Nazis rein oder raus?

Lothar König, Peter Wensierski, Bernd Wagner

Lothar König, Peter Wensierski, Bernd Wagner

In München läuft der Prozeß gegen die Mitglieder und Unterstützer des NSU. Der Untersuchungsausschuss des Bundestages hat vor eini­ger Zeit sei­nen Abschlussbericht vor­ge­legt. Doch wie geht man an der Basis mit jugend­li­chen Rechtsradikalen um?

Diese Frage woll­ten am gest­ri­gen Abend Bernd Wagner von Exit, einer Anlaufstelle für Aussteiger aus der rechts­ra­di­ka­len Szene sowie der bekannte Jenaer Jugendpfarrer Lothar König nach­ge­hen. Moderiert wurde die Podiumsdiskussion vom Journalisten Peter Wensierski (Der Spiegel).

Veranstalter war die – aller­dings nicht wahr­nehm­bare - Robert-Havemann-Gesellschaft - die sich der “Aufarbeitung der Geschichte und Erfahrungen von Opposition und Widerstand in der DDR” ver­schrie­ben hat.

In der Ankündigung der Veranstaltung hieß es: “Für die demo­kra­ti­sche Gesellschaft ist der Rechtsradikalismus eine Bedrohung und Herausforderung zugleich. Ist man sich in der Ablehnung des Rechtsradikalismus auch weit­ge­hend einig, so nicht bei der Frage nach einem ange­mes­se­nen Umgang mit rechts­ra­di­ka­len Jugendlichen.” Allerdings konnte die hier vor­han­dene Frage nach dem Umgang mit eben­sol­chen Jugendlichen nicht geklärt wer­den. Es machte eher den Eindruck, als wür­den sich sowohl König als auch Wagner vor einer Antwort drü­cken. Der Moderator ver­suchte immer wie­der, den bei­den kon­krete Aussagen zu ent­lo­cken; lei­der ver­geb­lich.

Deshalb auch wurde aus den Reihen der Zuhörer zum Ende hin immer mehr Unruhe und Unmut ver­spür­bar; gut die Hälfte ver­ließ den anfäng­lich gut gefüll­ten Raum in der Kulturbrauerei vor Ende der Veranstaltung.

Dabei wur­den schon ein paar rich­tige Dinge ange­spro­chen: Dass zu den wich­tigs­ten Ursachen für das Erstarken des Rechtsradikalismus in den “fünf neuen Bundesländern” ganz sicher die Perspektivlosigkeit der Jugend in der “Wende-Zeit” zählt. Eine Jugend, die weder bei ihren – mit sich selbst beschäf­tig­ten – Eltern noch in der zer­brö­seln­den Gesellschaft um sie herum einen Halt fan­den. Und sich so den Erstbesten, die ein­fa­che Lösungen ver­spra­chen, an den Hals warf. Was zu jener Zeit von west­deut­schen Neonazis wohl­weis­lich aus­ge­nutzt wurde, die in die­ser Zeit eine “revo­lu­tio­näre Situation” erken­nen woll­ten.

Bernd Wagner geht sogar davon aus, dass die Menschen der beige­tre­te­nen Landes sogar beson­ders auf­nah­me­be­reit für sol­cher­lei Ideologien waren. Er cha­rak­te­ri­sierte die Gesellschaft der DDR näm­lich als “klein­ka­rier­ten, natio­na­len Sozialismus”. Ein har­tes Urteil, dem nicht wider­spro­chen wurde.

Allerdings gab es viel Widerspruch – vor allem aus dem Publikum – als sich beide Referenten nicht dazu in der Lage sahen, etwas zu den Ursachen zu sagen, wes­halb auch heut­zu­tage die Rechtsradikalen noch immer Zulauf erhal­ten. Heutzutage funk­tio­nie­ren die Erklärungen nicht mehr, die noch vor 20 Jahren rich­tig waren.

Insbesondere Lothar König for­derte mit sei­nen oft sehr ver­ein­fach­ten und pau­scha­li­sier­ten Aussagen deut­li­che Reaktionen im Publikum her­aus. Eine Lehrerin aus einer Berliner Schule ver­bat sich sei­nen Vorwurf, dass es sinn­los sei, wenn Schulen anti­ras­sis­ti­sche Projekte ver­an­stal­ten. “Die Zivilgesellschaft” rief sie König zu, “hat sich in den ver­gan­ge­nen zehn Jahren posi­tiv ver­än­dert.” Die Menschen wären inzwi­schen deut­lich wacher gewor­den und weh­ren sich gegen rechts­ra­di­kale Ideen.

Richtig ist aber auch, dass die Klientel, über die an die­sem Abend gespro­chen wurde, nicht mehr als “Glatzen” mit Bomberjacke und Springerstiefel in der Öffent­lich­keit unter­wegs sind. Bernd Wagner sprach sogar davon, dass sich in den ver­gan­ge­nen Jahren eine echte Subkultur rund um diese Szene ent­wi­ckelt habe. Eine Kultur, die auch keine natio­na­len Grenzen mehr kennt.

Doch lei­der waren diese Streitgespräche, diese ech­ten Diskussionen, eher die Ausnahme des Abends. Wagner war oft viel zu unkon­kret in sei­nen Aussagen – selbst, als er nach sei­ner Arbeit bei Exit gefragt wurde, kamen kaum Dinge zur Sprache, die man sich nicht vor­her selbst den­ken konnte. Und Lothar König? Sein Auftritt fan­den viele der Gäste ent­täu­schend.

Sicherlich: das Publikum bei sol­chen Veranstaltungen ist stark poli­ti­siert und erwar­tet ver­mut­lich kon­krete Dinge und ver­mut­lich knall­hart linke Aussagen. Doch wenn sich König dar­auf zurück­zog, dass er Jugendlichen eine grund­le­gende Radikalität allein des­halb zuschrieb, weil sie Jugendliche sind und daher “gegen das Bestehende rebel­lie­ren müs­sen” und zwei Sätze spä­ter dar­über sin­niert, dass man gegen “fal­sche” Ideologien mit “Fußballspielen und Besaufen” vor­ge­hen kann, dann muss man sich nicht wun­dern, wenn sich der Saal leerte.

Und nicht nur die, die vor­zei­tig gin­gen, nah­men die Frage “Was ist der ange­mes­sene Umgang mit rechts­ra­di­ka­len Jugendlichen?” ebenso unbe­ant­wor­tet mit wie die, die bis zum Ende aus­harr­ten.

Der Abend war eine ver­tane Chance.

Nic

Lothar König, Peter Wensierski, Bernd Wagner

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Lothar König

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Peter Wensierski

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Bernd Wagner

Bernd Wagner


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