In diesem Blog möchte ich Beispiele vorstellen, in welche Richtung sich der Journalismus entwickeln könnte. Doch zunächst eine Vorbemerkung:
Der letzte Artikel über die Zukunft des Journalismus in Zeiten des Neoliberalismus beschäftigte sich vor allem mit den heutigen Rahmenbedingungen der Journalisten und der Verantwortung des Journalismus generell und welche Relevanz er zurückgewinnen kann, wenn er sich auf seine Stärken und Aufgaben besinnt. Sicher habe ich in diesem Artikel noch viele andere Themen angerissen, die einer Vertiefung bedürften. Es sollte aber nicht mehr sein, als ein Beitrag zu der Debatte aus einem anderen Blickwinkel und es gibt zweifelsohne etliche Experten, die in der Thematik des Urheberrechts deutlich besser informiert sind und umfassendere Analysen zum Thema bieten. Eine Anmerkung habe ich zu dem Artikel dennoch:
Es handelt sich nicht um ein Plädoyer dafür, Journalismus staatlich zu subventionieren, was zu Fragen führen würde, die in die völlig falsche Richtung führen würden (z.B. wie viele Journalisten es dann gäbe oder welche Meldungen sich verbreiten). Keineswegs. Dennoch brauchen Journalisten und Künstlern Freiräume, um kreative Prozesse zu initiieren und gute Ideen brauchen in ihrer Startphase eine Unterstützung. Das ersetzt natürlich nicht den Wettbewerb von Ideen. Es geht also darum Unterstützung zu ermöglichen ohne die Gesetzmäßigkeit von Angebot und Nachfrage außer Kraft zu setzen.
Doch in der Tat frage ich mich, wie sich Existenzsicherung und Arbeit über den Selbstzweck hinaus - die einem Leben einen Sinn geben - besser voneinander trennen lassen. Das ist natürlich eine Aufgabe, die keiner dem Journalismus alleine verantworten kann; kritischer Journalismus kann Anstöße geben, die Debatte darüber muss gesamtgesellschaftlich stattfinden und ich bin überzeugt, dass diese Debatten noch deutlich an Fahrt gewinnen werden. Es ist an der Zeit für emanzipatorische Projekte wie beispielsweise dem Grundeinkommen oder /und einer gemeinschafts- und ressourcenbasierten Ökonomie, die Antworten auf die Fragen unserer Zeit geben kann. Der Reflex alle Kapitalismuskritik damit zu beantworten, dass der Sozialismus gescheitert sei, zeigt nur die Kurzsichtigkeit einer Debatte, die zu viele Extreme kennt und zu wenig gesunden Menschenverstand. Es kann zweifelsohne nicht um die Frage Sozialismus oder Kapitalismus gehen, sondern darum neue Wege zu finden. Zwischen totalitärer Gleichmachung und angeblich alternativlosem Marktradikalismus liegen glücklicherweise Welten…
Ich werde das an anderer Stelle nochmals vertiefen.
Doch nun zum eigentlichen Thema: die in diesem Blog vorgestellten Initiativen zeigen: junger Journalismus ist kreativ, engagiert und findet eigene Wege. Die hier vorgestellten Journalisten warten nicht darauf, dass sich die Umstände ändern, sondern zeigen eine sich rasant verändernde Welt und schaffen ein Bewusstsein dafür, welche Herausforderungen aber auch Möglichkeiten dabei entstehen. Zweifellos ernten viele Journalisten noch nicht die verdiente Anerkennung und vielfach auch keine faire Entlohnung für die Arbeit, die sie heute schon umsetzen oder finanzieren ambitionierte Projekte mit Auftragsarbeiten.
Zunächst möchte ich auf das Projekt von Amrai Coen und Caterina Lobenstein (beide Teil des interessanten Journalistenkollektivs enarro) aufmerksam machen, die in ihrem Next Media Report auf einer Weltreise aus sieben Städten von einer sich rasant ändernden Medienlandschaft berichten.
