© MovieNet - Divko (Miki Manojlovic) setzt einen Finderlohn auf seinen schwarzen Kater aus.
Es wirkt wie die Vorgeschichte zu Angelina Jolies ‚In the Land of Blood & Honey’. Wo dort der Krieg anfängt, hört die Handlung zu ‚Cirkus Columbia’ auf. Bis dahin erzählt der bosnische Regisseur Danis Tanovic eine persönliche Geschichte, die seine filmische Karriere fortführt. Tanovic, zugleich auch Drehbuchautor des Films, hat den wirklichen Krieg miterlebt und bereits in frühen Jahren seine dortigen Erfahrungen in Dokumentationen verfilmt (‚L’aube’ & ‚Budenje’). In seinem ersten Spielfilm ‚No Man’s Land’ erzählt er 2001 von zwei Soldaten, einem Bosniaken und einem Serben, die gemeinsam im Schützengraben auf Hilfe warten. 2009 folgt mit ‚Triage’ ein Film, der die Auswirkungen des Krieges aufzeigen soll und ‚Cirkus Columbia’ bildet nun eine Art Abschluss seiner Kriegs-Trilogie, die sich mit dem Vorher, dem Währenddessen und dem Nachher des Kriegsschreckens beschäftigt.
Die Handlung setzt im Jahr 1991 in Bosnien-Herzegowina an. Nach vielen Jahren unter kommunistischer Führung wird eine neue demokratische Regierung gewählt und Gegner des alten Systems kehren in ihr Land zurück. So auch Divko Buntiæ (Miki Manojloviæ). Zunächst lässt er seine einst zurückgelassene Ehefrau und den gemeinsamen Sohn Martin (Boris Ler) aus dem Haus werfen, denn schließlich gehört es ihm, auch wenn er sich zwei Jahrzehnte bei seiner Familie nicht gemeldet hat. Seit seiner Flucht aus der Heimat hat er sich verändert, so glaubt er inzwischen, sich mit Geld alles kaufen zu können. Irgendwann verschwindet sein geliebter Kater und Glücksbringer Bonny. Nun merkt Divko, dass das Glück nicht so einfach zu halten ist. Währenddessen fühlt sich Divkos junge Geliebte Azra (Jelena Stupljanin) immer mehr unwohl in ihrem neuen Zuhause. Sie weiß nicht, was sie in diesem gottverlassenen Kaff tun soll. Hinzu kommt, dass die politischen Veränderungen das Leben in der Kleinstadt zusehends erschweren.
Divko (Miki Manojlovic) kehrt mit seiner Geliebten Azra (Jelena Stupljanin in seine Heimatstadt zurück.
Obwohl diese politischen Einflüsse, die zum Krieg führen werden, oberflächlich betrachtet gar nicht so sehr auf den Film einwirken und sich eher in den Köpfen der Figuren abspielen, beherrscht eine ständige Angst vor der Ungewissheit, was denn dort passieren mag, die Leben aller Dorfbewohner. So schützt Mutter Lucija zu Beginn ihren Sohn Martin vor der Erkenntnis, dass er bereits seinen Einberufungsbefehl bekommen hat, möchte ihm diese Angst vorenthalten und beschäftigt ihn an ihrer Tankstelle, wo er sich neben seinem Hobbyfunk-Zeitvertreib, andere Sorgen machen kann als den aufkeimenden Krieg. An besagter Tankstelle trifft er dann auch zum ersten Mal auf seinen heimkommenden Vater Divko, der den Schlawiner als Jungspund mit krimineller Ader einstuft. Dass er später selbst voller Stolz die Feigen vom Nachbarn klauen wird – „Je schwieriger es ist sie zu klauen, desto süßer schmecken sie.“ – ist hier noch eine unerwähnte Charaktereigenschaft des Mannes, der im Verlauf des Films noch mehr als eine schlechte Angewohnheit preisgeben wird. Denn mitsamt amerikanischem Auto kommt er hierher zurück, schmeißt mit der starken deutschen Mark um sich, präsentiert seine neue Freundin wie eine Trophäe, die sich dann auch recht schnell in die feuchten Träume der Dorfjugend einschleicht. Divko wird lange Zeit brauchen, bis er erkennt, dass er ein Arschloch geworden ist. Seine neue Frau macht ihm dies unmissverständlich deutlich, sie konfrontiert ihn nicht nur mit ihrem Status als Vorzeigeobjekt, sondern sucht sich die verlangte Zuneigung, die sie von ihm hier nicht erhält, woanders. Ihn wiederum scheint das bis zu einem gewissem Zeitpunkt gänzlich kalt zu lassen, erst der Verlust seiner Katze führt zu einem cholerischen Tobsuchtsanfall. Aber auch das ist nur eine Manifestation der Angst, die den Mann plagt, der mit seiner geliebten Katze den Glücksbringer verloren hat, der ihn vor dem Krieg bewahren sollte. So sind unterschwellig bereits alle Anzeichen auf Krieg gesetzt, niemand kann dieser nicht mehr fernen Zukunft noch entrinnen.
Dann heißt es für die Bewohner des Dorfes am Ende, dass sie ihr weiteres Leben bestimmen müssen. Sie wählen entweder eine Seite, für die sie glauben, dass es sich zu kämpfen lohnt oder fliehen aus dem Land, solange sie diese Möglichkeit noch haben. Einige sind schlau genug, die Gelegenheit der Flucht zu nutzen, andere entscheiden sich aus noblen Gründen dazu, die Flucht nicht in Erwägung zu ziehen, sondern sich endlich der Situation zu stellen, in der sie sich nun einmal befinden. Das klingt alles äußerst pathetisch, wurde aber mehr als bitterböse Komödie, denn als melodramatische Kriegserfahrung in Szene gesetzt. Damit hat Regisseur Danis Tanovic aus der gleichnamigen Romanvorlage des Schriftstellers und Journalisten Ivica Đikić einen sehenswerten, kleinen Film gezaubert, der leicht zugänglich das Lebensgefühl in dem Kriegsgebiet wiederspiegelt.
Denis Sasse
‘Cirkus Columbia‘