WEIMAR. (fgw) Der Neuschwanstein-Kot Oder: Was dabei herauskommt, wenn man nur mit Wikipedia recherchiert und den Rest dazuphantasiert. Wer sich schon einmal mit dem Verlagswesen befasst hat und selbst schreibt, der stellt sich und den Verlegern immer wieder eine Frage: Wie muß ein Manuskript sein, damit es veröffentlicht wird. Man bekommt dann viele kluge und nichtssagende Antworten. Es müsse ansprechend sein, es müsse in die Verlagsphilosophie sein, es müsse gut gemacht sein, gute Sprache, gute handwerkliche Arbeit. Und dann der Spruch: Ein gutes Manuskript wird auch seinen Verlag finden.
von Ilka Lohmann
Cover
Es gibt jetzt eine neue Linie für Normalnull in der Qualität eines Romanmanuskripts. Festgelegt und beinahe sogar noch selbst unterboten hat sie der Autor und Tausendsassa Arno Löb mit seinem „Roman” „Der Neuschwanstein-Code”. Auf fast 400 Seiten entwickelt der Verfasser eine Geschichte, die an Hirnrissigkeit, Zusammenhanglosigkeit und Imbezilität kaum zu überbieten ist. Das fängt schon bei den Figuren an.
Heldin ist eine Amerikanerin, die auf Schloß Neuschwanstein als Fremdenführerin arbeitet. Leider ist sie mental etwas minderbemittelt, was sich zum Beispiel darin äußert, daß sie kein Englisch kann. So muß sie beispielsweise erst von einer japanischen Manga-Zeichnerin die wahre Bedeutung des Wortes „horny” erfahren. Außerdem ist sie ein sehr schlichtes Gemüt und nur zu wenig rationalen Überlegungen fähig.
Die Manga-Zeichnerin ist eine von drei Japanern in der Geschichte, die anderen beiden, ihr Bruder und ihr Vater, sind – natürlich, möchte man fast schreien! – Sushi-Koch und Karate-Meister. (Vielleicht hat sie noch einen zweiten Bruder, der Ninja ist und deshalb nicht in der Handlung auftaucht.) Mit dem Karate-Meister fängt die Fremdenführerin dann auch – wieder möchte man „natürlich!” schreien – etwas an.
Es gibt dann noch einen schrulligen Polizisten und einen kauzigen Erfinder und natürlich jede Menge homosexuelle Randfiguren. Muß ja auch so sein, denn immerhin war Ludwig II. schwul und hatte sonst nicht viel, um eine Persönlichkeit zu entwickeln. Und es gibt auch einen Schurken, dem eine nordische Walküre zur Seite steht. Also die Zahl der schwachsinnigen, halbentwickelten Charaktere in diesem Buch ist Legion.
Kurz zur Handlung:
Ludwig II. hat beim Bau von Neuschwanstein den Schatz der Nibelungen gefunden und hinter dem Schloß versteckt. Damit das Versteck geheim bleibt, hat er die Information mit Friedrich Nietzsche und Richard Wagner geteilt. Alle drei hatten den Teil eines Rätsels, das zusammengesetzt die Lage des Schatzes verraten sollte.
Diese Rätselteile tauchen nun wieder auf, und natürlich wollen alle den Schatz haben. Die Jagd führt durch ganz Europa. Man schändet Cosima Wagners Grab, und als man am Ende in der Schatzhöhle zusammenkommt, ist der ganze Schatz schon weg. Der wahnwitzige Erfinder hat den Schatz auch ohne Rätsel gefunden und ihn benutzt, um seine Forschungen voranzutreiben, z.B. um ein U-Boot zu bauen, mit dem er im Starnberger See herumfahren kann.
An dieser Stelle sei ein Absatz aus dem Buch zitiert, um ein Beispiel für die wirre Sprache, in der es abgefasst ist, zu geben:
„Sie zog den Tarnmantel, den ihr Bruno umgeworfen hatte, eng an sich. Komischerweise fiel ihr jetzt ein, dass ihr Bruno erklärt hatte, er vermutete, dass dieser Sternenstaub die herumwirbelnden Atome von Materien so anordnete, dass ein menschliches Auge genau durch die Zwischenräume der Atome blickte, wodurch der Unsichtbarkeits-Effekt entstand. Allerdings wirkte der Tarnmantel nur in einem Umkreis von höchstens fünfzig Zentimetern, meistens weniger. Und am besten in Verbindung mit der Körperwärme von Menschen. Das war ein Problem für große und dicke Menschen, hatte Bruno geschildert. Die wurden nicht ganz unsichtbar. Weil der Tarnmantel von allem Seiten wirkte, konnten Menschen mit einem Durchmesser von einem Meter problemlos unsichtbar werden. Walle schlich sich hinter die Statue des Flöten spielenden Krishna.” (S. 361)
[Nur um mal die Rechnung nachzuvollziehen... Ein Mensch mit einem Durchmesser von einem Meter hat einen Umfang von über drei Metern. Also „dick" muß da schon „seeeeehr dick" sein. Interessant wäre allerdings, was man sehen würde, wenn so ein Mensch den oben beschriebenen Tarnmantel trüge. Vermutlich seine Innereien. Also, wenn Ihnen mal ein einsamer Verdauungstrakt entgegen kommt, dann ist das vermutlich ein sehr, sehr dicker Mensch mit Tarnmantel; IK].
In dieser Sprache ist das ganze Buch abgefasst. Es ist deshalb sehr schwer zu lesen. Man merkt: Der Autor will „abgefahren” schreiben, was immer das bedeuten mag. Deshalb spielt auch eine Gothic-Band eine Rolle, tauchen schwule Mangas auf und hat jeder ein I-Phone. [Hoffentlich bekommt Herr Loeb dafür einen kleinen Bonus von Apple;IK]
„Der Neuschwanstein-Code” ist kein gutes Buch, um Zeit damit zu verbringen, einfach weil es kein gutes Buch ist. Nichts an diesem Buch ist interessant. Die Figuren sind blaß, dümmlich und voll von Klischees. Die Handlung ist so wirr, daß ihr noch nicht einmal der Verfasser selbst folgen konnte. Die Sprache ist schlimm. Obendrein ist das Buch sehr schlecht lektoriert, voller Druckfehler und grammatischer Fehler.
Das ist sehr bedauerlich, denn man hätte durchaus viel machen können aus der Geschichte. Aber dazu hätte es der Gewissenhaftigkeit und einer gewissen Bemühung seitens des Autors bedurft, die dieser leider nicht zu investieren bereit war.
Schade. Eine Chance auf ein spannendes Buch vertan. Ich rate von der Lektüre ab.
Arno Löb: Der Neuschwanstein-Code. Thriller. 400 S. brosch. Unsichtbarverlag Dietdorf 2012. 12,95 Euro. ISBN 978-3-94920-4
Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar