Warum ich mich damit überhaupt beschäftige? Es ist immer wieder witzig, den Flachheiten bekannter buddhistischer Lehrer zu lauschen. Plumvillageonline stellte Videos von einem Retreat vom August 2014 auf Youtube ins Netz, mit dem Hinweis, dies sei nicht ohne Spenden möglich, und einem Link zu einer Spendenseite (dort wird neben den Währungen Euro, Dollar und Pfund interessanterweise auch der Singapur-Dollar angeboten - Singapur ist beliebte Zwischenstation für Geld, das in südostasiatische Länder geschleust wird). Keine Bange, es wird noch peinlicher. Da ich dieses Gerede, das dann auch noch zweisprachig das Tempo verschleppt, nur bedingt aushalte, nehme ich mal die Metapher vom Samenkorn aus diesem Video. Um seinen Zuhörern zu erläutern, dass das Leben nicht endlich sei, hält TNH ein Topfpflänzchen hoch und fragt, ob denn das Samenkorn, aus dem dieses erwuchs, etwa nicht mehr da sei. Nun denken wir mal einen Augenblick nach. Hat das Samenkorn wirklich so viel mit uns zu tun? Denkt das Samenkorn vielleicht: "Oh Scheisse, wenn mich jetzt jemand in Salzsäure auflösen würde und ich mit der Salzsäure eins würde und auf diese Weise weiterexistieren müsste?" Wie auch immer, die Pflanze wird irgendwann verrecken, und so ist es auch mit uns. Die Produkte unserer Samenverteilung werden ebenfalls verrecken. Es würde uns auch nicht helfen, wenn man uns stattdessen in einem Topf einpflanzt. Das, was verreckt, sind natürlich nicht wir. Hier hätten wir dann eine buddhistische Lehre. Das, was da leidhaft verreckt, wäre die Illusion von uns. Aber dann wäre da - sobald wir das durchschauen - ja auch keine Notwendigkeit mehr, irgendeine andere Illusion nicht verrecken zu lassen (die Pflanze, ein anderer Zustand). Mit seinen Trostmetaphern wendet sich Thich Nhat Hanh also an den - buddhistisch gesprochen - verwirrten Geist, der nicht loslassen will, statt ihn in seiner Täuschung zu packen (die bei TNH darin besteht, die Zustände Samenkorn, Pflanze und Mensch zu verwechseln).
Ich habe mir lieber die Frage-Antworten-Sektion angeschaut. Da zeigt sich gleich bei der ersten Frage eines schüchternen Mädchens, wie unausgegoren noch immer Thichs Ansichten sind. Auf die Frage, warum Mönche und Nonnen keine Familie haben dürften, antwortet er zunächst, die Sangha sei eine solche, Brüder und Schwestern usf. Dann begründet er den Zölibat jedoch damit, man müsse sich in einer Ehe um die Familie kümmern und arbeiten. Um in der Analogie zu bleiben - was anderes bitteschön hat denn der Mönch mit seiner Dharma-Familie zu tun? "Und dann haben sie nicht mehr genug Zeit zu praktizieren." Hier ist er wieder, TNHs Dualismus, als gäbe es einen Widerspruch zwischen Alltags- und Familienleben und davon zu trennender Übung.
Auf die zweite Frage, ob er unglücklich sei, nicht in Vietnam zu sein, antwortet TNH: Körperlich sei er nicht da, spirituell jedoch sehr. Dies ist womöglich eine Freudsche Metapher für seine ideologische Herkunft aus dem dortigen historischen Kommunismus, und es sagt auch etwas über die Art aus, wie er neben den oft zitierten Wohlfühlworten "Friede", "Glück" und "Freude" seinen eigenen Mystizismus pflegt. In Vietnam könnten die Menschen immer noch seine Bücher lesen, sagt TNH, aber wir wissen ja, dass da nichts drin steht, was den Kommunismus überwindet.
Dem dritten Fragesteller will TNH weiß machen, dass Nonnen nach der Tonsur schöner aussehen. Nun verstehen wir wenigstens, warum er darauf besteht. TNH sieht das Abrasieren der Gesichts- und Kopfhaare als Botschaft an die anderen, man könne nicht mehr Ehemann oder Ehefrau werden. Mit keinem Wort erwähnt er, dass dies gar nicht für alle buddhistischen Traditionen gilt. Dagegen sollte man sich an seinen Rat halten: "Wir sind Mönche und Nonnen. Lauft uns nicht nach!"
(Vor den Fragen ertönt stets ein Gong. Haha! Das ist Showtalent!)
4. Fragesteller: Warum sollten wir Veganer und nicht Vegetarier sein. Antwort: "ICH will keine Eier, keinen Käse essen und keine Milch trinken, weil das Aufziehen der Tiere viel Leid hervorbringt." Stimmt nicht, habe kürzlich der Schafsmilchproduktion beigewohnt. Stimmt nicht, man kann sich auch direkt unter einen Euter legen. Stimmt nicht, man kann Vögeln auch Eier aus dem Nest klauen. Es ist halt alles eine Frage, wie man es anstellt. Man kann das alles genießen, ohne Teil der kommerziellen Verwertungskette zu sein, falls einen das stört. Es gibt daher keinen Grund, ein Dogma daraus zu machen. Dann springt TNH noch vom Fleisch zum Alkohol, ohne dass sich darin eine Logik erschließt. Es ginge jedenfalls darum, dass mangelndes Mitgefühl auch mangelndes Glücklichsein zur Folge habe. Interessant, das Mitgefühl wird hier also für die Glücksindustrie instrumentalisiert, im Sinne einer Ursache-Wirkungskette. Auch das ist kein Zen, weil das Individuum in diesem Fall nicht grund-los nach seiner tiefen Moral strebt, sondern im Sinne eines konventionellen Belohnungssystems.
(Ich unterbreche einen Augenblick. Muss meinem Atem folgen, ganz im Sinne TNHs. Ah, da ist sie ja, die Magensäure! Und nun wieder zurück, an der Rotze vorbei, raus!)
Es kommen noch die üblichen Klischees ("... dann wirst du alle Angst verlieren", "die vier edlen Wahrheiten, der achtfache Pfad", "ich lese keine Nachrichten mehr" usf.), schließlich wurde mir meine Zeit dafür zu schade. Bei einigen Fragen dachte ich mir noch selbst aus, was TNH wohl antworten würde, und dann kam es auch manchmal so. In geringfügiger Abwandlung seiner Ratschläge möchte ich Euch mit auf den Weg geben: "Es kann sehr hilfreich sein, die Tür zu schließen und nicht länger Thich Nhat Hanh zuzuhören. Auch ein Dharma-Vortrag kann Gift sein."
[P.S.: Die Preise dieses Retreats konnte ich gerade nicht finden, aber noch 2010 kostete eine knappe Woche in Waldbröl im Einzelzimmer incl. Vollpension ca. 500 Euro. Hochgerechnet auf einen Monat wären das 2.500 Euro, also mehr, als ein Bundesbürger im Schnitt von seinem Monatsgehalt übrig behält. Hier ein kritischer Erfahrungsbericht aus Plum Village.]