Neonatologie

Von Bookeroo

Die Zeit auf der Neonatologie kann man wohl nicht unterschiedlicher erleben, und doch sitzen wir Frühcheneltern alle irgendwie im selben Boot. Wir nehmen alle den typischen Intensivstation Geruch war. Eine Mischung aus Desinfektionsmittel, Antibiotika-Pipi und Muttermilch. Ein Geruch der sich an alles setzt und wie eine schwere Wolke über der Station schwebt. Wir hören alle das piepen der Monitore. Wir zucken alle zusammen wenn der Alarm  ohne Vorwarnung bedrohlich ertöhnt.  Jedesmal. Und wir leiden alle mit. Wir hoffen,  wir bangen.. wir weinen.. und unser Herz springt zwischen bedingungsloser Liebe und Todesangst hin und her.

Ich möchte euch von meiner Zeit auf der Neo berichten. Wie ich sie erlebt habe. Das Thema ist sehr komplex.  Mir ist bewusst das jeder einen anderen Weg beschreitet und meine Erfahrungen rein aus meine Sicht sind. Ich hoffe das sich niemand dadurch auf den Schlips getreten fühlt.

Dein Baby ist voller Kabel, und liegt teilnahmslos in seinem gläsernen Kasten.Betrachtet man das ganze Neutral und Objektiv würde ich nun schreiben das es größtenteils Kabel für die Überwachung sind. Kabel für den Puls, Kabel für das Herz und eines für die Sauerstoffsättigung. Und dann gibt es da noch die Beatmung. Unterteilt in CPAP und Intubation ( einführen eines Beatmungsschlauch über die Luftröhre bis in die Lunge). Sowie einen Zugang für Medikamente. Dazu kommt dann noch die Sedierung ( Ruhigstellung)  der kleinen.

Hier sind die einzelnen Bereiche super kurz und knapp erklärt:

Monitore & Alarme

Was erwartet mich auf der Neo

Als ich nach dem Kaiserschnitt eine Stunde später in meinem Bett durch die Tür auf die Neonatologie geschoben wurde war ich noch wie in einem Rausch. Ich war ohne Vorstellung was mich erwartet. Das einzige was ich dachte war.. “ Oh Gott, bitte lass sie noch leben“ Man wusste ja zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, zu was die heutige Medizin alles fähig ist. Und das die wenigsten Frühchen ( ab der Überlebensfähigen ssw)nicht  so schnell an einer “ Frühgeburt“ sterben. Nach dem Eintritt steuerte direkt ein Arzt auf uns zu. Und begann damit sich Vorzustellen, erzählte mir was mit Maria nach der Geburt alles getan wurde.. was sie im Moment an Medikamenten bekommt.. etc pp… Er hätte mir auch erzählen können, das er sich jeden Abend Backpflaumen in einem warmen Wasserglas einlegt um  morgens  den Sud für die bessere Abführung zu trinken. Das große Rauschen war noch da. Mein Puls schlug in meinen Ohren und mein Herz drohte nur bei seinem Anblick zu zerspringen. Meine Gedanken waren lauter als seine Worte.. und diese spielten völlig verrückt. Wie geht’s ihr? Lebt sie? Wird der nächste Alarm der sein der ihren Tod ankündigt? Solch Sachen.. die einen Wahsinnig machen.  Ich wollte nicht zugetextet werden. Ich wollte zu ihr.

Maria wurde nach der Geburt direkt intubiert, als ich sie das erste mal sah war sie schon reintubiert und hatte die CPAP Beatmungsmaske auf. Mit all den Kabeln an ihrem winzigen Körper lag sie da und atmete ruhig. Ihre kleine Windel hätte man ihr noch bis zum Hals hochklappen können. Sie hatte schon richtig lange Haare und ein blonder Flaum überzog ihren Körper. Ihre Ohrmuscheln und Geschlechtsorgane waren noch nicht vollständig ausgebildet und von ihrem Gesicht war durch die riesige Maske kaum etwas zu erkennen. Ihre kleinen Augen wurden von der CPAP Maske gequetscht und der Druck lies diese eher wie einen kleinen Frosch erscheinen.

Da ich zu dem Zeitpunkt noch wegen des Kaiserschnittes auf einer anderen Station schlafen musste, sass ich den ganzen Tag, in einem Stillstuhl, neben ihr. Habe abgepumpt, ge-Känguruht und im sitzen geschlafen. Bis zum totalen Erschöpfungszustand. Ich habe einen Tag nach der Geburt hohes Fieber bekommen und stand eigentlich komplett neben mir. Und die Nachwehen, ohne Schmerzmittel, nach dem drittem Kind waren auch alles andere als lustig. 48 std heftigste Wehenschmerzen. Juhuu.

