Stellt euch vor, ihr könntet jeden Roman, der jemals geschrieben werden wird, jetzt schon lesen. Oder euch eine detailgetreue Erzählung eures eigenen Todes zu Gemüte führen. Oder schon jetzt über jeden schlechten rechtskonservativen Wahlkampfslogan der Zukunft lachen.
In seinem Text “Die Bibliothek von Babel” aus 1941 entwarf der argentinische Schriftsteller, was sag ich: das argentinische Genie, was sag ich: der argentinische Prophet Jorge Luis Borges ein Universum, in dem genau dies möglich wird. “Die Bibliothek von Babel”, eine der wirkmächtigsten Fiktionen der Literaturgeschichte, dreht sich um “das Universum (das andere die Bibliothek nennen)”, eine architektonische Struktur aus einer “unbegrenzten und vielleicht unendlichen Zahl sechseckiger Galerien”, angefüllt mit Büchern, in denen insgesamt jede mögliche Buchstabenkombination vorkommt. Und somit eben auch jeder Roman, der jemals geschrieben werden wird; die Erzählung jeden Todes; jeder schlechte Wahlkampfslogan; usf.
Eine berauschende Fiktion von ungeheurer Dimension.
Architektur der Bibliothek von Babel. Q: libraryofbabel.info
Auftritt Jonathan Basile. Der Autor und Programmierer aus Brooklyn hat sich daran gemacht Borges’ Gedankenspiel zu verwirklichen. Seine unlängst komplettierte Library of Babel besteht aus 410-seitigen (virtuellen) Büchern, deren Seiten jeweils 3200 Zeichen enthalten. Innerhalb dieser Limitationen hat Basiles Bibliothek mittlerweile alle möglichen Kombinationen zur Verfügung. Das sind 104677 Bücher. Zum Vergleich: Das Universum besteht mutmasslich aus etwa 1080 Atomen.
Nur einen Nachteil hat die Sache: Wie Jonathan Basile in einem sehr aufschlussreichen Interview sagte, war er zunächst selbst der Täuschung erlegen, in einer digital durchsuchbaren Bibliothek von Babel liessen sich von Zeit zu Zeit, wenn auch vielleicht nur alle paar tausend Sechsecke mal, Bruchstücke rationaler Buchstabenanordnungen zu Tage fördern. Falsch gedacht. Das Universum, das andere die Bibliothek nennen, ist auch in seiner digitalen Version ein Ort der Hoffnungslosigkeit, ein Ort des Chaos.
Oder, um es mit einem beliebig in der Bibliothek ersuchten Zitat zu sagen:
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Auch einen Twitter-Account gibt es übrigens, auf dem sich Basile der beliebigen Variation der 140 zur Verfügung stehenden Charaktere widmet. Seht selbst und verschwindet im Permuda Triangle.
Der Meister: Jorge Luis Borges (1899 – 1986), Aufnahme 1951, Grete Stein. Q: Wikipedia.
Lesehinweis: Jorge Luis Borges – Fiktionen. Texte 1939 – 1944 Eine ausgezeichnete Sammlung von Kurzgeschichten, in denen Borges sein überlegenes Spiel mit Dichtung und Wahrheit, Realität und Fiktion ausgelassen zelebriert.