Die Reise nahm ihren Anfang in Hamburg und der dortigen Multimediaszene.
Beispielsweise fand ich das Interview mit Uwe H. Martin sehr aufschlussreich:
"Jetzt ist die beste Zeit um Journalist zu sein"
Erste Station der Reise war Sao Paulo. Besonders interessant, welche Bedeutung bloggende Bürgerjournalisten in den Armenvierteln gewinnen:
"Millionen Brasilianer sind unsichtbar für die Medien"
Gerade sind die beiden in New York angekommen. Weitere Stationen werden Tokyo, Mumbai, Kairo und London sein. Ein hochspannendes Projekt!
Ein sehr konkretes Beispiel dafür, welche neuen Möglichkeiten die Verknüpfung verschiedener Medien bietet, stellt die Reportage Alma – Kind der Gewalt eindrucksvoll dar. Ein berührendes und aufwühlendes Zeugnis über die Gewalt, die sich an vielen Orten Zentralamerikas breit gemacht hat – hier am Beispiel von Guatemala City. Das Interview mit der ausgesprochen mutigen Protagonistin ist für sich alleine genommen bereits ein ganz besonderes Zeitdokument. Mithilfe von Videos, die man betrachten kann ohne das Interview zu unterbrechen, gewinnt der Bericht sehr an Tiefe. Dadurch gelingt es dem Betrachter, sich ihrer früheren Alltagsrealität anzunähern, was Interview und Reportage zu Etwas Neuem vereint. Es handelt sich ist allerdings um einen harten und ungeschönten Einblick in eine brutale Welt, die viele ausblenden. Aber gerade hier liegt die Stärke dieser Präsentation: sie kommt einer wirklichen Erfahrung näher und berührt dadurch sehr. Darüber hinaus werden unter dem Video fünf Module angeboten, die eine Vertiefung einzelner Thematiken (Geschichte und Geographie Guatemalas, Gangs, Gesellschaft und Drogenthematik) erlaubt und viele Informationen an die Hand gibt, um tätig zu werden oder sich zumindest umfassend zu informieren und die Informationen weiter zu teilen. Interessant stelle ich mir vor, solche Reportagen untereinander zu verknüpfen. Das würde tatsächlich einen Quantensprung medialer Berichterstattung bedeuten. Das heißt natürlich nicht, dass in Zukunft jeder Medien-Schaffende alles können muss, aber das lässt hoffen, dass in Zukunft viele Talente aus verschiedenen Bereichen zusammenfinden, um solche Projekte anzuschieben.
Ich hatte Uwe H. Martin bereits erwähnt. Unter seinen Arbeiten fand ich ein tolles Projekt über den globalen Baumwollhandel, das aus mehreren Filmen von unterschiedlichen Schauplätzen berichtet: White Gold. Im Film „Killing Seeds“beschreibt er die Folgen der Kapitalisierung der Landwirtschaft in Indien, die Vernichtung der Saatgutbestände und wie sich Firmen wie Monsanto dadurch eine Monopolstellung geschaffen haben, die sie rücksichtslos ausnutzen, mit schrecklichen Folgen für die Bevölkerung.
Zur Vertiefung der Thematik empfehle ich eine Auseinandersetzung mit Dr. Vandana Shiva und der Organisation Navdanya.
Sehr spannend finde ich auch die Arbeit von Antonin Kratochovil, der sich mit seinen Reportagen in Krisenregionen wagt.
Über die Agentur Bombay Flying Club (Uwe H. Martin ist eines der Mitglieder) finden sich weitere Inspirationen: Bombay Flying Club
Die genannten Links füllen zu einer Vielzahl weiterer Informationen und ich möchte mich daher auf diese Beispiele beschränken; da ich mich mit diesem Themenfeld erst seit Kurzem beschäftige, folgt aber mit Sicherheit in Kürze mehr. Die Links finden sich auch permanent in der entsprechenden Rubrik der Seitennavigation.
Auf jeden Fall sehr spannend, was gerade am Entstehen ist…