Nebensache

Abstiegskampf bedeutet, wenn ein Verein, egal in welcher Sportart, sich so nah am Abgrund befindet, dass jeder falsche Schritt das Aus bedeuten könnte. Vergangenes Wochenende hatte Alemannia Aachen zum wiederholten Male die Chance, einen Schritt von der Felskante hinab in die 3.Liga zu wagen. Aber wieder blieb es der Mannschaft, den Fans und der Stadt erspart, zumindest vorzeitig eine kleine Verschnaufpause auf halber Strecke der Saison in eben diesem Abstiegskampf einzulegen.

Doch leider ist das 1:1 gegen Erzgebirge Aue  ein Spiel, das enttäuschender nicht ausfallen konnte, sah man von Benjamin Auers 54. Treffer in unserem Trikot ab (mit diesem stellte er den Rekord von Heinz-Josef Kehr ein). Schwach, ideenlos – meilenweiter Unterschied zur vergangenen Woche, als die Mannschaft beim 2:2 gegen die Löwen aus München eigentlich weitaus öfter hätten einnetzen müssen. Vor allem nach dem Ausgleich, der nur dank der Schlafmützigkeit unserer Innenverteidigung und der Ausgeschlafenheit eines Öcher Balljungen (an dem hätte Jens Lehmann seine Freude gehabt) fallen konnte, kam bis auf einen Drehschuss von unserem neuem Rekordtorschützen in den Schlussminuten herzlich wenig. Wieder kein Vergleich mit der hohen Moral, die man nach den beiden Nackenschlägen gegen 1860 offenbarte.

NebensacheNebensacheBenjamin Auer, seit 2008 unser steter Goalgetter, braucht nur noch einen Treffer zu markieren, um zu einer Aachener Legende zu werden. Denn mit seinem 55.Treffer (hoffentlich nächste Woche gegen Eintracht Braunschweig) überflügelt er Heinz-Josef Kehr und wird alleiniger Toptorjäger der Alemannia. In 135 Spielen in den Jahren 1976/77 und 1978-1982 traf der schnieke Herr mit dem Schnauzbart 54 mal für die Kartoffelkäfer. Benjamin Auer, seit vergangenem Jahr auch Kapitän auf dem Tivoli, brauchte dafür nur 112 Ligaspiele. Und wer bezweifelt noch, dass er schon diese Saison den Rekord einstellen wird?

Doch so erfreulich dieser 1:0 Treffer gegen Erzgebirge Aue auch sein mag und so beschämend die Abwehrleistung beim 1:1 , alles wurde an diesem Spieltag zur Nebensache, als zu Beginn der Halbzeitpause sich einige Fans zu sehr an das Wort „Kampf“ in Abstiegskampf orientierten. Ich glaube, es ist ein Novum im deutschen Fußball, wenn nicht sogar überhaupt, dass während eines Spiels Fans der Heimmannschaft eine Schlägerei mit anderen Fans der Heimmannschaft anzettelten.
Laut den lokalen Medien sollen rechtsorientierte Fans die ACU attackiert haben, ein viel besseres Bild – und dafür liebe ich das Internet – von den Geschehnissen bekommt man allerdings auf dem Blog von Der Friedri.ch. So wirklich kann ich das aus meinen fast 670 Kilometern entfernten Blick nicht glauben, was in den Minuten auf den Rängen des Tivolis vorgegangen ist. Ich finde es einfach unfassbar. Fernab jeder Rechtsgesinnung, Gewalt hat im Fußball nichts zu suchen. Nicht unter den Fans. Die Spieler dürfen sich umgrätschen. Nicht die Fans.
Schon kurz nach der Partie ließ einer unserer Geschäftsführer, Frithjof Krämer, in einer kurzen Pressemitteilung die Vorkommnisse scharf verurteilen. Jetzt sieht es zumindest wirklich danach aus, dass der Verein handelt. So berichtete die offizielle HP von Alemannia Aachen zumindest am gestrigen Dienstag von der „höchste Bestrafung[...], die Alemannia Aachen aussprechen kann“. Das bedeutet, es wird Stadionverbote geben für die identifizierten Täter. Bundesweite.

Ich war leider seit langer Zeit nicht mehr in Aachen. Aber schon damals und auch in den Auswärtsspielen merkte man die Risse im Fundament Fanszene, das jeden Verein tragen sollte. Ist dieses Fundament erst einmal zerstört, wackelt auch das Gebäude Alemannia Aachen. Denn wir sind kein Plastikklub wie die TSG Hoffenheim, der sein Fundament aus Gold gegossen hat und damit Fans nicht braucht. Unser Verein braucht seine Fans. Und die Fans brauchen den Verein.
Leider öffnete sich an diesem dritten Advent 2011 ein neues Kapitel im Roman der Fanszene, nachdem schon Teilung der Ultraszenen und die Erhöhung der Ticketpreise (ja, auch dem Verein laste ich einen Teil der Schuld am Zustand der Fanszene an) traurige Szenen geschrieben haben und unser Fantum verwässern ließen. Leider hat die Moderne dem Fußball diesbezüglich nicht gut getan. Ich sage jetzt nicht, dass damals alles besser war, aber es gab in der Vergangenheit immer einen Grundkonsens, bei aller Pluralität innerhalb der Fanszene. Nämlich den Verein. Den Verein Alemannia Aachen. Den es zu unterstützen galt durch Gesänge oder Gebete, durch schweigsame Anteilnahme oder lautstarke Anfeuerung, ob nah oder fern. In guten, wie in schlechten Zeiten, bis das der Tod sie scheidet.
Doch heute ist alles anders. Der Fußball ist für einige nur noch Randnotiz. Alemannia Aachen wurde zur Nebensache.


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