Die Neuen (Waschke, Becker, v.l.) ©RBB/Frédéric Batier
Einmal mehr mögen sich zwei Kommissare nicht und beäugen sich misstrauisch, einmal mehr haben sie viel mit sich selbst zutun, einmal mehr leidet das Krimi-Geschehen unter den privaten Geschichten der Ermittler. Hätte es noch eine solche Tatort-Konstellation benötigt? Nein, eigentlich nicht. Im Rostocker und im Magdeburger Polizeiruf haben wir das, wie oben angesprochen im Dortmunder Tatort, in Leipzig anfangs auch. Im Gegensatz zu den Vorgängern Ritter und Stark, bei denen es zumindest harmonisch und familiär teilweise auch relativ normal zu ging, bedient man sich auch bei Rubin und Karow dem quasi totgerittenen Figuren-Muster. Auch die Idee einer großen Aufklärungs-Geschichte im Hintergrund ist keineswegs neu – sowohl in Stuttgart als auch in Dortmund gab's Vergangenheitsbewältigungs-Plots einzelner Kommissare. Sicher: Das heißt nicht, dass dies keine schlechte Sache ist. Auch sind (vor allem) Waschke und Becker tolle Darsteller, die ihren Figuren die nötige Würze verleihen – und aus Reibung entsteht bekanntlich auch Feuer. Davon gibt es im dynamischen Anfangsdrittel genügend. Die Geschichte von Autor Stefan Kolditz macht schon nach wenigen Minuten klar, wo der Hase lang läuft: Rubins Mann eröffnet ihr nach ihrer Rückkehr von der schlaflosen Nacht, dass sie stinke. Wenig später macht sich Karow auf dem Revier breit und teilt der Hospitantin Anna (herrlich: Carolyn Grenzkow) mit, sie möge ihm doch bitte einen Kaffee holen. Er ist ein Arschloch, sie ist auch nicht ganz dicht. Plakativer geht’s nimmer. Dennoch unterhält das Ganze vorzüglich, was natürlich an den großartigen Wortwechseln liegt, aber besonders am forschen Schnitt.Manchmal hat man zwar das Gefühl, die Cutterin Susanne Ocklitz sei mit ihrem Kopf zwischendurch auf ihrer Tastatur eingeschlafen, ich kann mich kaum an eine schnellere Bildabfolge im Sonntagabend-Krimi erinnern. Viele Schauplatz-Wechsel beinhaltet „Das Muli“ vom Regisseur-Ass Stephan Wagner – so geht es mal an Obdachlosen-Sammelplätzen vor S-Bahnhöfen, zu abgewrackt aussehenden, ausladenden, graffitiverschmierten Ruinen und der Showdown spielt sogar im BER. Berlin zeigt sich von seiner unschönsten Seite. Und das zeigt auch der Fall – ja, den gibt es vor lauter Kommissars-Einführung auch -, der, welch Wunder, gleich im Drogenmillieu spielt. Ist das nun ein geschickter Griff in die Mottenkiste, um die Figur des Drogenexperten Karow einzuführen und um seine Vergangenheit zu durchleuchten, oder einfach mühsam konstruiert? Auch hier bin ich noch unschlüssig.Denn der Fall über Johanna Michels (toll: Emma Bading) und ihrem Bruder Ronny (Theo Trebs), die vor den Drogen-Bossen (Kida Ramadan, Robert Gallinowski) fliehen, ist zwar mitunter leicht wirr und unglaubwürdig, aber mal abgesehen von einem kleinen Durchhänger spannend. Johanna agierte für ein Drogen-Kartell als sogenannte Muli, in ihrem Magen beförderte sie Drogen von Mexiko nach Deutschland. Sie wurde Zeugin des brutalen Mords an ihrer Freundin, die ebenfalls als Muli fungierte. Jetzt werden sie gejagt von dem Kartell, das Karow kennt wie die berühmte Westentasche.
Wird endlich mal genutzt: Der Flughafen Berlin-Brandenburg (Bading, Trebs, v.l.) ©RBB/Frédéric Batier
Dass der Fall zugunsten der Charakter-Einführung der beiden Neuen unter die Räder gerät und zufälligerweise im Expertengebiet des einen Neuen spielt, ist letzen Endes dann doch zu verzeihen. Bleibt nur die Frage zu beantworten, ob dieses Team in dieser Konstellation überhaupt eine Daseinsberechtigung hat? Berlin als Hauptstadt sicher, ob zwei weitere kaputte Typen nicht langsam des Guten zu viel sind, wird man allerdings abwarten müssen.
©ARD
BEWERTUNG: 07/10Titel: Tatort: Das MuliErstausstrahlung: 22.03.2015Genre: KrimiRegisseur: Stephan WagnerDarsteller: Mark Waschke, Meret Becker, Carolyn Grenzkow, Emma Bading, Theo Trebs, Robert Gallinowski, Kida Ramadan u.v.m.