Verschiedene muslimische Organisationen und auch Turgut Yürksel, Vertreter säkularer Muslime in der Deutschen Islamkonferenz, haben diesen Vorstoß allerdings kritisiert. Von politischer Seite gibt es hingegen durchaus Unterstützung für die Schaffung eines gesetzlichen islamischen Feiertags – im Herbst letzten Jahres hatte der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann erklärt, sich dieser Idee nicht verschließen zu wollen. Auch tritt Kretschmann in letzter Zeit immer stärker als Befürworter eines Islamischen Wohlfahrtsverbandes – vergleichbar mit Caritas und Diakonie – auf und unterstützt die entsprechenden Vorstöße der konservativ-orthodoxen Islamverbände.
Vor wenigen Wochen hatte der Vizepräses der Evangelischen Kirche im Rheinland sogar einen “Stillen Feiertag” für Juden und Muslime gefordert. Dabei musste er sich seinem Eifer für eine weitere privilegierte Betonung des Religiösen in Deutschland von muslimischer Seite allerdings belehren lassen musste, dass es im Islam keine “stillen Feiertage” gibt.
Bei den Feiertagsforderungen ist immer wieder von “religiöser Gleichberechtigung” die Rede, von einem “wichtigen integrationspolitischen Zeichen” und von “Toleranz in unserer Gesellschaft”. Tatsächlich geht es jedoch ausschließlich um eine religiöse Gleichberechtigung “des Islam” – um nichts anderes. Noch nie hat man in Deutschland (auch nicht von politischer Seite) davon gehört, dass etwa gesetzliche religiöse Feiertage für Hindus, Buddhisten, Shintoisten, für die Bahaj-Religion oder für Pagane gefordert werden. “Religiöse Gleichberechtigung”, “Toleranz” – nein, man sollte dieses bombastische Wortgeklingel beiseite lassen. Es geht um knallharte Lobbypolitik und die Privilegierung der abrahamitischen Religionen – eine Art Religionskartell, das maßgeblich die Religionslandschaft in Deutschland dominieren will, ist in der Konzeption. Da suchen die Religionsfunktionäre der im Verfall befindlichen christlichen Lehre den (historischen) Schulterschluss, damit christliche, muslimische und auch jüdische Vereinigungen ihren gesellschaftlichen Einfluss stabilisieren können. Mit religiöser Gleichberechtigung hat das überhaupt nichts zu tun. Mit dem Abbau von Privilegien und Diskriminierungen erst recht nichts.
Überhaupt kein Interesse besteht daran, humanistische Weltanschauungen nicht weiter zu diskriminieren. Das zeigen die ablehnenden Haltungen deutscher Politiker nahezu aller Parteien zum Lebenskundeunterricht, den der HVD an Schulen (auch außerhalb von Berlin/Brandenburg) anbieten will. Gegen die Anerkennung des Welthumanistentages als Feiertag wurde noch im letzten Jahr massiv Front gemacht.
Einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden sind die mittlerweile Jahr für Jahr stattfindenden Auseinandersetzungen um die religiös begründeten “Stillen Feiertage”. Religiöse, ihre Verbandsfunktionäre und Lobbyisten arbeiten daran, der Mehrheit der Gesellschaft, für die die Feiertage in ihrem religiösen Gehalt ohne jegliche Bedeutung ist, ihre minoritäre Deutung aufzuzwingen. Ihnen mangelt es an jeglicher Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Wenn etwa Frau Käßmann eine Zeit der Stille, der “Spannung” zwischen Karfreitag und Ostersonntag, für sich für bedeutsam hält, wenn Frau Göring-Eckhardt für sich den Karfreitag als einen Tag versteht, “um in Stille dem Scheitern, dem Leiden und dem Sterben ins Gesicht zu sehen”, dann ist dies zu respektieren.
Was beiden allerdings fehlt, ist der Respekt vor denjenigen, denen sie ihre Vorstellungen durch gesetzliche Regelungen aufzwingen wollen. Sie können oder wollen nicht akzeptieren, dass andere Menschen sich bei anderen Gelegenheiten Gedanken über Leiden und Sterben, über den Sinn des Lebens machen und sich dabei von den christlichen Riten und Vorgaben weder beeinflussen noch reglementieren lassen wollen.
