Im Grunde bin ich ein positiver und optimistischer Mensch. Gewiss: Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt sind Gemütszustände, die mir nicht völlig fremd sind. Aber unterkriegen lasse ich mich am Ende dann doch nicht und, so beschreiben es Freunde, erfinde mich zur Not immer wieder neu. Das ist bis heute gut gegangen und wird es wohl auch, so Gott will, bis an mein Lebensende, so dass ich mir um meine Frau und mich keine größeren Sorgen mehr mache und inständig hoffe, dass wir noch lange gesund und fit bleiben.
Wenn ich allerdings mit Blick auf meine Kinder und Enkelkinder in die Zukunft schaue, wird meine Zuversicht doch ein wenig erschüttert – und dass, obwohl junge Menschen nirgendwo auf der Welt bessere Zukunftschancen haben als hier in Deutschland. Denn es gibt Indikatoren, die darauf hinweisen, dass doch nicht alles Gold ist, was da glänzt.
Da ist beispielsweise der Bericht der Weltbank, der jedes Jahr weltweit mit Spannung erwartet wird und recht unspektakulär „Doing Business“ heißt. Analysiert wird, wie einfach es ist, in den einzelnen Ländern Unternehmen zu gründen und zu führen, also Geschäfte zu machen. Und genau in diesem Bericht befindet sich die Bundesrepublik auf der schiefen Ebene. So rutschte sie im Vergleich zum Vorjahr um vier Plätze nach unten auf den 24. Platz. Ein Jahr zuvor waren es bereits drei Plätze, die unser Land eingebüßt hatte.
Was soll’s, könnte man sagen, das ist ja nur eine Momentaufnahme. Aber, die Tendenz zeigt eben nach unten, was Investoren nicht unbedingt nach Deutschland locken dürfte. Dabei scheint es gar nicht so schwer zu sein, gute Rahmenbedingungen für Zukunftsinvestitionen zu schaffen. Jedenfalls zeigen uns Länder wie Georgien und Mazedonien, wie es geht, und sind in der Rangliste bereits weit nach oben in die Top Ten entrückt.
Und so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass, während der Wind der Veränderung bläst, hierzulande – im Sinne des chinesischen Sprichwortes – mehr Mauern als Windmühlen gebaut werden. Dabei erwarten die Menschen zu Recht Antworten auf die drängendsten Fragen unser Zeit: Wie bewältigen wir die weltweiten Migrationsbewegungen, ohne unsere Grundwerte über Bord zu werfen? Wie gestalten wir die Globalisierung und halten dabei gleichzeitig unsere Gesellschaft zusammen? Wie gehen wir mit dem Klimawandel um und kommen zu einem interessensgerechten Ausgleich zwischen Ökologie und Ökonomie? Und nicht zuletzt: Wie holen wir in der Digitalisierung auf und verhindern, dass unser Land den Anschluss an die weltweite Entwicklung komplett verliert?
Bundesregierung und Landesregierungen haben da bislang ebenso versagt wie die Parteien und alle anderen gesellschaftsrelevanten Gruppen. Noch fehlt ein überzeugender Masterplan für die Gesellschaft 4.0, in der wir alle, vor allem aber unsere Kinder und Enkelkinder eine sichere und lebenswerte Zukunft haben. Doch die Zeit drängt. Populisten jedweder Couleur versuchen derzeit, den Menschen weiszumachen, sie hätten des Rätsels Lösung und machen doch nichts anderes, als die Gesellschaft zu spalten.
Das gilt national wie international. Egal wohin man schaut, es ist immer das Gleiche: Ob Trump, Putin, Erdogan, Duda, Orban oder Kurz, sie alle spielen die nationale Karte und bedienen mit ihrem Nationalismus nur niedere Instinkte. Gleiches gilt natürlich auch für Alice Weidel und Alexander Gauland mit ihrer vermeintlichen Alternative für Deutschland, die eher eine Unmöglichkeit für Deutschland ist. Schließlich weiß heute ein jedes Kind, dass die wirklichen Probleme nur noch länderübergreifend gelöst werden können.
