Eine unglaubliche Frechheit, die sich das angebliche ZDF-Kulturmagazin "Aspekte" da geleistet hat. Finanziert aus Gebührengeldern reiste die Redaktion frech und unverfroren nach Berlin-Kreuzberg, um dem ehemaligen Bundesbanker Thilo Sarrazin dort eine neue Plattform für seine "kruden Thesen" (Der Spiegel) zu bieten. Die bürgerschaftlich-engagierte Nachbarschaft verhinderte das durch beherzten Einsatz, der Dreh endete mit "Hau ab!"-Rufen, eine Art Lynchmob fand sich nationenübergreifend zusammen.
Logisch, dass die einzige wahre staatliche Nachrichtenagentur dpa jetzt für das frühere Sarrazin-Vorabdruckmagazin "Spiegel" Stimmen zusammengetragen hat, die das ungeheuerliche Vorgehen des Staatssender ZDF kritisieren. Seit Uwe-Karsten Heye vor fünf Jahren öffentlich vor No-Go-Areas im Osten gewarnt habe, so der Deutsche Kulturrat, sei bekannt, dass Angehörigen von Minderheiten in bestimmten Regionen Deutschlands mit Intoleranz und offenem Hass begegnet werde. "Der provokante Dreh in dem Berliner Stadtteil, in dem viele türkischstämmige Menschen leben, entfacht die Diskussion um Sarrazin rechtspopulistische Thesen zu Einwanderung und Integration aufs Neue", analysieren die Regierungsdichter in der dpa-Redaktion.
Das aber hätte nicht sein müssen, ja, nicht sein dürfen. Es sei "wirklich mehr als peinlich, wenn "Aspekte", ein renommiertes Kulturmagazin, es offensichtlich nötig hat, einen solch vorhersehbaren Eklat zu inszenieren", assistiert der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann. "Wer Thilo Sarrazin unter sichtbarer filmischer Beobachtung durch Berlin-Kreuzberg und Neukölln schickt", der müsse mit "wütenden Reaktionen" rechnen. Das sei ganz normal.
Auch der renommierte "Türkische Bund Berlin-Brandenburg" bezeichnete den Kreuzberg-Besuch Sarrazins als "Provokation". "Wenn so einer samt
Fernsehteam jetzt plötzlich nach Kreuzberg kommt, um angeblich einen kulturellen Dialog zu führen, dann will er wahrscheinlich bald ein neues Buch veröffentlichen", erklärte TBB-Sprecher Hilmi Kaya Turan. Das dürfe man nicht zulassen.
Dem stimmt der Berliner Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele vollinhaltlich zu. Ströbele zeigt Verständnis für die Wut der Sarrazin-Gegner und deren Unwillen, mit dem umstrittenen Autor zu diskutieren. "Herr Sarrazin hat auch mir gegenüber schon eine Diskussion seiner diskriminierenden und beleidigenden Thesen verweigert und zeigt sich völlig uneinsichtig", sagte Ströbele. Deshalb müsse man Gleiches mit Gleichem vergelten und Gespräche natürlich verweigern.
Sarrazin könne ja noch von Glück sagen, dass ihn niemand nach Nazibrauch zusammengeschlagen und getreten habe, wie das an der berühmten Straße der Gewalt üblich sei. Dennoch plant der Berliner Senat jetzt, auswärtige Provokateure an den Grenzen der integrierten Hauptstadt-Bezirke mit einer Beschilderung vor dem Betreten bestimmter Kieze zu warnen. Entsprechende Schilder mit dem Aufdruck "Sperrgebiet - Unbefugten ist das Betreten verboten" fänden sich noch in ausreichender Zahl im Archiv der Straßenbauamtes.