Manchmal beschleicht mich die Angst wir stecken in unseren eigenen Endlosschleifen. Dass der Alltag redundant ist, zeigt sich an so unvorteilhaften Kausalverkettung wie Samstag, Sonntag, Montag, usw. Aber auch darüber hinaus, kommen wir manchmal nicht voran, weder als Individuen noch als Spezies. Ein Trugbild im Hamsterrad ist dabei etwas, mit dem ich berufsbedingt beschäftigen muss: Zielgruppen. An einem durchschnittlichen Tag Montag gehen mir mindestens 9 Zielgruppen-Analyse durch den Kopf und manche auch über die Tastatur durch den Rechner. Ich bin so darauf getrimmt, dass ich die Menschen in der Bahn in Konsumgruppen einteile, je nachdem was sie lesen, essen oder anhaben. Andere Leute vertreiben sich die Zeit mit Kreuzworträtseln, ich mir mit Marktsegementierungen. Das wird durch Magazine, die sich selbst Fachliteratur nennen (KEIN Qualitätsmerkmal!!), angeheizt und in denen immer wieder die Rede von „neuen“ Zielgruppen ist, die irgendwer ganz Leichhardt-gleich entdeckt werden, wie bislang unbekannte Volksgruppen, auf unbetretenen Kontinenten.
Das führt im Übertragenen zu einer chronischen Markenikratitis. Wie sich bei der Bauchspeicheldrüsenentzündung das Organ selbst verdaut, wird auch eine immer gleiche neu-entdeckte Zielgruppe mit immer gleichen neuen Produkten bis hin zum Exitus überfüttert.
Das ist so, damit Menschen, wie ich auch am Warenzyklus teilhaben können. Denn es gibt viel mehr Menschen, die mit Marketing ihr Geld verdienen, als es zu bewerbende Neuheiten gibt. Ich wünsche mir aber ganz ganz ehrlich NEUES, spannendes, nie dagewesenes, nicht nur zum Anfassen und Aufessen, sondern auch zum Lesen. Darum bin ich sehr traurig, dass ich es in diesem Jahr nicht zur Frankfurter Buchmesse geschafft habe und nun nur Artikel finde, in denen angepriesen wird, wie wunderbar sich Self-Publishing-Autor_innen selbst vermarkten, wie sie die angeblich nächste Daseinsstufe erreichen: Mensch – Marke – und irgendwann kommt das MIRvana, wo sich alles nur noch um sich selbst dreht bis in alle Endlosigkeit.
Ich feiere die Tatsache, dass jede und jeder, der eine Geschichte erzählen möchte, dies nun tun kann als tatsächliche Chance für die Entdeckung von neuen Welten! Ich begrüße die Profitgeilheit Amazons mit offenen Armen, weil ich hoffe, dass trotz aller Lust auf Cash, vielleicht auch ein bisschen Raum für Kunst ist, weil der Hippie in meinem Herzen sich einredet, dass nun Menschen schreiben, die es eben nicht für eine Zielgruppe tun, sondern weil sie etwas sagen wollen. Ich finde aber nur Beiträge in den großen Nachrichtenspalten, in denen beschrieben wird, wie erfolgreich sich die neue Autor_innengeneration vermarketet, indem sie eben den Zahn der Zeit treffen, genau das liefern, was, die neuen Zielgruppen lesen wollen. Sie liefern das wovon ich heute noch nicht weiß, dass ich es morgen haben wollen werde, die Objekte, die ich mir ans Ende der Strecke meines Hamsterrads hängen kann. Die Zeit ist ziemlich zahnlos und neue Zielgruppen gab es noch nie und wird es auch nie geben. Es gibt Menschen, denen etwas gefällt oder nicht und es gibt Menschen, die bereit sind für etwas Geld auszutauschen oder eben nicht. Alles, was ich zu den Autor_innen, zu denen ich nun selbst auch gehöre, grade lese, besorgt mich sehr. Denn ich kann mit dem Erwartungsdruck etwas liefern zu müssen, dass ja eigentlich gar keiner will, nicht umgehen, zumindest nicht privat. Wenn man mir dafür ein gutes Gehalt zahlt natürlich schon, darauf bin ich getrimmt.
Vielleicht lese ich aber auch nur die falschen Zeitungsdomains. Hat jemanden einen Tipp oder einen alternativen Erlebnisbericht für mich, etwas für die Zielgruppe Immerabgelenkt?