In Europa bedeutet das, dass die Europäische Union mit allen Mitteln gestärkt werden muss, damit sie auf Augenhöhe mit den Vereinigten Staaten von Amerika, mit Russland und mit China, mit Brasilien und mit Indien reden kann. Ein kleinstaatliches Europa stünde völlig auf dem verlorenen Posten.
Was also ist zu tun? Wie sieht der Plan aus? Welche Grundsatzentscheidungen sind zu treffen?
Wenn wir als Deutsche Europa stärken wollen, müssen wir erst einmal unsere Hausaufgaben machen. Dabei sollte ein Grundsatz befolgt werden, der für jede schwäbische Hausfrau eine Selbstverständlichkeit ist: Wir können nicht mehr ausgeben, als wir einnehmen. Wirtschaftspolitisch gesehen bedeutet das, dass die soziale Marktwirtschaft Ludwig Erhards nicht nur auf das Soziale reduziert werden darf, wie das gerade SPD-Bundesfinanzmister Olaf Scholz vor dem Hintergrund sprudelnder Steuerquellen mit seinen Rentenplänen tut.
Angebracht wäre da vielmehr, dass er einmal in seinem Hause ins Archiv steigt und ein Papier aus dem Jahre 1982 ausgräbt, das unter dem Namen „Lambsdorff-Papier“ seinerzeit für Furore sorgte. Dabei sind die vier Kernpunkte es durchaus wert, auch heute noch Beachtung zu finden. Denn Konsolidierung des Haushalts, Schaffung von Anreizen zu arbeitsplatzfördernden Investitionen, Eindämmung der explodierenden Sozialstaatskosten und Deregulierung im Inneren und nach außen gehen in der Tat in die richtige Richtung.
Wenn dabei auch noch erreicht wird, dass es der Wirtschaft und den Arbeitnehmern gleichermaßen gut geht, letzteren bezahlbare Wohnungen zur Verfügung stehen und für deren Kinder eine zukunftsgerechte Bildung angeboten wird, dann lässt sich ganz sicher auch der notwendige Ausgleich zwischen Umwelt und Wirtschaft ideologiefrei herstellen. Und wenn es uns darüber hinaus auch noch gelingt, den Fluchtursachen in den diversen Ländern wirksam zu begegnen, bleiben hierzulande genügend Ressourcen, um der Digitalisierung nicht nur hinterherzulaufen, sondern sie voranzutreiben. Und vielleicht hat ja dann der eine oder andere auch noch Zeit und Lust, sich den Themen Künstliche Intelligenz und Mobilität zu widmen.
Es geht aber um noch mehr. Wir müssen endlich auch die Widersprüche auflösen, die uns so zu lähmen scheinen: Wie kann im Zeitalter von Terrorismus und Bandenkriminalität die Sicherheit der Menschen garantiert werden, ohne deren Freiheit unverhältnismäßig einzuschränken? Wie kann notwendiges wirtschaftliches Wachstum gefördert werden, ohne unverantwortlichen Raubbau an der Natur zu betreiben? Was kann der Einzelnen für die Gemeinschaft tun und was die Gemeinschaft für den Einzelnen? Wie viel Eigensinn kann Gemeinsinn aushalten? Wie kann nationale Identität im Rahmen internationaler Kooperation weiter bestehen?
Man muss es vielleicht nicht ganz so dramatisch beschreiben wie Albert Einstein, wonach eine neue Art von Denken notwendig ist, wenn die Menschheit weiterleben will. Aber neu zu denken, ist sicherlich nicht das schlechteste Mittel, um an die verschiedenen Themen heranzugehen – ganz in dem Sinne: Neues Denken für eine neue Zeit!