(Bildquelle: keindiakonieklinikumblogger )
WEIMAR. (fgw) Eine noch bis zum 5. Januar 2014 in Hamburg laufende Ausstellung des »Kunstvereins, seit 1817″ unter dem Titel illustriert exemplarisch, wie sich Bundesdeutschland immer mehr zu einem Gottesstaat der besonderen Art entwickelt.Anhand eines konkreten Hamburger Fallbeispieles, auf das hier nicht näher eingegangen werden soll, macht allein schon der gewählte Ausstellungstitel auf aktuelle Entwicklungen aufmerksam, wie sie mit der Installation des Kabinetts Merkel III sich wohl noch potenzieren werden: »Privatisierung als Gottesdienst - neoliberale Politik und pastorale Macht«.
Wie überschrieb doch die großbürgerliche Gazette »Die Welt« am Mittwoch ihren Bericht über die Vereidigung des Merkel-Kabinetts? - Richtig: »Große Koalition der Christen«. Und das ist wesentlich prägnanter und aussagekräftiger als die parteimäßige Buchstabenkombination CDUCSUSPD…
Denn das hatte seit vielen Jahren auf Bundesebene nicht mehr gegeben: Sämtliche Regierungsmitglieder leisteten ihren Minister-Eid mit der christlichen Beteuerung »So wahr mir Gott helfe.« Nicht nur das, alle Damen und Herren des Kabinetts Merkel III gehören auch einer christlichen Kirche an.
Aber ist wohl auch kein Wunder, denn der heutige neoliberale Staat ist das Resultat einer engen Verbindung politischer und pastoraler Machttechniken. Allerdings in etwas moderneren Gewand als noch zu feudalen Zeiten (»Bündnis von Thron und Altar«).
Die Führungskräfte dieses Staates, und auch das Führungspersonal in den »unabhängigen, überparteilichen« oder »öffentlich-rechtlichen« Medien, werden immer christlicher, obwohl unsere Gesellschaft nach wie vor säkular und von anhaltend rückläufiger Kirchenmitgliedschaft geprägt ist. Oder vielleicht gerade deshalb wird die offene und geheime Verbindung und Zusammenarbeit zwischen Staat (nicht nur auf Bundesebene), Parteien (einschließlich »linker«), evangelisch-lutherischen Landeskirchen und katholischer Kirche stetig enger und enger… Das zeigt sich deutlich auch in allen nur möglichen Ritualen und Zeremonien: »ökumenische Gottesdienste« zu Parlamentseröffnungen, »Helm ab zum Gebet!«, klerikale Einsegnungen von neuerrichteten öffentlichen Bauten, um nur einiges zu nennen.
Kein Wunder ist es, wenn da auch die Partei- und Fraktionsspitzen in allen Bundestags-Parteien von Personen besetzt sind, die entweder Funktionen in den Kirchen (Synoden der EKD bzw. ZK der Katholiken) oder bei den kirchlichen Sozialkonzernen haben oder die zumindest regelmäßig Reden auf diversen Kirchentagen halten. Im übrigen, in der einst zu Bebels Zeiten laizistischen SPD sind anno 2013 rund 73 Prozent der Mitglieder einer Kirche. Das liegt deutlich über den alle Religionsgemeinschaften erfassenden Bevölkerungsdurchschnitt! So wie auch Parlamentarier keinesfalls die religionssoziologischen Verhältnisse widerspiegeln. Die mehr als ein Drittel religionsfreien Menschen sind hier deutlich unterrepräsentiert.
Und angesichts des politisch geförderten pastoral-neoliberalen Bündnisses nimmt es auch nicht Wunder, daß angeblich barmherzige diakonische und caritative Einrichtungen nicht anders agieren als jeder gewöhnliche kapitalistische Konzern. Z.B. ist der vor rund zehn Jahren gegründete evangelische Gesundheitskonzern Agaplesion AG heute der fünftgrößte privatwirtschaftliche Klinikbetreiber in Deutschland.
Ja, »Privatisierung als Gottesdienst« hat in den Augen der Mächtigen und der Regierenden schon (s)einen tieferen Sinn. So wie in all den Jahrhunderten üblich seit der Kirch-Werdung des Christentums und der damit einhergehenden Macht bzw. des Machtanspruchs der Priesterkaste. Es geht um Maximalprofite und darum, daß die da unten nie gegen die oben aufbegehren.
Siegfried R. Krebs
[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]