Wenn man vom Debütroman einer Autorin so gefangen genommen wurde, dass man ihn sofort in die Liste seiner Lieblingsromane aufnimmt, ist es verdammt schwer für den zweiten Roman. Unglaubliche hohe Erwartungen habe ich an ihn gestellt, er sollte mich genauso berühren wie Jeden Tag, jede Stunde, das gleiche Gefühl von Ruhe und Atemlosigkeit zugleich in mir hervorrufen. Aber geht das überhaupt? Sind das nicht viel zu hohe Anforderungen an einen Roman? War Immer wieder das Meer so nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt?
Theoretisch ja. Und doch kam es ganz anders.
Drei Schwestern lieben einen Mann. Denselben Mann. Genau das ist das Problem. Roberta, Lucia und Nannina verlieben sich alle drei in den Dichter Alessandro Lang – doch nur eine von ihnen wird ihn heiraten. Unabhängig voneinander lernen sie ihn kennen; und jede von ihnen verbindet etwas ganz Spezielles mit diesem Mann, jede scheint ein ganz eigenes Leben mit ihm zu führen.
Bis wir wissen, welche Schwester die glückliche Braut ist, verfolgen wir die Geschichte der Schwestern und ihrer Familie von den 1980er Jahren bis in die Gegenwart. Halten ihnen in schweren Zeiten die Hand, freuen uns mit ihnen über berufliche Erfolge und weinen mit ihnen in traurigen Momenten. Dabei gibt es immer wieder Einblicke in den Hochzeitstag, doch Nataša Dragnić ist eine geschickte Erzählerin – sie schafft es, uns keinerlei Hinweise auf die Identität der Braut zu geben und so die Spannung hoch zu halten. Dieser verdammt kluge Schachzug ist es, der Immer wieder das Meer zu einem einzigarten Lesevergnügen macht.
Humor ist ein weiterer wichtiger Aspekt. Egal, wie traurig und schwierig das Leben für die drei Schwestern und ihre Familie gerade sein mag, irgendwie schleicht sich auch immer der nötige Humor in die Geschichte ein. Ohne die traurigen Momente zu ruinieren oder ins Lächerliche zu ziehen. Es ist genau die richtige Portion Humor, um einen daran zu erinnern, dass das Leben auch gute Seiten für einen bereithält.
Ebbe und Flut – Nataša Dragnić spielt literarisch eindrucksvoll mit den Gezeiten, ohne im Gefühlsmeer unterzugehen – eine Gefahr, die in jedem Liebesroman droht. Denn genau das ist Immer wieder das Meer. Ein Liebesroman. Ohne Kitscheisberge, an denen man als Leser zerschellen könnte – aber dafür mit unendlich vielen Tiefen um darin einzutauchen und rettungslos unterzugehen.
Gebundene Ausgabe: 368 Seiten
Erschienen bei DVA
April 2013
ISBN: 978-3-421-04582-9