Es liegt doch eigentlich im Titel verborgen: Eine Reihe betrüblicher Ereignisse, A Series of Unfortunate Events. Weshalb man also 2004 versuchte einen Film aus der Lemony Snicket (Autor Daniel Handlers Pseudonym) Buchreihe zu machen, bleibt vermutlich ein Geheimnis. Dafür haben wir ja Netflix, die nun in 8 Episoden die ersten 4 Bücher verfilmt (und am 13. Januar 2017 veröffentlicht) haben – und bereits bestätigten, dass die Reihe fortgeführt wird.
Statt Jim Carrey bekommen wir nun How I Met Your Mother (auch Cobie Smulders ist hier in einer kleinen Rolle zu sehen) und Dr. Horrible höchstpersönlich zu sehen. Neil Patrick Harris ist der Verwandlungskünstler Graf Olaf. Er soll die Vormundschaft der Baudelaire-Kinder übernehmen, nachdem ihre Eltern bei einem Feuer ums Leben gekommen sind. Natürlich hat es der fiese Exzentriker mehr auf das Vermögen der drei Kinder abgesehen, als dass er sich als Vorzeige-Papa aufspielen wollen würde.
Eine Reihe betrüblicher Ereignisse
" data-orig-size="1000,502" sizes="(max-width: 890px) 100vw, 890px" aperture="aperture" />Lemony Snicket (Patrick Warburton) tritt ins Bild, während Graf Olaf sich über die Baudelaire-Kinder hermacht.
Während Neil Patrick Harris uns in jeder Folge die Titelmelodie “Look Away” zur Einstimmung singt, tritt immer wieder Lemony Snicket (gespielt von Patrick Warburton) ungesehen von den Figuren in die Handlung und teilt uns sehr deutlich mit, dass wir tatsächlich lieber weggucken sollten. Denn was Violet (Malina Weissman, eine Doppelgängerin zu Emily Browns Film-Violet und junge Supergirl-Darstellerin in der gleichnamigen Fernsehserie), Klaus (Louis Hynes) und Sunny (Presley Smith) Baudelaire hier erleben, ist wirklich tragisch-traurig und kein einfaches Schicksal.
Im Verlauf der ersten Staffel werden die Kinder herumgereicht: nach einem Aufenthalt in dem verrotteten Gemäuern von Graf Olafs, geht es weiter zu Onkel Monty (Aasif Mandvi) und seinem Reptilienhaus, zu Tante Josephine (Alfre Woodard) und ihrem Haus auf der Klippe mit dem gigantischen Fenster zur See und am Ende in eine “miserable Mühle”, in der sich die Kinder gegen Don Johnson und Catherine O’Hara zur Wehr setzen müssen.
Die Konstante bleibt allerdings Neil Patrick Harris, dessen Graf Olaf in aberwitzigen Verkleidungen hinter den Kindern her ist. Harris gelingt die Gratwanderung zwischen exzentrischer Bedrohlichkeit und komödiantischen Trottel-Verhalten. Während Jim Carrey in seinem Filmauftritt noch hyperaktiv-lustig agierte, konzentriert sich diese Graf Olaf-Darstellung auf all seine Widerlichkeit: er droht den Kindern, er schreit sie an, er befehligt sie herum und schlägt sogar zu.
Eine Reihe betrüblicher Ereignisse
" data-orig-size="1000,503" sizes="(max-width: 890px) 100vw, 890px" aperture="aperture" />Violet (Malina Weissman, mitte), Klaus (Louis Hynes, links) und Sunny (Presley Smith, rechts) Baudelaire
Eine Reihe betrüblicher Ereignisse ist unter Men in Black-Regisseur Barry Sonnenfeld (The Bad Beginning & The Wide Window), dem 2006er Penelope-Filmemacher Mark Palansky (The Reptile Room) und vom Regisseur von Ein Kater macht Theater, Bo Welch (The Miserable Mill) entstanden. Sie alle orientieren sich aber scheinbar viel mehr an der Bilderbuch-Optik eines Wes Anderson und kombinieren diese mit den märchenhaften Alptraum-Szenarien eines Tim Burton.
Vor allem der Reptile Room in der zweiten Episode birgt allerhand Fantastisches. Hier schöpft das Setting-Design aus all seinen Möglichkeiten und fügt noch Kreaturen wie die unglaublich tödliche Viper hinzu, die eigentlich das harmloseste Wesen von Welt ist – oder aber eine Kopfhörer tragende Schildkröte und ein kleiner Drache, wie er direkt aus Hogwarts stammen könnte.
Darüber hinaus vergisst die Serie auch nicht die Liebe für Wörter, Rechtschreibung und Grammatik, die Leidenschaft fürs Lesen, allesamt starke Themen in der 13 Bücher starken Lemony Snicket-Reihe. In jeder Folge können wir eine neue Bibliothek mit ganz spezifischen Büchern entdecken. Es gibt Wortspiele, wiederkehrende Satzkombinationen und Worterklärungen. Hinzu wird die Babysprache von Sunny Baudelaire genommen, über die sich jeder Nicht-Baudelaire aufzuregen scheint, da sie so unausgeprägt daherkommt.
Eine Reihe betrüblicher Ereignisse spielt ganz oben bei den Netflix-Produktionen mit, gleich neben Stranger Things. Die Serie schafft es unglaublich gut, den Geist der Bücher einzufangen, ihm einen eigenen Stempel aufzudrücken, ohne dabei an Charme zu verlieren. Es ist Neil Patrick Harris’ bisher beste Schauspielleistung, bei der er von zahlreichen bekannten Namen umschwirrt wird, aber immer selbst im Mittelpunkt bleibt.