neoliberales Wirtschaften in Iran

Von Nicsbloghaus @_nbh

Ölförderanlage in Iran (Bild: pd)

Vor wenigen Tagen lernte ich Shahram Najafi kennen. Und das Blog Transparency for Iran.

Zur gleichen Zeit hatte ich eine Diskussion mit Soheil darüber, ob das iranische Wirtschaftssystem als neoliberal bezeichnet werden könne. Meiner Meinung nach wäre das wegen der Isolation des Landes ausgeschlossen.

Seit einigen Tagen lese ich Naomi Klein “Schock Strategie” – deshalb kommen mir diese Fragen in den Sinn. Dort bin ich inzwischen bei ihrer Analyse der Vorgänge in China (Stichwort: Platz des himmlischen Friedens) angelangt und zur Überzeugung gekommen, dass es weniger auf die Bezeichnung einer Diktatur (in China: kommunistisch; in Iran: islamistisch) ankommt, als vielmehr auf die Art und Weise des Wirtschaftens.

Im oben genannten Blog ist aktuell ein Artikel erschienen, der sich mit genau diesem Thema auseinandersetzt. Schon vor einigen Tagen berichtete Julia, dass der Iran ein paar Nullen in seiner Währung streichen will. Was sich auf den ersten Blick wie ein verspäteter Aprilscherz anhört, hat aber gravierende Folgen. So schreibt der Blogger Mikhak (in der Übersetzung von Shahram Najafi):

Die Regierung unterstützt Dorfbewohner und Einwohner städtischer Randbezirke spendabel mit Geldzufluss. Diese Hilfen werden im Rahmen von günstigen Bauernkrediten, leichtfertiger Versicherung von Ackerflächen, Wiederaufbaukrediten für Bauernhäuser, Bargeldsubventionen oder Gewinnbeteiligungen an „Gerechten Aktien“ (Die Regierung vergibt seit etwa drei Jahren sogen. „Gerechte Aktien“ im Losverfahren an Geringverdiener, Anm. d. Red.), und so weiter.

Diese Hilfen stellen selbstredend diesen Teil der Bevölkerung zufrieden und machen ihn zugleich von staatlichen Zuwendungen abhängig. Aber wo ist die Quelle dieser Großzügigkeit?

Nach Expertenmeinung sind in den letzten sechs Jahren der Regierung Ahmadinedjad viermal mehr Geldscheine gedruckt worden, als in der Geschichte des Rials (Iranische Währung, Anm. d. Red.). Demnach sind die Gelder, die als Bankprodukte ausgegeben werden, ohne jegliche Absicherung.

Unter normalen wirtschaftlichen Bedingungen würde eine solche Politik einerseits zu einer astronomischen Inflation (denn die Geldumlaufmenge überstiege die Menge der Güter im Umlauf) und andererseits zu extremer Entwertung der nationalen Währung gegenüber ausländischen Devisen führen. Aber in Iran ist das nicht passiert.

Mit übermäßigem Import von Billigwaren aus China und anderen Ländern erhöht die Regierung die Menge der Konsumgüter und neutralisiert damit die Inflation. Zum anderen hält sie den Preis für ausländische Devisen künstlich niedrig, und wendet damit angeblich die Abwertung der nationalen Währung ab.

Das Ergebnis dieser Politik ist die Unrentabilität der inländischen Produktion, und der reiche Gewinn der Importeure von Konsumgütern. Damit stärkt die Regierung Ahmadinedjad einen Kapitalismus der Makler und Spekulanten auf Kosten eines Industriekapitalismus.

Angesichts der Wirtschaftsmacht der Revolutionsgarden in der Regierung Ahmadinedjad und ihrer einzigartigen Möglichkeiten außerhalb des Gesetzes zu agieren (einschließlich zahlreicher Verladehäfen, die sie im Persischen Golf ohne staatliche Aufsicht betreiben), scheint diese militärische Organisation zu einem Großkapitalisten und riesenhaften Monopolisten aufgestiegen zu sein.

Demnach lässt sich die Vorgehensweise der Regierung in Wirtschaftsangelegenheiten folgendermaßen interpretieren:

Die Regierung verkauft Öl und erhält Petro-Dollars. Diese Dollars werden der Sepah und ihr zugehörigen Organisationen zur Verfügung gestellt, womit sie wiederum Billigware aus China importieren. Auf der anderen Seite druckt die Regierung Rial und stellt sie auf spendable Art der Bevölkerung zur Verfügung, womit sie die importierten Waren der Sepah einkaufen. Und auf diese Weise werden die Petro-Dollars in Rial umgewandelt.

Die langfristigen Folgen sind eindeutig: Die Zerstörung der heimischen Produktion infolge der Importe, Anstieg der Arbeitslosigkeit, Verschwendung der Öleinnahmen für Konsumgüter, übermäßige Abhängigkeit der Wirtschaft von der Ölproduktion und dem Ölexport. Damit wird ein schadhafter Kreislauf erzeugt und fortgesetzt, in dem die steigende Arbeitslosigkeit, de facto mehr Subventionsbedürftige erzeugt, die immer mehr Geld von der Regierung erhalten, die entsprechend zur Neutralisierung mehr Waren importiert und damit den Monopolkapitalismus (hauptsächlich die Sepah) stärkt, die Einnahmen nicht investiert, sondern für Importe ausgibt, und die heimische Produktion benachteiligt, womit die Arbeitslosigkeit wiederum steigt, etc…

Solch ein defekter Kreislauf kann nicht von Dauer sein. …

Diese Art und Weise zu wirtschaften ist neoliberal, sie ist sogar lehrbuchhaft friedman’sch. Womit sich meine Frage geklärt hat…

Nic

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