Es fehlt gemeinhin bei den Verfechtern christlicher Rituale an dialogischer Toleranz. Es scheint, dass sie eine Entwicklung in Deutschland, die die religiöse Bevormundung der gesamten Gesellschaft einschränkt nicht akzeptieren wollen.
Andererseits: Der säkulare Staat gewährt selbstverständlich auch solchen Religionen, die im Niedergang befindlich sind, Schutz und gewährleistet ihre Ausübung. Eine Verpflichtung hierzu ergibt sich bereits aus den unveräußerlichen Menschenrechten auf Gewissens- und Glaubensfreiheit und auf ungestörte Ausübung des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, die auch im Grundgesetz geregelt sind.
Eine wegweisende Regelung, wie dies hinsichtlich der Ausübung der Religion an Sonn- und Feiertagen gehandhabt werden kann, gibt es beispielsweise in Berlin schon seit Jahren. Danach sind an Sonn- und solchen Feiertagen, die von Kirchen und Religionsgemeinschaften begangen werden, “alle über das gewöhnliche Maß hinausgehende Veranstaltungen und Handlungen verboten, durch die der Gottesdienst oder andere Veranstaltungen in Kirchen, Moscheen, Synagogen und den entsprechenden Baulichkeiten anderer Religionsgemeinschaften unmittelbar gestört werden kann.” Damit wird die ungestörte Religionsausübung respektiert und geschützt – ohne die Allgemeinheit zu beeinträchtigen.
Die Säkularen Grünen Berlin haben vor kurzem ein Modell zur Diskussion gestellt, welches Privilegierungen und Diskriminierungen vermeiden und eine substantielle Stärkung von Gewissens-, Religions- und Weltanschauungsfreiheit in einer säkularen Gesellschaft bringen soll.
Kernpunkte dieses Modells sind: Die jetzige Anzahl gesetzlicher Feiertage als gesetzlich geschützte Tage der Arbeitsbefreiung und der Arbeitsruhe bleibt erhalten. Es werden jedoch keine weiteren religiös begründeten Feiertage eingeführt.
Eine “Umwidmung” bestehender Feiertage soll dann nicht ausgeschlossen sein, wenn gesellschaftlicher Bedarf nach Einrichtung säkularer, für alle integrativ wirkender Feiertage auftritt, wobei Ostern, Pfingsten und Weihnachten hiervon ausgenommen sein sollen. Eine “Umwidmung” bestehender Feiertage auf andere Religionen soll aber ausgeschlossen sein.
Gegen religiöse und weltanschauliche Diskriminierung wird für alle Beschäftigten ein Kontingent von zwei (ggfs. drei) Tagen pro Jahr vorgeschlagen, das die Teilnahme an religiösen oder weltanschaulichen (humanistischen) Feiertagen ermöglichen soll.
Dies soll ähnlich gehandhabt werden, wie in den Staatsverträgen mit Aleviten und Muslimen vereinbart: es geht um Feiertage, an denen ArbeitnehmerInnen Anspruch auf (unbezahlte) Freistellung von der Arbeit haben, wobei ihr Freistellungsanspruch den betrieblichen von ArbeitgeberInnen reklamierten Belangen ohne Einschränkung vorgeht.
Um über das gegenwärtige Maß hinausgehende Offenlegungen von Religions- und Weltanschauungszugehörigkeiten gegenüber ArbeitgeberInnen zu vermeiden, die zu Diskriminierungen führen könnten und das Persönlichkeitsrecht beeinträchtigen, soll keine Pflicht zur Nennung der Religion / Weltanschauung bestehen.
Damit geht notwendiger Weise einher, dass tatsächliche alle diese Tage für sich beanspruchen können, auch wenn sie nicht an Feiertagen teilnehmen wollen. Dies ist die Folge aus einer konsequenten Umsetzung von Religions- und Weltanschauungsfreiheit, die eine Offenbarungspflicht gegen Dritten und jegliche Diskriminierung ausschließt. Dieses Modell vermeidet insbesondere eine Diskriminierung sowohl kleinerer Religionsgemeinschaften als auch von Weltanschauungsgemeinschaften.
Walter Otte
[Erstveröffentlichung hpd]