veritablen Sidekick hat und das Team der Stadt entsprechend international besetzt ist – Sunnyboy Danilo Gallinari aus Italien, der enthusiastische Ronny Turiaf aus Frankreich und der schüchterne Timofey Mozgov aus Russland -, sind die Knicks noch kein Spitzenteam, dass tatsächlich um die Krone mitspielt. Rob sieht für sie einen sechsten Platz im Osten, einen sechsten Platz von 15 Teams. Das ist nicht überwältigend, aber es wäre die erste Playoff-Teilnahme der Knicks seit sechs Jahren.
"Die Mannschaft ist jung und erfüllt jedes Klischee in dieser Beziehung. Die Saison ist von Ups & Downs geprägt, was mich in diesen Monaten doppelt so schnell altern lässt."
Die Knicks sind jung - tatsächlich das zweit jüngste Team der gesamten Liga - und somit ist die Zeit auf ihrer Seite. Die Meisterschaft zumindest in der aktuellen Saison werde hingegen von den dominierenden Teams der letzten Jahre ausgefochten. Lakers. Celtics. Vielleicht machen es aber auch die zu Beginn der Saison neu zusammengekauften Heat aus Miami, oder die Mavericks aus Dallas, um Dirk Nowitzki.
Doch keines jener Teams spielt in der "World's Most Famous Arena", keines jener Teams repräsentiert diese Stadt, in die man sich ach so leicht verliebt.
"Das Flair, die Klischees, das Gefühl, welches einem die Stadt gibt. Man erlebt eine Traumwelt mit allen schönen und hässlichen Seiten."
Die hässlichen Seiten erinnern einen immer wieder an den Moloch, der die Stadt ist: Gotham. Man muss sich seine liebsten Plätze suchen, sich auf die Stadt einlassen, um sie genießen zu können.
"Am liebsten sitze ich mit einem Café im Bryant Park, genieße die kurze Abgeschiedenheit und beobachte das Treiben der Stadt."
Durch den Magen geht diese Liebe selbstverständlich auch:
"Vor einigen Jahren besuchte ich ein Restaurant in Brooklyn – ein Italiener mit einer kleinen Terrasse, abgeschieden von der Straße. Ich bestellte eine Pasta Fresca, mit Kirschtomaten, Büffelmozarella und Rucola. In dem Moment verschmolzen zwei fantastische Welten miteinander – New York und Italien." Das Rezept gibt es Freitag.
Netznachbarn #01:
New York Knickerbocker Journal
nyknicksjournal.com
Robert Jerzy
Netznachbarn ist eine fortlaufende Reihe, in der wir Seiten vorstellen, die wir selbst regelmäßig besuchen.