Natürlich ließ mich die Idee nicht mehr los, die war ja auch so schön, so einfach, so romantisch. Ich weiß gar nicht was überwiegt. Man möge sich nur vorstellen, er kommt hierhin und er findet alles super. Ich bin der große Macker, es fällt nicht auf, dass ich in dem großen, großen Düsseldorf eines der ärmsten Würstchen bin. Und ich bräuchte auch keinen Lifter, ich bräuchte noch nicht mal einen Dienstplan, der einen ganzen Urlaub beinhaltet und ich hätte mein Kind nicht an der Backe, weil es parallel zur Schule gehen könnte, super. Wieso über die Türkei nachdenken, über Marokko, Tunesien, Gambia und wie sie alle heißen mögen, wenn doch Deutschland so nahe liegt. Sozusagen vor Ort ist. Und all das Geld, was ich sparen würde, es gibt so viele Argumente für Deutschland und kaum eines dagegen. Das wäre wirklich die aller, aller, allerbeste Lösung.
Also entschließe ich mich im Bürgerbüro beraten zu lassen. Das Formular im Internet sah schon mal sehr, sehr einfach aus. Ehrlich gesagt sogar simpler, als ich gedacht hätte. Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber irgendwie hatte ich kein gutes Gefühl, irgendwo muss doch der Haken sein. Auf der anderen Seite: warum sollte man einfach jemanden irgendwohin einladen, den man nicht kennt, vielleicht ist es doch einfach. Ich glaube das ganze Beratungsgespräch hat ganze zwei Minuten gedauert. Und spätestens da ist doch klar, dass nichts Gutes dabei herumgekommen ist, oder? Die gute Nachricht war, meine Bedenken bezüglich der 15.000€, die man haben müsste, wie ich das anfangs recherchiert hatte, waren unbegründet. Die Sachbearbeiterin war so darauf erpicht, die Sache zu Ende zu bringen, dass sie mir einfach das Beispiel mit meiner Tante nannte, aus wer weiß woher. Ich kam gar nicht dazu zu erwähnen, dass es sich um einen wildfremden Mann handelt. Es war auch nicht wirklich notwendig. Denn die Sache mit der Tante würde sich so abspielen: Ich könnte ja den Antrag stellen, dass meine Tante eingeladen werden soll, aber dann würden sie im Verfahren prüfen, was für ein Einkommen ich habe und dann wäre das mit der Einladung erledigt. Ich meine als Hartzer. Als Hartzer sagt man mir nicht, dass ich nicht das Recht habe jemanden einzuladen, nur das Geld reicht halt nicht aus. Und dann würde sowieso laut der Sachbearbeiterin mein Antrag abgelehnt werden, wenn ich ein bestimmtes Einkommen nicht aufweisen kann. Und fertig war die Beratung. Wie gesagt, die gute Nachricht war ja auch, dass es nicht nötig war, mich über Gefahren aufzuklären, falls derjenige, den man einlädt, nicht zurückkehren wollen würde. Denn diese grob überschlagenen 15.000€ beinhalten ja schon die ganzen Rückführungsgebühren und so weiter.
Recherchieren half da auch nichts mehr. Das wäre wohl üblich. Das habe ich auch nicht wirklich verstanden, aber vereinzelt hatten sie sogar Hartz-IV-Empfänger ihr großzügig berechnetes Einkommen gekürzt gekriegt. Und will man wirklich dann noch andere Leute ins Verderben stürzen? Das kam ja sowas von gar nicht in Frage. Und das Schöne war ja auch an einem so neutralen Ort, dass man, wenn es einem nicht gefallen würde, keine Verpflichtungen hätte. Also geht es zurück zu Plan A. Ich meine, es gibt auch Vorteile in der Türkei. Da ist die Sonne, da ist Urlaub, da ist so eine ganz neue Erfahrung, die man dann zusammen macht. Und bei der Recherche mit dem Visum erwies sich auch die Türkei als sehr sehr einfach. Also er müsste da einfach hin, sich erkundigen und dann würde das irgendwie schon funktionieren. Was ist schon ein Gesundheitszeugnis, ein gültiger Reisepass und so weiter und so fort.
Ein Wehrmutstropfen, er wollte nicht hin. Das habe ich ihm übel genommen, als ob er es nicht ernst nehmen würde. So lange wollte ich nicht mit der Buchung warten. Es ist unglaublich, wie wenig man zicken muss, um das zu kriegen, was auch im Sinne des anderen ist. Und er war so happy. Es war viel einfacher, als er gedacht hätte, und er wüsste genau, wo er die Unterlagen her bekommt, das wäre alles kein Problem. Und wieder ist er gut drauf und wieder hat er Hoffnung und wieder kann er nicht genug kriegen von unseren Gesprächen und wieder hat er Visionen. Und wieder finde ich es unheimlich süß, dass jemand immer noch abends anruft, wenn er kaum stehen kann, kaum ansprechbar ist. Nur weil er so gerne mit mir spricht. Ach, er ist so süß.
(Foto: Martina Taylor / pixelio.de)
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