Das Schauspielhaus
Das neue Stück von René Pollesch am Schauspielhaus Hamburg. Da ich Pollesch in München kennen und lieben gelernt hatte, musste ich dort unbedingt hin.
Die Bühne erinnerte mich im ersten Moment an eine Krippe zu Weihnachten, die sich manche Menschen ins Fenster stellen, auch wir haben so eine zu Hause. Auf den zweiten Blick und beim Auftreten der Figuren wird aber schnell klar: Wir sind im Wilden Westen. Warum ich diese Assoziation der Krippe hatte, weiß ich auch nicht mehr genau.
Die Bühne wurde in den Zuschauerraum hineinversetzt. Eine Leinwand an einem Gerüst erinnerte an eine Fototapete in einem Film-Set. Sie zeigte eine Wolkenlandschaft. Auf der Bühne standen ein ausgedörrter Baum, ein Haus, ein paar Steine, ein Zaun und ein Klavier.
Sophie Rois betritt die Bühne mit ihrem überdimensionalen Reifrock, über dem sie ein weißes Spitzenkleid anhatte, ganz wie im Wilden Westen. Eine wunderbare Schauspielerin mit einer enorm rauchigen und brüchigen Stimme, als ob sie zu viel Whisky getrunken hätte. Nicht umsonst ist sie zur Schauspielerin des Jahres 2012 gewählt worden. Sie spielt so wunderbar frei und versteht es den Text von Pollesch verständlich und emotional wiederzugeben, dass es eine wahre Freude ist ihr dabei zuzuschauen. Auch wenn sie natürlich ganz anders ist, könnte sie als Pollesch-Äquivalent zu Katja Bürkle in München gelten. Neben ihr standen noch Margit Carstensen, Christine Groß und Leonie Hahn auf der Bühne, wie auch der Chor aus Laien!?
Was Leonie Hahn dort auf der Bühne gemacht hat, hab ich nicht verstanden. Sie spielte Jonny und machte so viele unüberlegte Gestiken und Mimiken auf der Bühne, dass es nicht grad schön mit anzusehen war. Wahrscheinlich sollte es Absicht sein, dass Pollesch jemanden auf die Bühne stellt, der sehr laienhaft tut oder Laie ist, nur kann ich mir nicht erklären warum. Sie stand meistens einfach nur da, wusste nicht wohin mit ihren Händen und ihrem Cape, wirkte motivationslos. Wie jemand der einfach mal auf der Bühne stehen wollte, aber eigentlich kein Talent dazu hat. Ich weiß immer noch nicht was das soll, vielleicht kann jemand anderes dieses Rätsel lösen.
Worum geht es im Neuen Pollesch eigentlich? Es geht um Liebe, um die Tragödie um den Chor und die Heilige Johanna.
“Könntest du bitte aufhören im Chor zu sprechen, ich denke dann ich bin in einer Tragödie.“, sagt die Heilige Johanna zum Chor, nachdem sie von ihm etwas genervt ist.
Es geht um die Möglichkeiten der heutigen Freiheit, warum wir uns lieber Soaps anschauen und keine Lust mehr haben nach 2000 Jahren immer noch Tragödien zu sehen, warum trotzdem immer alles im gleichen Dauerzustand bleibt.
Es geht um Dumpinglöhne, um Hitler und Angela Merkel, die Ungerechtigkeit der Welt und noch vieles mehr. Viele Gedanken, viel Pollesch, viel zum Lachen. Viele Absurditäten, die aber durchaus ihre Berechtigung haben ausgesprochen zu werden.
Was soll man weiter noch sagen? Wer Pollesch kennt, weiß dass man hier keine Inhaltsangabe machen kann. Es ist ein typischer Pollesch, vielleicht etwas langsamer gesprochen als in München (bilde ich mir ein) aber trotzdem genauso toll. Ich könnte noch so viel schreiben und es würde doch immer das gleiche sein. In diesem Sinne: Schaut es euch an, wenn ihr in Hamburg seid!