Neil Young And The Promise Of The Real
Support: Bear’s Den
Olympiahalle, München, 6. Juli 2019
Es wäre natürlich ein Leichtes, das Ganze zeitgemäß ironisch zu verpacken. Die Dichte alter weißer Männer war einfach zu hoch, als dass man sie hätte einfach ignorieren können, sie traten in gutgelaunten Gruppierungen auf, wie man sie in dieser Stadt sonst nur von Baumaschinen- oder Handwerksmessen kennt. Einziger Unterschied: Hier trugen viele stolz zur Feier des Tages (oder eben Abends) ihre alten, aber frisch aufgebügelten Tourshirts von Crosby, Stills und Nash, Crazy Horse, vereinzelt waren auch die Ramones, Pearl Jam oder Nirvana zu sehen. So muß das wohl sein, wenn der Urahn des Grunge, Noise-Pate, Gottvater der verzerrten Folkgitarre, seine Füße für zwei Stunden auf irdischen Bühnenboden setzt und seinen Jüngern gemeinsam mit einer juvenilen Truppe eine Auswahl hymnisch verehrter Standards darbietet. Man kann aber auch die Ironie beiseitelassen und die Geschichte aus persönlicher, spätberufener Sicht erzählen: Wer wie der Rezensent (mittlerweile auch ein einigermaßen alter, weißer Mann) in der ostdeutschen Provinz aufgewachsen ist, der hat die Musik von Neil Young in der Jungendzeit vielleicht auch eher etwas abschätzig und aus sicherer Distanz wahrgenommen. Dann nämlich, wenn sich an den Wochenenden im Dorfgasthof die immergleichen langhaarigen, etwas heruntergekommenen Gestalten zum Ritual der Rockerrunde auf dem Parkett versammelten und ihre Mähne zum immergleichen Dreiklang aus „San Francisco“, „Country Roads“ und „Heart Of Gold“ schüttelten. Dann durfte, dann wollte man nicht stören, stand mit verständnislosem Blick am Rand und fühlte sich, naja, irgendwie überlegen, etwas weiter halt.
Den Zugang gab’s dann erst lange Zeit später, als man erstaunt vernahm, wie Kurt Cobain und Eddie Vedder Anfang der Neunziger den mittlerweile ergrauten Mann als ihre eigentliche Inspiration, ihre Erweckung priesen. Wie recht sie doch hatten. Seitdem waren Young und sein Songbook nicht mehr wegzudenken, gehörten und gehören seine Lieder in den heimischen Schrein, genießen gerade seine Live-Alben einen Status an Verehrung, den andere Musiker niemals mehr erreichen werden. Vielleicht war es dennoch ganz gut, dass für jeden Abend seiner Tour mit den jungen Burschen die Playlist variiert wurde und eben jenes besagte „Heart Of Gold“, obgleich mittlerweile ebenfalls in den Reigen der Lieblinge aufgenommen, in München nicht auf dem Programm stand – aus Gründen. Alternativen gab es ja reichlich. „Powderfinger“ ein Knaller, „Harvest Moon“ sowieso, der erste Höhepunkt jedoch kam mit dem nicht ganz so populären „Words (Between The Lines Of Age)“. Youngs Werk kennt ja grob vereinfacht vier Kategorien – den locker dahinrollenden Folksong, die zarte Ballade, den knackigen Rockfetzen und den ewig rückkoppelnden, ausufernden Midtempoblues. Und nicht wenige behaupten, nur in der letztgenannten sei er einzigartig, ungeschlagen.
Genau dahin gehört „Words“. Nicht enden wollendes Starkstromgegniedel, die Saiten malträtiert, alles wummert, kreischt, sägt und jault – und zwar nicht bloß als ohrenbetäubender Lärm, sondern in schönsten Melodien verbaut. Die einem, das darf man ruhig sagen, schon mal Tränen in die Augen treiben können, wenn sie im richtigen Moment die richtige Stimmung treffen. Klar, „Rockin‘ In The Free World“ und „Throw Your Hatred Down“ geben ordentlich Gas, „Winterlong“ ist anrührend schön und „Fuckin‘ Up“ spricht für sich selbst. In Erinnerung aber bleiben am ehesten die fabelhaften Soli von „Cortez The Killer“, „Change Your Mind“ und natürlich der unglaublichen (weil unverhofften) Zugabe „Like A Hurricane“. Songs, deren Wirkung man nur schwer erklären kann, die aus dem Resonanzraum seiner Gitarre herausschwingen, die so kraftvoll brummen und vibrieren, dass einem vor Freude das Herz aufgeht. Hendrix hat damit angefangen, Dylan wurde deswegen zur Legende und der nun auch schon gänzlich weißhaarige J. Mascis offenbarte vor Jahrzehnten, dass er das Prinzip am besten verinnerlicht hatte. Dass Young seine Songs (trotz der teilweise neuen Arrangements) noch immer so unvergleichlich kraftvoll über die Bühne bekommt, verdient nicht nur Respekt. Es zeigt auch, dass diese spezielle Form von Altersstarrsinn, für die er ja in vielerlei Hinsicht berühmt und berüchtigt ist, dieses stoische „Immer weiter“, durchaus von Sinn und Nutzen sein kann. Und wenn auch nur für ein paar Tausend Menschen, die ihm an solchen Abenden in Dankbarkeit und Genugtuung zujubeln können.
