Neue Sonderausstellung im NS-Dokuzentrum: „Angezettelt. Antisemitische und rassistische Aufkleber von 1880 bis heute“

Neue Sonderausstellung im NS-Dokuzentrum: „Angezettelt. Antisemitische und rassistische Aufkleber von 1880 bis heute“

Blick in die Ausstellung „Angezettelt“ © Jens Weber

Jeder kennt sie, jeder sieht sie: Aufkleber mit „Refugees Welcome“, „Atomkraft? Nein Danke“ – intuitiv schieben sich bei diesen Slogans Bilder vor das innere Auge: gelbe Schrift und Grafik auf schwarzem Hintergrund; eine rote, freundliche Sonne auf gelbem Kreis. Zwei Beispiele für die Wirkmächtigkeit von Stickern, die sich in ihrer beiläufigen Präsenz auf Laternenmasten, öffentlichen Toiletten, Mülleimern etc. ins Gedächtnis einbrennen. „Angezettelt“, eine Ausstellung im NS-Dokuzentrum München, zeigt nun, wie dieses Medium seit dem späten 19. Jahrhundert auch immer wieder von rechten Bewegungen vereinnahmt wurde und wird – die ersten dokumentierten antisemitischen Aufkleber stammen aus den 1890er Jahren und warnen die Gäste der Berliner Straßenbahn davor, bei Juden zu kaufen.

Eine besonders hässliche Ausprägung dieser Zettelchen ist ebenfalls bereits ab Ende des 19. Jahrhunderts im Umlauf: gefälschte „Freifahrkarten“ für Juden, die diese so auf perfide Weise aufforderten, das Land zu verlassen. Auch in der aktuellen Ausstellung „Never Walk Alone“ hier im Jüdischen Museum München spielt ein Dokument dieser Form der Ausgrenzung eine Rolle: Das 1. FC Nürnberg-Mitglied Frank Anton Sanders erhielt 1933 ebenfalls eine solche fingierte Fahrkarte für die Reichsbahn – ein One-Way Ticket nach Jerusalem, „hin und nicht wied. zurück“, so steht es auf dem Ticket.

Neue Sonderausstellung im NS-Dokuzentrum: „Angezettelt. Antisemitische und rassistische Aufkleber von 1880 bis heute“

Fingierte Fahrtkarte Deutschland-Jerusalem. Leo Baeck Institute New York, Karola Sanders Collection, 1920-1933

Auch die Reaktion auf die Blätter mit den polemischen Schmähungen sind Teil der Ausstellung „Angezettelt“. Über weite Strecken der Geschichte fällt der Protest erschreckend spärlich aus. Es gibt jedoch auch immer wieder jene, die entschlossen Widerstand leisten. Ein sehr konkretes Beispiel ist die Berlinerin Irmelia Mensah-Schramm, die der rechten Hetze seit über 30 Jahren beherzt mit Wasser und Seife entgegentritt und den öffentlichen Raum von den diffamierenden Stickern befreit.

Heute sind es oft nur ein paar Klicks und schon sind Hassparolen und Diffamierungen via Internet gestreut, vervielfältigen und verselbstständigen sich. Auf die Frage nach dem Umgang mit derartige öffentliche Meinungsäußerung hilft zuweilen der Blick zurück, auf Form und Wirkung ähnlicher Dynamiken, um sie zu analysieren und vor allem ihnen entschieden entgegenzutreten.

„Angezettelt. Antisemitische und rassistische Aufkleber von 1880 bis heute“ läuft vom 8. März bis 5. Juni 2017, Dienstag bis Sonntag von 10.00 bis 19.00 Uhr.

Mehr Informationen unter https://www.ns-dokuzentrum-muenchen.de/home/


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