Der Typ war Mitte 20 und Student. Der Kleidung nach zu urteilen war er von Beruf Sohn, solche Schuhe könnte ich mir nicht mal nach drei Notarztschichten leisten. Aufgegriffen hatten wir ihn auf irgendeiner Party, wo er so hackdicht in der Ecke lag, dass sich seine nicht minder nüchternen Kumpels dann doch ein wenig Sorgen machten. Er war einfach nur blau und nach der freundlichen Zuwendung meines RAs auch wieder ansprechbar. Dankbar war er nach unserer gutgemeinten Intervention nicht. Er beschimpfte uns wüst, weil er seinen Geldbeutel verloren hatte. Irgendwann beendete ich die Aktion mit “Two words – one finger” (zumindest geistig, meine verbale Äußerung war etwas diplomatischer) und wir gingen frustriert unseres Weges. Ich brauche wohl nicht extra erwähnen, dass sich diese Situation nachts um vier abspielte.
Warum erzähle ich das jetzt so lieblos? Wahrscheinlich, weil sich mein Verständnis dafür aus vielen Gründen in engen Grenzen hält. Ich las neulich folgenden Artikel bei SPON, der mir voll aus der Seele sprach und in dem es genau um die Thematik geht, die mich auch öfter beschäftigt. Du musst dich für solche krassen Ausfälle wie den auf besagter Party nicht rechtfertigen. Wahrscheinlich fanden alle Beteiligten (außer denen in den weiß-roten Klamotten) die Geschichte unglaublich witzig und erzählen sie bei jeder Gelegenheit.
Ich muss bei jeder Gelegenheit erklären, warum ich nichts trinke. Das ist echt lästig. Es ist nicht so, dass ich aus Prinzip nie Alkohol trinke oder der Meinung bin, dass das schädlich sei und ich mit meinem Verhalten belehrend auf andere einwirken muss. Es gibt einfach nur wenige alkoholische Getränke, die mir schmecken. Es ist auch nicht so, dass ich schon immer so war. Als Teenager waren meine Clique und ich uns für keinen Exzess zu schade und nicht auf jede Episode bin ich heute noch sonderlich stolz. Als ich 17 war hatte ich den Ruf weg, bei Partys gerne über die Strenge zu schlagen. Als ich das gemerkt habe, war es mir sehr unangenehm. Also beschloss ich, gar nichts mehr zu trinken und “straight edge” zu leben, als Jugendlicher ist man wenn dann ja gerne extrem. Vegetarier war ich eh schon, der Rest wurde dann kurzzeitig zum Dogma erklärt. Das hielt ich auch so durch, bis ich etwa 21 war. Dann lockerte ich das Dogma wieder ein wenig. Ich denke, dass ich durch diese paar Jahre allerdings eine wichtige Prägungsphase “verpasst” habe. Mir schmecken weder Bier noch Wein noch die meisten anderen alkoholischen Getränke. Ich finde Aperol Sour und mal einen Gin Tonic ganz erträglich, aber das war es dann auch schon. Außerdem mag ich keine Kontrollverluste (und der Kontrollverlust kommt schnell, wenn man an Alkohol eben nicht gewöhnt ist). Somit trinke ich eben so gut wie nie Alkohol und es stört mich auch nicht. Aber ich muss auch damit leben, als sozial inkompatibel zu gelten. Es ist wesentlich einfacher, zu sagen, ja, ich trinke auch ein Glas Wein, als sich eine Cola zu bestellen. Ich glaube, die Leute, die um einen herum trinken, fühlen sich dann in ihrem Lebensmodell angegriffen, so dass man immer erklären muss, warum man nicht trinkt und sich gleichzeitig anhören muss, dass das Gegenüber ja auch nur bei Gelegenheit und ganz selten blah blah. Es interessiert mich in der Regel übrigens nicht, warum jemand jetzt eine Flasche Wein trinkt (außer ich bin dienstlich unterwegs und muss die Opfer von ausufernden Studentenparties versorgen). Ich lebe ja nicht abstinent, weil ich damit ein Statement abgeben will, sondern weil mir das Zeug einfach verdammt noch mal nicht schmeckt!
Und jetzt stellt Euch vor, was abgeht, wenn man mit mir in geselliger Runde im Restaurant sitzt und dann irgendwer merkt, dass ich nicht trinke, kein Fisch und kein Fleisch esse und auch keinen Kaffee mag. Da hast du dann an dem Abend nur ein Thema