Jetzt hat er sich von der Seele geredet, wie schlimm das war, betrogen zu werden, und dann noch von zwei Menschen, die ihm wichtig waren und man merkt ihm an, wie gut es ihm tut, es mit mir zu teilen. Vielleicht zu gut. Vielleicht hätte ich auch die Fragen nicht stellen sollen, die ich gestellt habe. Wie zum Beispiel, ob der Cousin ihr wirklich was erzählen hätte können, wenn sie ihm vertraut hätte. Und ich meine dann auch: „Was für eine Schlampe, dann kannst du ja froh sein, dass du sie los bist!“ Und dann ging es wirklich los. Oh man. An der Stelle wusste ich, ich habe die Büchse der Pandorra geöffnet. Jetzt könnte man meinen, er fing jetzt an zu weinen und sich selbst leid zu tun und so weiter und so fort. Vielleicht sollte ich an der Stelle betonen, dass die ganze Sache wohl schon vier Jahre her ist, laut seinen Angaben, damit man nachvollziehen kann, wie überrascht ich in dem Moment war. „Nein, an ihr lag das nicht. Sie war toll. Sie war so hübsch und sie hatte so ein schönes Lächeln. Und sie war so sexy. Immer wenn sie den Raum betrat, haben alle immer.. Und wenn er ihr das nicht erzählt hätte, dann hätte sie bestimmt nicht… und sie war so toll… und alles nur seine Schuld.“ Ein Wechselbad der Gefühle für mich. Vorher tat er mir leid, jetzt tue ich mir leid. Ohne sie jemals gesehen zu haben, nach diesen tollen Beschreibungen, kann man sich denken, dass so man einer Frau, wenn man so eine Frau ist wie ich, niemals das Wasser reichen kann. Und noch blöder war, dass ich glaube, dass sie gar nicht so toll sein kann. Nur das Problem schien mir zu sein, dass er sie in seiner Erinnerung besser abgespeichert hat, als sie tatsächlich war. Wenn das alles gestimmt hätte, was er erzählt hatte, wäre sie ein Alien gewesen. Ehrlich, wenn man so was hört, wird man doch aggressiv. Ich habe ihm versucht mit dem Zaunpfahl zu winken und meinte „Ich weiß nicht, ob ich dich weiter reden lassen soll oder ob ich sauer sein soll. Liebst du sie noch?“ „Nein, die hat mich ja mit meinen Cousin betrogen, hab ich dir doch gerade erzählt.“„Dachte nur, weil du so schwärmst wie als ob du noch in sie verliebt wärst und ich weiß nicht wie ich mich dabei fühlen soll.“
„Nein, das ist vorbei, ich habe doch jetzt dich. Ich sage das nur, weil sie so hübsch war.“ Oh man, und ich dachte, ich wäre verkorkst. Kommen wir zurück zu der Theorie des Heiratsschwindlers. Ist das wirklich klug, was er hier tut? Wie soll ich damit umgehen? Ich meine, ich habe jetzt nicht ganz so viel Selbstbewusstsein, und ich denke mir immer, dass jede Frau, egal wie sie aussehen mag, wenn sie nicht im Rollstuhl sitzt, immer noch attraktiver ist als ich. Aber weist man in dem Moment darauf hin? Das wäre so was wie in den Vordergrund drängen. Es geht doch gerade um seine Geschichte. Wenn er sich auskotzen muss, dann soll er kotzen, da kann ich doch nicht erwähnen, dass es mir schlechter ist als ihm. Wie unsensibel wäre das denn jetzt von mir? Aber es fühlt sich so seltsam an, so niederschmetternd. Ich muss nur an jeden einzelnen Schwangerschaftsstreifen auf meinen Bauch denken und ich habe vor Augen so eine superschlanke, schwarze Göttin mit leuchtender Haut und einem Arsch, mit dem sie Nüsse knacken könnte und der hört nicht auf zu schwärmen. Ob es anderen Frauen auch so ergehen würde in meiner Situation?
Meine Fresse. Ich fühle mich so schlecht. Aber irgendwie ist dieser Moment sehr komisch, also hake ich nach. Ich hake nach, wie eine Frau, nicht wie ein Therapeut und gerade denke ich ganz ehrlich „Typ, du brauchst einen Therapeuten, denn wenn ich dich richtig verstanden habe, ist das ganze vier Jahre her und die blöde Kuh hat dich beschissen, da ist doch scheißegal wie sie aussah.“ Aber weil ich nun mal nachfrage wie eine Frau, frage ich: „Und findest du, dass sie hübscher war als ich?“ und denke parallel „Ojjjj.“. Ich gebe zu, das war weder eine kluge Frage noch passend, aber sie ist so logisch. Und dann fängt er an mir zu erzählen, wie nett ich doch wäre und wie lustig und so weiter und so fort. Was für ein hübsches Gesicht ich doch hätte. Ja ist ok, aber sexy und die sich überschlagenen Sätze, die nicht vollendet wurden, waren dann irgendwie leidenschaftlicher. Was soll’s, ich nehme es mit Humor. Na ja, zumindest brauche ich nicht befürchten, dass er sich mit anderen Frauen aus dem Internet dasselbe aufbaut. Spätestens wenn die Sprache auf dieses Thema zu sprechen kommt, sind die meisten weg. Die alles entscheidende Frage ist: was würde er tun, wenn sie morgen bei ihm anruft? Er meint gar nichts, die Sache sei durch, er hätte ja mich und sie habe ihn ja betrogen und alles, aber ich weiß nicht, ob er die Sache so einschätzen kann wie sie ist. Sollte ich jemals wirklich mit dem weitere Pläne schmieden, wünschte ich mir, sie würde zwischendurch anrufen, denn nach diesem Lobgesang, kann ich mir nicht vorstellen, dass er abgeneigt wäre.
(Foto: Rainer Sturm / pixelio.de)
Advertisements &b; &b;