Neuntöter von Ule Hansen – Rezension

Faszinierendes Debüt

Berlin, Potsdamer Platz. Beim Klettern auf einem Baugerüst macht ein Junge eine grausame Entdeckung: Drei Leichen, einbandagiert in Panzertape, hängen in schwindelerregender Höhe an den Gerüststangen. Sie sehen aus wie Mumien und scheinen in dieselbe Richtung zu blicken, als würden sie auf etwas warten. Als die menschenscheue Fallanalystin Emma Carow auf den Fall angesetzt wird, ist ihr schnell klar, dass er für ihre Karriere entscheidend ist. Doch je fester sie sich verbeißt, desto mehr droht ein altes Trauma sie in den Abgrund zu ziehen. (Inhaltsangabe laut Verlag)

Emma Carow ist eine ungewöhnliche Frau. Schwer traumatisiert, aber hoch intelligent. Und eine Einzelkämpferin. Also beste Voraussetzungen für eine Fallanalystin. Seit Lisbeth Salander mag ich solche Charaktere, wobei ich Emma Carow nicht mit ihr vergleichen möchte. Aber auch sie hat mich fasziniert.

Ule Hansen lässt sie zwar nicht in der Ich-Form erzählen, aber ich blicke ihr die ganze Zeit über die Schulter und erlebe somit alles aus ihrer Sicht. Gleichzeitig werde ich Zeuge ihrer Gedanken, ihrer Ängste, ihrer Überlegungen. Und das fand ich überaus spannend. Manche Gedankengänge waren für mich zwar nicht unbedingt nachvollziehbar, aber höchst interessant. Menschen mit solchen Fähigkeiten beeindrucken mich. Außerdem habe ich eine Schwäche für Menschen, die ganz straight ihr Ding durch ziehen und damit ständig anecken. Emma ist es völlig egal, was andere von ihr denken, sie macht das, was sie für richtig hält. Und manchmal kann sie einfach nicht anders.

Der Fall, den sie zu lösen hat, ist von Anfang an ziemlich mysteriös. Ich war zwischen Ekel und Faszination hin und her gerissen. Der Plot ist geschickt konstruiert und die präzise knappe Sprache passt hervorragend. Ule Hansen kommt ohne viel Drumherum zu reden auf den Punkt. Die Beschreibungen sind sehr deutlich. Oft musste ich heftig schlucken, da wurde nicht mehr viel meiner Fantasie überlassen. Meine Schmerzgrenze wurde zwar berührt, aber nicht überschritten.

Emmas Vergangenheit ist auch nicht ohne und schwappt immer wieder an die Oberfläche. Dadurch verstehe ich sie noch besser und es gibt dem Ganzen noch mehr Brisanz.

Ich hatte lange überhaupt keine Idee zur Auflösung und hangelte mich begeistert am Spannungsbogen entlang. Mit Berlin und seinen teilweise kuriosen Bewohnern war der Schauplatz exzellent gewählt.

Es gab allerdings auch Szenen, die ich am liebsten überlesen hätte. Immer dann, wenn ich nicht wusste, passiert das jetzt tatsächlich oder nur in Emmas Gedanken. Das war mir zu abstrus. Aber das ist auch mein einziger Kritikpunkt.

Meistens verliere ich keine Worte über das Cover, sie sind nicht so wichtig für mich. Es sei denn, sie sind besonders schrecklich oder besonders gelungen. Letzteres trifft auf Neuntöter definitiv zu. Dezent, elegant und in seiner Schlichtheit perfekt. Das muss im Buchladen einfach auffallen.

Auch der Titel ist sehr gelungen. Von einem Neuntöter habe ich bisher nichts gehört, aber da werde ich ziemlich schnell auch ohne Google aufgeklärt.

Fazit: Ein gelungenes Debüt, spannend und faszinierend von Anfang an mit einer Hauptfigur, die polarisiert. Ich mag sie so sehr, dass ich gerne mehr von ihr lesen möchte.

Die Autoren:

Ule Hansen ist das Pseudonym eines Berliner Autorenduos. Astrid Ule ist zudem Lektorin, Eric T. Hansen freier Journalist. Gemeinsam haben Sie bereits mehrere Dreh- und Sachbücher verfasst. Sie teilen eine Leidenschaft für nächtliche Gespräche bei gutem Whisky, exzentrische Halloweenpartys und ziellose Streifzüge durch die vergessenen Ecken der Stadt. NEUNTÖTER ist ihr erster Thriller. (Quelle: Verlagsseite)

Neuntöter ist im Heyne Verlag erschienen.

Leseprobe

Interview mit dem Autorenduo

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