Die islamische Welt, so heißt es seit dem 11. September immer wieder, stehe dem Westen zunehmend feindlicher gegenüber […] Warum hassen sie uns bloß? Wird auf Titelseiten scheinbar hilflos gefragt, um sogleich auf die grundlegend andersartigen Werte von Muslimen zu verweisen. Der sanftmütige Experte verlangt, Verständnis für die Andersartigkeit aufzubringen, während der kulturelle Kraftprotz auf die Überlegenheit des eigenen Wertesystems pocht. Beide übersehen, daß viele Muslime sich über den Westen und speziell die Vereinigten Staaten nicht etwa deshalb erregen, weil sie von deren Werten nichts wissen wollen, sondern weil sie den Glauben daran verloren haben, daß der Westen es ihnen gegenüber ernst meint mit seinen Werten. […]
die Menschen werfen dem Westen nicht seine Werte vor, sondern daß er sie verrät, wenn der Diktaturen, korrupte Regime oder den Terror einer Staatsgewalt deckt.
Das ist der gesellschaftliche Umkreis, in dem sich Navis Kermanis Buch bewegt: wie leben die Menschen in sog. „islamischen Ländern“ und wie und woran zeigen sich die Widersprüche nicht nur zum Westen, sondern auch innerhalb der Gesellschaft, die sich selbst als religiös determiniert begreift.
Das sind Reiseberichte, die weit von jenem Klischee entfernt sind, das man im Baedecker finden mag. Die Intensität und die Emphatie des Buches erinnern mich da eher an die Bücher von V.S. Naipaul.
Kermani bereiste und berichtet aus Ägypten, Pakistan, Tadschikistan, Indonesien, (Israel und) Palästina sowie natürlich den Iran. Er erzählt Geschichten und Geschichte. Über Länder, die uns fremd sein dürften. Vor allem über Lebensentwürfe, die uns nicht nur exotisch vorkommen, sondern so fern unserer eigenen, westlich geprägten sind, dass es sicherlich dem einen oder anderen Leser schwer fallen könnte, dies einfach als gegeben hinzunehmen.
Er schreibt über Menschen, die in aller Armut, in aller Zerissenheit, nach Krieg und Hunger sehr lebendig sind. Und er schaffte es, den Menschen Leben einzuhauchen; uns teilhaben zu lassen an den Gedanken und Gefühlen derer, die er exemplarisch für ein Vielzahl von Individuen beschreibt.wenn er über das zerfließende Leben in Pakistan erzählt, in dem der Staat kaum noch existent ist im täglichen Leben oder über die schier unglaubliche Schizophrenie, die das tägliche und alltägliche Leben in Israel prägt… dann bin ich zumindest froh, in einem sehr sicheren, mitteleuropäischen Land aufgewachsen zu sein. Bei allen Mängeln dieser Demokratie: es ist eine.
Nun kenne ich Kermanis Bücher – und auch die Reiseberichte vom oben genannten V.S. Naipaul recht gut. Und bin doch immer wieder erstaunt, wie immer wieder erstaunt ich über diese unbekannte Welt bin. Es sind die kleinen Dinge des Lebens, die mir fremde Menschen wie Bekannte vorkommen lassen. Und es sind die liebenswerten Schwächen.
Apropos Schwächen: wenn es im Buch eine Schwäche gibt dann die, dass es nach 239 Seiten zu Ende ist.
Nic