Netzneutralität: Tim Berners Lee bangt um „sein“ Internet

Tim_Berners-Lee_CPHeute stimmt das EU-Parlament in Straßburg darüber ab, ob es Überholspuren im Internet geben darf. Es geht dabei um die sogenannte „Netzneutralität“.

Die Kritiker des Gesetzes befürchten, dass Inhaltsanbieter, die es sich leisten können, sich in ein Überholspur-Internet einkaufen dürfen, während der Rest des Netzes auf die Schleichspur abgedrängt wird.

Der Erfinder des Internet, Sir Tim Berners-Lee, appelliert an die Europa-Abgeordneten, diesen Gesetzentwurf zu korrigieren.

„Das World Wide Web hat sich zu einer machtvollen und universellen Plattform entwickelt, weil ich es als offenes Netzwerk aufbauen konnte, das alle Datenpakete gleich behandelt. Dieses Prinzip der Netzneutralität hat dafür gesorgt, dass das Internet seit seiner Entstehung ein freier und offener Raum geblieben ist. Falls der Entwurf der Verordnung in seiner jetzigen Fassung beschlossen wird, sind Innovation, freie Meinungsäußerung und Privatsphäre sowie Europas Fähigkeiten, in der digitalen Wirtschaft eine führende Rolle zu spielen, bedroht“, schreibt Berners-Lee.

Auch Internet-Unternehmen haben schwere Bedenken

Nicht ganz so idealistisch, aber in der Sache ähnlich sehen das Unternehmen wie z.B. Bittorrent, Etsy, Foursquare, Kickstarter, Netflix, Reddit bis Vimeo und Investoren wie Union Square Ventures.

Sie schreiben in einem Brief an die EU-Abgeordneten (PDF): „Der Entwurf beinhaltet vier große Probleme, die Netzneutralität unterminieren und auch der europäischen Technikindustrie schaden könnten“ – womit sie natürlich auch sich selbst meinen.

Wenn dies Gesetz so durchkommt, wie es ist, werden wir erleben, wie Spezialdienste gesonderte Datenkanäle für Telemedizin und selbstfahrende Autos reserviert bekommen, und wie wir für die ruckelfreie Übertragung von HD-Videos amerikanischer Konzerne zur Kasse gebeten werden.

Zero Rating und Drosselung bestimmen das Klassen-Internet

Das im Gesetz vorgesehene Zero-Rating bedeutet, dass Anbieter von Internetinhalten, etwa von Streamingdiensten, mit Providern aushandeln können, dass ihre Inhalte nicht auf das monatliche Datenvolumen der Kunden angerechnet werden.

Außerdem dürfen Provider nach dem aktuellen Entwurf zukünftig Kategorien des Datenverkehrs einführen und dadurch bestimmte Inhalte wie zum Beispiel P2P-Verkehr in eigene Klassen einordnen und auch unterschiedlich behandeln.

Eine gezielte Drosselung bestimmter Datenübertragungen darf auch schon bei „drohender Netzüberlastung“ beginnen, und nicht erst, wenn das Netz tatsächlich überlastet ist.

Ohne Änderung des Entwurfs ist das freie Internet Geschichte

Die vielen Kritiker des Gesetzentwurfes rufen die EU-Parlamentarier jetzt auf, mit dem Entwurf auch mehrere Änderungsanträge zu beschließen, mit denen die Schlupflöcher für die Perversion des Internet direkt wieder gestopft und die Netzneutralität im Sinne von Sir Berners-Lee gesichert würde. Den Änderungen müssten anschließend aber auch die Länder noch einmal zustimmen.

Sollte der Entwurf so durch das EU-Parlament gehen, wie er jetzt aussieht, ist es das Ende des gleichberechtigten Internet, wie wir es noch kennen….


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