Natascha Kampusch: 10 Jahre Freiheit

Natascha Kampusch: 10 Jahre Freiheit
10 Jahre FreiheitNatascha Kampusch
List Hardcover, August 2016240 SeitenBiografie

Inhalt & Meinung

1998, da war ich selbst sieben Jahre alt, wurde die zehnjährige Natascha entführt. Meine Mutter war zu dem Zeitpunkt 27. Also nur knapp zwei Jahre älter, als ich nun. Diese Parallelen zu ziehen mag egoistisch klingen an dieser Stelle, doch mir geistert das stets so vor Augen: Das Kind hätte ich sein können, ich war etwa in dem Alter. Und nun bin ich fast  in dem Alter, in dem meine Mutter damals ihr Kind verloren hätte. Ohne inen Hinweis einfach verschwunden. Und allein bei dem Gedanken stockt mir kurz der Atem, auch wenn all das rein hypothetisches Gedankenspiel ist.Für Natascha Kampusch und ihre Familie hingegen ist das der bittere Ernst gewesen. Jahre hat das Mädchen in einem Verließ zugebracht. All die Jahre, die für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit so entscheidend sind. Und für die Familie war die Situation nicht erträglicher: Zur Ungewissheit über den Verbleib der Tochter gesellten sich mannigfache Anschuldigungen, am Verschwinden selbst schuld, beteiligt oder gar Drahtzieher gewesen zu sein. Ich bin mir sicher, jeder Teil dieser Familie ist durch die eigene persönliche Hölle gegangen. 
10 Jahre Freiheit beschäftigt sich nun allerdings nicht mit dem Verschwinden Nataschas und der Zeit in Gefangenschaft, einen Bericht darüber hat die junge Frau bereits in einem anderen Buch verfasst. Der vorliegende Bericht beschäftigt sich mit der Zeit nach der Selbstbefreiung: Wie ist die Gesellschaft ihr entgegen getreten? Wie hat die Justiz sich dem schwierigen Fall gestellt? Wie konnte Natascha ein neues Leben beginnen? Was für eine Frau ist aus dieser Entführung hervorgegangen? 
Denn ihre physische Gefangenschaft (und natürlich auch die psychische, die der Täter aufgebaut hat) endete zwar, doch die Gesellschaft hat sie auf ihre Weise erneut gefangen genommen - als sie sich in Freiheit wähnte. 
Zum einen waren da Journalismus und Gesellschaft. Nach anfänglich viel Zuspruch wurde Natascha Kampusch mit Kritik und Anfeindung kritisiert.
Im Internet wurde ich als "Hure" beschimpft, man müsse es mir mal "ordentlich besorgen", weil das hätte dieser "Klemmi" wohl nicht richtig hinbekommen. "G'fallen tät der des doch, der Schmlamp'n!"
Zeilen wie diese musste ich mehrfach lesen, um sie begreifen zu können. Eine junge Frau wird entführt, und die Menschen haben nichts besseres zu tun als ihr so etwas an den Kopf zu werfen, bzw. so über sie zu reden? Ihr wurde vorgeworfen, selbst die Gefangenschaft inszeniert zu haben und den Täter gar ermordet zu haben. Wie - pardon - hirnverbrannt muss man sein, um solche Anschuldigungen in den Raum zu werfen?
Und auch an der Art, wie sie "weiterlebte" stieß man sich. Natascha Kampusch ist es gelungen, zu überleben. Sie hat sich von dieser Gefangenschaft eben nicht zerstören lassen, auch wenn sie ihr lebenlang damit leben muss. Doch sie tut Gutes. Sie hilft anderen. Stellt sich der Öffentlichkeit. Und beweist dabei eine unfassbare Stärke. Doch gerade diese wird ihr ebenfalls zu ihren Ungunsten ausgelegt, im Sinne von: Sie kann ja gar nicht so gelitten haben.
In welchem Gesetz steht geschrieben, dass man, wenn man einmal gelitten oder es einem schlechtgegangen ist, bis zum Ende seiner Tage in dieser Negativspirale verharren muss?
Ihr seht schon, ich könnte lang und viel darüber schreiben. Denn dieses Buch regt zum Nachdenken an. Natascha lässt den Leser nicht nur an ihrer Entwicklung tielhaben, sondern hält der Gesellschaft einen Spiegel vor, der die erschreckende Fratze der Menschen zur Schau stellt - und zwar so, wie sie ist.
Von mir daher eine absolute Leseempfehlung. Ein unfassbar bewegender und aufrüttelnder Bericht.  

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