Netzgemüse – Aufzucht und Pflege der Generation Internet

Von Nicsbloghaus @_nbh

Vor gerau­mer Zeit las ich mit Begeisterung Johnny Häuslers ers­tes Buch “I live by the river“. Schon damals war die­ses hier ange­kün­digt. Und ich habe es sofort bestellt – und nun end­lich in einem Zug gele­sen.

Wer – wie ich auch – puber­tie­rende Kinder im Haushalt hat (bzw. hatte), kennt das: Man sieht von sei­nen Kindern nur noch den Scheitel, “weil die stän­dig über dem Smartphone hän­gen.” Wichtiger als Essen, Reden und Schlafen (vom Lernen ein­mal ganz abge­se­hen) scheint das ver­dammte Smartphone zu sein, das in einer Tour möpt und tril­lert und unsere Sprößlinge von all dem abhält, das wir für Wichtig(er) hal­ten.

Tanja und Johnny Häusler sind auch so ein Paar, das zwei Jungs im Hause auf­zieht, denen die Welt des Internets ebenso ver­traut ist wie die vor der Haustür; viel­leicht sogar ver­trau­ter. Und sie machen sich auf, über die Gefahren – aber eben auch und vor allem über die Chancen und Möglichkeiten des Internets für ihre Sprößlinge – auf­zu­klä­ren.

Ich erin­nere mich selbst noch gut an die Zeit, als man die “autoexec.bat” und die “config.sys” mit Fingerspitzen ver­bes­serte, um noch ein hal­bes Kilobyte mehr Speicher zu bekom­men. Wenn ich dann mei­nen Sohn sehe, der zwar keine Ahnung von die­sen bei­den Dateien hat, aber offen­bar min­des­tens 20 Finger, die alle etwas ande­res tun kön­nen… Wenn ich sehe, wie er Computerspiele begreift und bedient; Konsolen ver­steht… wäh­rend ich bei der Aufzucht eines Tamagochis schon ver­sage… dann bin ich reif für die­ses Buch.

Denn die Häuslers nen­nen diese – uns oft unver­ständ­li­che Welt – einen eige­nen Kulturkreis. Sie sind zwar – genau wie ich – auch Teil des­sen; sehen aber – genau wie ich – sich als Menschen, die manch­mal mit Schwierigkeiten Werkzeuge benut­zen, die für die nach­fol­gende Generation geschaf­fen zu sein schei­nen. Und sind.

Wo wir Alten noch meter­di­cke Handbücher wäl­zen, ler­nen unsere Kinder ein­fach durch trial-and-error. Und es wird Zeit, dass wir das aner­ken­nend zur Kenntnis neh­men und den Kids dabei nicht im Wege ste­hen.

Natürlich – das unter­schät­zen die Autoren auch nicht – natür­lich hat das Internet auch Bereiche, die nun so gar nicht kind­ge­mäß sind. Und gerade an die­sen Stellen wird das Buch wirk­lich zu einem Ratgeber für geplagte Eltern: “Keine Panik” lau­tet die Botschaft und Tanja und Johnny Häusler zei­gen auf, wie sie ihre Kinder an das Netz her­an­führ­ten. Welche Vorgaben dabei schei­ter­ten und wel­che (zumin­dest zeit­weise) funk­tio­nier­ten. Ehrlich gesagt: ein paar der Hinweise hätte ich vor Jahresfrist benö­tigt… als ich mit mei­nem gro­ßen Sohn Kämpfe um die zeit­li­che Ausdehnung sei­ner Computerspielerei aus­tra­gen musste. Und sie alle ver­lo­ren habe. Alle.

Und drum denke ich, dass die­ses Buch – nicht nur des Lesevergnügens wegen! – allen Eltern wärms­tens ans Herz gelegt wer­den sollte, die nicht begrei­fen (wol­len oder kön­nen), dass das Leben unse­rer Kinder eben anders als unser eige­nes ist. (Erinnert Euch! Als ich zu “mei­ner” Zeit den gan­zen Tag lang volle Pulle AC/DC hörte, haben auch meine Eltern schon den Untergang der Zivilisation vor­aus­ge­sagt.)

Doch nicht nur das. Auch Lehrer und vor allem die Damen und Herren, die sich theo­re­ti­sche Gedanken über den Unterricht machen, soll­ten das Buch drin­gend lesen. Einfach, um zu begrei­fen, dass das Netz ein Füllhorn an Wissen ist und den jun­gen Menschen mehr wert als jeder tro­cken ver­mit­telte Unterricht.

Und dann… dann viel­leicht die Kinder ab 16 viel­leicht selbst. Um zu ver­ste­hen, dass wir Eltern nicht däm­lich sind, son­dern oft ein­fach nur über­for­dert.

Nic

PS: “Netzgemüse” ist die lie­be­volle Anrede der Häuslers für ihre eige­nen Söhne – und auch unsere.

Webseite zum Buch

Tanja & Johnny Häusler, Netzgemüse - Aufzucht und Pflege der Generation Internet, 2012, 288 Seiten, Goldmann, ISBN 978-3-442-15743-3, 9,99 Euro (Taschenbuch), 8,99 Euro (eBook)

Weitere Rezensionen:
Carta.info: Gelesen: “Netzgemüse” · Warum ich Sascha Lobo dank­bar bin
Spiegel-Online: Zweimal Netzkunde für Eltern