New Style Boutique 2

Von Pressplay Magazin @pressplayAT

New Style Boutique 2

8Simulation

Kaum ein generischer Release aus dem Genre „Krawumm“ sieht sich heutzutage nicht mit hitzigen Vorwürfen aus dem Gender-Umfeld konfrontiert. Da ist die eine Seite, auf der die Spiele dem weiblichen Publikum den Zugang praktisch ohne Erniedrigung unmöglich machen, doch auch die andere Seite, auf der das zahlende Publikum eben zu 90% aus Männern besteht – bei meinen eigenen Gaming-Videos beobachte ich nüchterne drei Prozent weiblichen Traffic-Anteil.

Doch selbst als anteilsloser Egoist begrüße ich solche Diskussionen ehrlicher Weise vor allem deshalb, weil mich die eindimensionalen Machtphantasien mit James Bond-Handschrift persönlich bis zur Unerträglichkeit anöden. Das andere Ende des Spektrums erlebt man selten. Da gibt es diversen Ponyhof-Schrott für das Kinderzimmer, mit dem man nicht viel mehr anfängt als die Steam-Listen von Freunden zu verunstalten – Produktionen, hinter denen ein ernsthaftes Budget steckt, sind ungewöhnlich.

Ein Entwickler, der sich im Auftrag von Nintendo der weiblichen Zielgruppe annimmt, ist Syn Sophia, ironischer Weise ein Studio, das vor 20 Jahren noch unter dem Namen „The Man Breeze“ mit miesen Wrestling-Titeln sein Einkommen bestritt. In Europa unter dem Label Style Boutique bekannt, handelt es sich dabei um eine Modesimulation, die seit den DS-Tagen beachtliche Verkaufszahlen erreicht – und das mit einem Ansatz, der mit der selben Rücksichtslosigkeit die männliche Zielgruppe ausschließt die man sonst nur gegenteilig kennt. Nun habe ich schon viel Gutes von der Serie gehört und bin immer offen für neue Entwicklungen, weswegen ich mir den Titel genauer ansehen, auch wenn ich der Zielgruppe nicht angehöre, für die er konzipiert ist. New Style Boutique 2 begrüßt mich und fordert mich auf, meinem Charakter einen Namen zu verpassen. Da muss ich als Gaming-Veteran nicht lange nachdenken.

Was mir keiner sagt: Mein Charakter ist eine Frau, ich muss also erneut starten um mir einen anderen Namen zu überlegen. Die Designer machen bereits in der ersten Minute klar, dass ich den Titel eigentlich gar nicht spielen sollte. Überhaupt fühle ich mich als verschlossener Misanthrop etwas deplatziert. Alle Bewohner dieser bunten Mode-zentrierten Welt winken, springen und lachen um einander ungehemmt ihr Gefühlsleben auszuschütten. Ich betreibe eine Mode-Boutique und berate wohlwollend meine Kunden in modischen Fragen. Doch während ich eigentlich nur wissen will, welche Farbe oder Marke und vielleicht noch ein Preisfenster, kommt diese Information meist mit einem Schwall an Geschichten, dass ich mit dem Wegklicken gar nicht mehr nachkomme. Das Fräulein hat ein Date, patzt sich beim Essen immer an und würde idealerweise etwas anziehen, auf dem man die Pasta-Flecken dann nicht so sieht – und gut wäre es auch wenn es zum Outfit passt, dass sie auf die Beratung durch ihre beste Freundin gerade erst gekauft hat, obwohl, ganz sicher ist sie sich mit dem Stil auch nicht vielleicht wüsste ich es ja dann doch besser – das ist echte Knochenarbeit.

Wenn man es aber mal schafft, über die Präsentation hinwegzusehen, bleibt ein System übrig, das sicher jeden fesseln kann, der schon einmal Stunden in einem Charakter-Builder verbracht hat, um die optimale Spielfigur zu erschaffen. Vom schlurfigen Bobo-Look zum sündteuren High Society-Chick: Kleider machen Leute und so kann man die Charaktere im Spiel unter deren Kooperation mit den unterschiedlichsten Outfits frei gestalten. Doch dabei bin ich mit völlig natürlichen Limitationen konfrontiert: Marken, Stilrichtungen, alles muss einigermaßen zusammen passen und nicht nur das – ich muss hinter den Kulissen auch noch mein Sortiment verwalten.

Die besten Stücke gehen natürlich weg wie warme Semmeln und so versuche ich eigentlich meistens, die kritische Kundschaft mit den Restl-Fetzen vom Grabbeltisch zu vertrösten. Solange es keiner merkt ist es ja gut. Ich wünsche mir insgeheim, das das System meine Methode durchschaut, jede Frau die meinen Laden betritt über ein fesches Outfit hinaus mit Hüten, Halsketten, Schals, Schuhen und Fußwärmern im Überfluss zu überhäufen, nur um meine satten Gewinne zu optimieren, doch irgendwie steckt da vielleicht auch wieder ein wenig Realität in meinem Vorgehen. Am Ende ist New Style Boutique 2 selbst für mich unterhaltsamer als Dudebro Sequel Nummer X, zumal das zugängliche Gameplay einen weitaus positiveren Impuls darstellt als das Ausfüllen von austauschbaren Skilltrees.

Während in der Straßenbahn meine Umgebung also stillschweigend ertrage, wie sich die alten Mütterchen auf dem Heimweg vom Sozialamt über kriminelle Flüchtlinge und fesche rechte Politiker unterhalten, mache ich mir die Kopfhörer rein und verlasse mein partriachalisches Gamer-Dasein für ein paar Minuten um shoppen zu gehen. Vielleicht mache ich, wenn ich schon dabei bin, auch noch jemandem eine neue Frisur.

Plattform: 3DS (Version getestet), Spieler: 1-2, Altersfreigabe (PEGI): 3, Release: 20.11.2015, Link zur Homepage


Autor

Florian Kraner

Aufgabenbereich selbst definiert als: Pixel-Fachmann mit Expertenausweis? Findet ”Das Fürchterliche muß sein Gelächter haben!” zutreffend.


 
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