Drei Tage später durfte Maria und ich in ein Rooming-In Zimmer auf der Neonatologie. Mit eigenem Bad. Die Station war wirklich super ausgestattet. Nette Schwestern, eine aufdringliche Seelsorgerin und ich glaube 10 Rooming- In Zimmer. Wo ich mich die nächsten 3 Wochen vergrub. Ich hatte alles abgedunkelt und wachte mit Argus- Augen über mein mini-Mädchen. Ich habe sie Tag und Nacht selber versorgt und jede Untersuchung beäugt und geholfen. Selbst um den Urin abzufangen habe ich mich geweigert ihr so einen klebe Beutel anzubringen. Das Zeug klebt wie bescheuert und hat beim erstes klebe Versuch Marias Hautschicht gleichmal mit abgerissen.. Also sass ich da. Stundenlang. Und habe mit meinem Pipi- Auffang- Behälter gewartet. Selbst die Blutmessungen mit diesem Pickser habe ich selber gemacht. Weil die Schwestern mir einfach zu grob waren. Jajajaa, man kann sich auch anstellen werdet ihr jetzt vielleicht denken.. aber es kommt noch viel schlimmer. Ich habe nur noch gegessen, wenn mein Mann da war und mir das Essen aus der Kantine gebracht hat. Maria klebte eigentlich nur noch wie ein Seestern an meinem nacktem Oberkörper. Meine  Milch floss unkontrolliert wahlweise in eine zwischen Oberteil und Brust geklemmte Stilleinlage oder aber stumpf den Bauch runter. Mir war alles egal. Ich war eben kein Kraken der gleichzeitig Pumpen, Baby an sich drücken und Milchauffangen konnte. Ich kannte inzwischen die anderen Kinder über den Monitor und konnte darüber deren Verlauf mit erleben. Die Alarme am eigenen Überwachungsapperat zeigten jedes Kind auf Station. Besser gesagt kündigte jeder kleine Sättigungsabfall es laut stark an. Die Werte, die neben dem Alarm angezeigt wurden, verrieten mir ob gleich ein riesen gepolter von den heran rennenden Schwestern im Flur zu erwarten war oder eben alles im normalem Bereich lag. Tag und Nacht. Das ist die absolute Folter. Mein Abpump-Rhytmus lag bei alle 3 Std. Davon wurde ca 30 min Milch per Maschine aus mir herausbefördert, incl Reinigung und Aufbau, danach noch etwa 15 Minuten das ganze auch in mein Minimädchen füllen. Blieb nachts eine Intervallschlafzeit von 2 Stunden. Und wenn man dann vom schrillem Alarm zwischendrin geweckt wird, sitzt man mit Herzklopfen senkrecht im Bett. So vergingen die Tage. Ich wurde immer angespannter und der ganze Wahnsinn endete in einem Koller.

Maria hatte, bis auf das sie 2 x an den ersten beiden Tagen intubiert werden musste, keine Komplikationen. Alles funktionierte einwandfrei und ihre Neonatologie Zeit war “ vorbildlich“. Nach und nach wurden die Bradykardien weniger. Sie konnte vom Inkubator in ein Wärmebettchen verlegt werden. Aber um nach Hause gehen zu können, gab es 3 Faktoren die 3 Tage funktionieren mussten.

  1. keine Bradykardien
  2. sie musste ihre Temperatur außerhalb des Wärmebettchen halten können
  3. sie musste selbständig trinken und zunehmen

Das selbständige trinken war auch so eine Nummer. Unser Krankenhaus hat auf Muttermilch und stillen viel wert gelegt. Mache ich auch. Maria war aber, um direkt von der Brust trinken zu können, viel zu schwach. Die Sonde in ihrer Nase fand sie aber ganz schrecklich und versuchte diese sich immer wieder raus zu ziehen. Um ihr das zu ersparen und um ihren Saugreflex zu stärken, bat ich die Schwester um eine Flasche mit Brustsauger. Ich hätte auch am Flughafen lautstark Bombe schreien können, so schnell wurde versucht mich auszuschalten. 1o Minuten später hatte ich die Oberschwester und 3 weitere Krankenschwestern im Zimmer stehen. “ Sie möchten eine Flasche? Wir unterstützen das nicht, das verursacht eine Saugverwirrung und so bekommen sie ihre Tochter nie an die Brust. Das ist dann ihre eigene Verantwortung, möchten sie das?“ sagte die Oberschwester und starrte mich eindringlich an. Total einschüchternd und meiner Meinung nach völlig Überzogen. Ich hatte bis dato schon 2 Kinder gestillt und verlies mich auf mein Mamagefühl. Maria bekam die Falsche. Punkt. Das ich sie stillen wollte, stand ja außer Frage, aber der Weg bis dahin würde eben anders laufen, als sich andere das so vorstellen.

Also bekam ich das geforderte und der Beginn einer wunderbaren Stillbeziehung wurde gelegt. Ich lies Maria nach dem Abpumpen ein paar Minuten an die Brust und gab ihr dann nach einem schwachen Saugversuch in der Position die Flasche. Nach einer Woche in etwa versuchte ich ein Stillhütchen mit einzubringen. Es ist sehr viel einfacher daran zu trinken, weil sie nicht die Brustwarze in den Mund saugen muss, sondern das Stillhütchen das für sie übernimmt. Im Anschluss gab es dann den Rest per Flasche. Und nach einer weiteren Woche in der Maria den Ablauf vom saugen und schlucken verstand, wurde das Stillhütchen weggelassen. Und es klappte. Maria trank ohne wenn und aber direkt von der Brust. Ohne Saugverwirrung und ohne irgendwelche Komplikationen. Der Weg war zwar etwas umständlicher, aber besser als noch wochenlang die Sonde in der Nase zu haben.  Maria war ein Stillkind. 8 Monate lang. Dann entdeckte sie eines ihrer größten Leidenschaften. Die Culinarische Welt!

Nach 3 Wochen und einem Gewicht von 1650gr wurden wir nach Hause entlassen. Wie es dort weiter ging erzähle ich euch in einem anderen Beitrag.