Für einige Stunden sah es so aus, als könnte der Traum vieler Star Trek-Fans von einer neuen Serie möglicherweise bald Wirklichkeit werden. Starfleet Intelligence veröffentlichte am 9. Juni auf seiner Seite bei Google+ einen Artikel, demzufolge der Autor und Produzent Larry Nemecek Besuchern der Messe Comicon Phoenix verraten habe, Netflix sei in Gesprächen mit CBS über eine neue Star Trek-Serie. Der international operierende Anbieter von Video-Streamings wolle die Serie nicht nur als originären Content vermarkten, sondern ihn zudem selbst produzieren. CBS sei demnach "nur" Lizenzgeber, solle aber neben den Lizenzgebühren für jeden Stream zusätzlich einen gewissen Betrag von Netflix bekommen.
Es könnte also alles so schön sein, doch dann kam das, was in solchen Fällen häufig kommt: das Dementi. Nicht von CBS oder Netflix – es war Larry Nemecek selbst, der sich zügig in seinem Blog zu Wort meldete: Er habe nie gesagt, dass Netflix und CBS in Gesprächen seien. Wenn es sie gebe, dann wisse er nicht davon. Bei Starfleet Intelligence habe vielleicht Wunschdenken dazu geführt, es so darzustellen, als werde heftig verhandelt. Von derartigen Aktivitäten habe er, Nemecek, aber keine Kenntnis. Es entspräche den Tatsachen, dass Netflix Rechteinhaber bekannter Marken Angebote mit dem Ziel mache, die Stoffe für neue Serie zu lizensieren und man habe auch bei CBS wegen Star Trek angefragt. Soweit er wisse, seien aus dieser Anfrage aber keine weiteren Gespräche gefolgt.
Also wieder einmal nur heiße Luft und viel Lärm um nichts? Wenn man Nemeceks Worten Glauben schenkt, dann ist dem so. Und es wäre nicht das erste Mal, dass ein Übereifriger aus einer beiläufigen Bemerkung sich einen Nachrichtenartikel nebst nach Aufmerksamkeit heischender Überschrift bastelt. Gleichzeitig darf man aber nicht aus dem Blick verlieren, dass Netflix ein Spieler ist, den man absolut ernst nehmen muss. Das Unternehmen ist sehr erfolgreich, auf Expansion aus und wirtschaftlich problemlos in der Lage, eine aufwändige SF-Serie zu stemmen. Außerdem ergäbe sich für CBS endlich die Möglichkeit, die wertvolle Marke Star Trek nach neun Jahren Abstinenz von den TV-Schirmen endlich wieder gewinnbringend nutzen zu können. Reruns der bestehenden fünf Realserien bringen zwar auch Geld, doch auf die Dauer kann man nur mit neuem Material richtig Kasse machen. Im amerikanischen Network-Fernsehen ist dies wegen der immer geringeren Quoten und der damit einhergehenden sinkenden Werbeeinnahmen aber kaum noch möglich. Nicht ohne Grund setzt man dort stark auf preiswert zu produzierende Formate wie etwa Sitcoms. Science-Fiction, insbesondere die Space Opera, ist nicht zuletzt wegen des Aufwands für CGIs hingegen teuer – zu teuer, um sich in den Programmen von ABC, CBS, FOX, NBC und CW halten zu können, wie sich in den letzten Jahren leider immer wieder gezeigt hat. Die Kabelsender (z.B. Syfy) kannibalisieren sich gegenseitig, weshalb ihnen schon deshalb die finanziellen Möglichkeiten für eine neue Star Trek-Serie fehlen.
Es bleiben unterm Strich also nur die Optionen Pay-TV und Online-Stream. HBO (mit Game of Thrones) und AMC (mit The Walking Dead) haben sich eine Reputation als Heimat anspruchsvoller Serienunterhaltung aufgebaut und wären sicherlich auch eine Anlaufstelle für CBS, um dort eine neue Star Trek-Serie zu platzieren. Stellt sich nur die Frage, ob und zu welchem Preis die Sender zugreifen würden. Grundsätzliches Interesse dürfte vorhanden sein. Und Netflix? Ich habe zwar gewisse Zweifel, dass CBS sich rein auf die Rolle des Lizenzgebers reduzieren lassen würde, doch ein realistisches Anbegot von Netflix vorausgesetzt, dürfte man sich zügig einig werden. Sicherlich nicht schon fürs nächste Jahr, doch für 2016 auf jeden Fall. Denn dann feiert Star Trek seinen fünfzigsten Geburtstag und einen besseren Anlass für eine neue Serie lässt sich kaum finden. Nemecek mag offizielle nichts von Verhandlungen zwischen CBS und Netflix wissen, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass es sie gibt. Und wenn der Weg zu einer sechsten Star Trek-Serie eben über Netflix führt, dann soll es mir recht sein. Denn machen wir uns nichts vor: Das klassische Fernsehen, insbesondere das Konzept des werbefinanzierten Free-TV, ist ein Auslaufmodell. Die Zukunft liegt auch in diesem Fall im Internet. Und da wäre es doch nur konsequent, wenn eine Serie, die im 23. Jahrhundert oder später spielt, dort ihr Zuhause hätte.