NEIN!!! Teil 3

Willi machte irgendwas am Narkosegerät, was irgendwie nicht gesund aussah. Währenddessen ordnete ich meinen Arbeitsplatz und half, die sterilen Abdecktücher zu befestigen. Ich warf Marc einen flehenden Blick zu, so dass dieser die Medikamente, die er gerade aufziehen wollte, wieder aus der Hand legte und Willi unwirsch vom Narkosegerät wegschob und die von Willi vorgenommenen Einstellungen wieder rückgängig machte.
“Ey!” begann Willi zu protestieren. “Ich weiß, wie das geht!”
“Echt? Davon merk ich nichts.” Marc nahm wieder seine Ampullen auf und beachtete Willi nicht weiter. In diesem Moment kamen die Orthopäden aus dem Wachraum, was glücklicherweise auch Willi ablenkte. Ungestüm rannte er auf die beiden zu.
“Guten Tag, wir kennen uns noch nicht!” rief er begeistert aus und streckte den Orthopäden die Hand hin. Die beiden, aus optisch naheliegenden Gründen Pat und Patterchen genannt, sahen ihn irritiert an. “Ich bin Willi, der Chef-PJler.”
“Der was bitte?” fragte Pat, ein typischer Orthopäde von der Statur eines Schranks.
“Ey, Willi, die können dir nicht die Hand schütteln, du siehst doch, dass die sich schon gewaschen haben!” rief  ich von hinter dem Vorhang.
“Ah, ok.” sagte Willi und zog beschämt seine Hand zurück. “Ja, also…” begann er von Neuem. “Ich bin hier der Chef-PJler. Ich war schon als Famulant hier und kenne daher jeden Anästhesisten im Haus. Ich bin somit den anderen PJlern übergeordnet, denn die kennen sich gar nicht aus, außerdem kann ich Anästhesie ja schon, aus meiner Famulatur!” fügte er noch stolz hinzu.
“Hm… meines Wissen nach ist auch die Anästhesiologie ein Fach mit mindestens fünfjähriger Weiterbildungszeit. Ich glaube, Herr Chef-PJler,  Sie können da vielleicht noch das ein oder andere lernen…” sagte Patterchen. Er war, ganz untypisch für einen Orthopäden, höchstens einen Meter fünfzig groß und stand kurz vor der Rente. Aus Gründen, die für uns alle anatomisch nicht nachzuvollziehen waren, operierte er eigentlich nur mit Pat.
“Oh bitte, Willi, halt einfach deine Klappe.” nuschelte ich in das Tuch. Willi kam beleidigt von der anderen Seite des Tuchs zurück. Er setzte sich wortlos auf einen Stuhl und schien erstmal nichts anfassen zu wollen, registrierte ich erleichtert.
Pat und Patterchen traten an den Tisch.
“Wir brauchen noch einen dritten Mann.” sagte Pat zu mir, wobei er mühelos über das Tuch blickte.
“Wieso?” fragte ich.
“Weil wir das immer zu dritt operieren. Einer muss ja das Knie halten!” entgegnete er.
Ich runzelte die Stirn. “Dann besorgt Euch halt einen Eurer PJler.” Ich wusste echt nicht, wozu ich diese Diskussion führte.
“Das geht nicht.” mischte sich Patterchen ein. Ich konnte ihn hören, aber nicht sehen. “Die teilen wir uns doch mit den Unfallchirurgen. Und die erste Hälfte des Tertials sind die immer bei denen.”
“Ihr habt also zur Zeit keine PJler?” fragte ich verwundert.
“Korrekt.”
“Ich rollte mit den Augen. “Dann holt Euch eben einen von Euren Assistenten. ”
“Naja…” Pat machte eine Kunstpause. “Drei von denen sind krank. Der Chef hat anlässlich seines Geburtstags in so ein ganz nobles Restaurant eingeladen, und die drei haben Fisch gegessen. Der war wohl irgendwie schlecht.” Die beiden lachten laut auf. Sie haben dann wohl was anderes gegessen, schloss ich. “Jedenfalls ist jetzt keiner da, der das Knie halten kann.” schloss Pat den Vortrag ab.
“Und was soll ich jetzt machen? Ausleiten? Oder wie habt Ihr Euch das gedachte? Denn ich halte Euch das Knie nicht, das muss Euch schon mal klar sein!” keifte ich von der richtigen Seite der Blut-Hirn-Schranke.
“Also…” begann Patterchen. “Vielleicht könnte ja der Chef-PJler…”
Meine Augen bekamen sofort einen verträumten Glanz. “Natürlich!” rief ich aus.
“Auf gar keinen Fall!” rief Willi. “Ich muss hier helfen.”
Marc lachte auf. “Willi, ich bin mir sicher, Anna schafft das gerade noch so ohne deine Hilfe.”
Ich sprang hektisch auf und stieß mir dabei  den Kopf an der Tuchstange. Den bohrenden Schmerz ignorierend griff ich Willi am Arm und zerrte ihn in Richtung Waschraum.
“Willi, das ist deine Chance! ” flüsterte ich ihm verschwörerisch zu. “Die haben dein Potential sofort erkannt.”
“Blödsinn!” sagte Willi. “Die brauchen nur einen Dummen zum Knie halten.”
“Nein, Willi… die wollen dich. Du hast Format, das sehen die gleich. Außerdem kenne ich die beiden, die nehmen nicht jeden. Die sind da echt heikel! Dass sie jetzt dich ausgewählt haben… Wow!” sagte ich mit viel Pathos in der Stimme. Willi guckte verunsichert. “Meinst du wirklich…?” fragte er schließlich.
“Klar Willi…” sagte ich und schob ihn vor das Waschbecken. Dann drehte ich ihm den Wasserhahn auf. “Die haben nur auf einen wie dich gewartet. Und jetzt zeig Ihnen mal, was du kannst!”
Willi nickte begeistert und find enthusiastisch an, sich zu waschen.

Zufrieden pfeifend kam ich wieder in den OP zurück. Pat und Patterchen sahen mich misstrauisch an.
“Gibt es da irgendwas, das wir wissen sollten?” fragte Pat.
“Nö.” antwortete ich, setzte mich auf meinen Stuhl, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und lehnte mich entspannt zurück. Die Show konnte beginnen…


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