Support: Bear’s Den
Olympiahalle, München, 6. Juli 2019
Es wäre natürlich ein Leichtes, das Ganze zeitgemäß ironisch zu verpacken. Die Dichte alter weißer Männer war einfach zu hoch, als dass man sie hätte einfach ignorieren können, sie traten in gutgelaunten Gruppierungen auf, wie man sie in dieser Stadt sonst nur von Baumaschinen- oder Handwerksmessen kennt. Einziger Unterschied: Hier trugen viele stolz zur Feier des Tages (oder eben Abends) ihre alten, aber frisch aufgebügelten Tourshirts von Crosby, Stills und Nash, Crazy Horse, vereinzelt waren auch die Ramones, Pearl Jam oder Nirvana zu sehen. So muß das wohl sein, wenn der Urahn des Grunge, Noise-Pate, Gottvater der verzerrten Folkgitarre, seine Füße für zwei Stunden auf irdischen Bühnenboden setzt und seinen Jüngern gemeinsam mit einer juvenilen Truppe eine Auswahl hymnisch verehrter Standards darbietet. Man kann aber auch die Ironie beiseitelassen und die Geschichte aus persönlicher, spätberufener Sicht erzählen: Wer wie der Rezensent (mittlerweile auch ein einigermaßen alter, weißer Mann) in der ostdeutschen Provinz aufgewachsen ist, der hat die Musik von Neil Young in der Jungendzeit vielleicht auch eher etwas abschätzig und aus sicherer Distanz wahrgenommen. Dann nämlich, wenn sich an den Wochenenden im Dorfgasthof die immergleichen langhaarigen, etwas heruntergekommenen Gestalten zum Ritual der Rockerrunde auf dem Parkett versammelten und ihre Mähne zum immergleichen Dreiklang aus „San Francisco“, „Country Roads“ und „Heart Of Gold“ schüttelten. Dann durfte, dann wollte man nicht stören, stand mit verständnislosem Blick am Rand und fühlte sich, naja, irgendwie überlegen, etwas weiter halt.
Den Zugang gab’s dann erst lange Zeit später, als man erstaunt vernahm, wie Kurt Cobain und Eddie Vedder Anfang der Neunziger den mittlerweile ergrauten Mann als ihre eigentliche Inspiration, ihre Erweckung priesen. Wie recht sie doch hatten. Seitdem waren Young und sein Songbook nicht mehr wegzudenken, gehörten und gehören seine Lieder in den heimischen Schrein, genießen gerade seine Live-Alben einen Status an Verehrung, den andere Musiker niemals mehr erreichen werden. Vielleicht war es dennoch ganz gut, dass für jeden Abend seiner Tour mit den jungen Burschen die Playlist variiert wurde und eben jenes besagte „Heart Of Gold“, obgleich mittlerweile ebenfalls in den Reigen der Lieblinge aufgenommen, in München nicht auf dem Programm stand – aus Gründen. Alternativen gab es ja reichlich. „Powderfinger“ ein Knaller, „Harvest Moon“ sowieso, der erste Höhepunkt jedoch kam mit dem nicht ganz so populären „Words (Between The Lines Of Age)“. Youngs Werk kennt ja grob vereinfacht vier Kategorien – den locker dahinrollenden Folksong, die zarte Ballade, den knackigen Rockfetzen und den ewig rückkoppelnden, ausufernden Midtempoblues. Und nicht wenige behaupten, nur in der letztgenannten sei er einzigartig, ungeschlagen.
Genau dahin gehört „Words“. Nicht enden wollendes Starkstromgegniedel, die Saiten malträtiert, alles wummert, kreischt, sägt und jault – und zwar nicht bloß als ohrenbetäubender Lärm, sondern in schönsten Melodien verbaut. Die einem, das darf man ruhig sagen, schon mal Tränen in die Augen treiben können, wenn sie im richtigen Moment die richtige Stimmung treffen. Klar, „Rockin‘ In The Free World“ und „Throw Your Hatred Down“ geben ordentlich Gas, „Winterlong“ ist anrührend schön und „Fuckin‘ Up“ spricht für sich selbst. In Erinnerung aber bleiben am ehesten die fabelhaften Soli von „Cortez The Killer“, „Change Your Mind“ und natürlich der unglaublichen (weil unverhofften) Zugabe „Like A Hurricane“. Songs, deren Wirkung man nur schwer erklären kann, die aus dem Resonanzraum seiner Gitarre herausschwingen, die so kraftvoll brummen und vibrieren, dass einem vor Freude das Herz aufgeht. Hendrix hat damit angefangen, Dylan wurde deswegen zur Legende und der nun auch schon gänzlich weißhaarige J. Mascis offenbarte vor Jahrzehnten, dass er das Prinzip am besten verinnerlicht hatte. Dass Young seine Songs (trotz der teilweise neuen Arrangements) noch immer so unvergleichlich kraftvoll über die Bühne bekommt, verdient nicht nur Respekt. Es zeigt auch, dass diese spezielle Form von Altersstarrsinn, für die er ja in vielerlei Hinsicht berühmt und berüchtigt ist, dieses stoische „Immer weiter“, durchaus von Sinn und Nutzen sein kann. Und wenn auch nur für ein paar Tausend Menschen, die ihm an solchen Abenden in Dankbarkeit und Genugtuung zujubeln können.