Nasreen Alavi – Wir sind der Iran

 

Nasreen Alavi – Wir sind der Iran

Oft werde ich gefragt, weshalb und vor allem: für wen ich blogge. Und – zugegeben – mir fällt die Antwort darauf nicht leicht. Denn der Blog hier ist doch eher so etwas wie eine Nabelschau und ich maße mir nicht an, damit in irgendeiner Weise Wirkung zu erzeugen. Der Untertitel “unmaßgebliche Meinungen” spricht für sich.

Das Buch jedoch, um das es hier geht, zeigt eine ganz andere Art von Wirkung, die ein Blog haben kann.

Es gibt mehr als 65.000 iranische Weblogs – mehr als in deutscher, italienischer oder spanischer Sprache.

(Quelle: Umschlagtext)

Das ist kein Zufall.
Im Gegensatz zur Selbstdarstellung (die auch bei den Persern nicht ganz auszuschließen ist), die unsere Blogs beherrscht, sind die im Buch benannten vor allem der Versuch eines jungen Volkes, sich gegen die Mullahs eine öffentliche Stimme zu suchen.
Unser (westliches) Bild des Iran ist beherrscht von den Bildern, die uns die Medien zeigen: böse Mullahs, tief verschleierte Frauen, Bombenleger, Moscheen und Armut.
Doch gibt es auch ein anderes Persien: eines, in dem mehr als die Hälfte der Bevölkerung unter 30 Jahre ist; eines, in dem diese jungen Menschen hochgebildet sind und die Technik (Internet) beherrschen; eines, in dem gefeiert wird – trotz Aufpassern und Polizisten.

Ich führe einen Weblog, damit ich in dieser stickigen Luft überhaupt atmen kann…

S. 12

Den größten Segen, den die islamische Rebublik uns gebracht hat, ist, dass uns heute überhaupt nichts mehr heilig ist. … Jetzt ist es schon soweit, dass die heranwachsende Jugend, die vermeintlich unter der Herrschaft von “Gottes Vertreter auf Erden” steht, sogar die Existenz Gottes selbst leugnet.

S. 21 f.

… was kommt heraus, wenn man unaufhörlich mit heiligen Informationen bombardiert wird … Vor ein paar Tagen sah ich, wie ein Bauarbeiter direkt neben einer Zementmischmaschine freidlich schlief. Offenbar war er für den unsäglichen Lärm taub geworden. Nach so vielen Jahren, in denen man dich mit religiösen Fakten bombardiert hat, hörst du sie einfach nicht mehr

S. 25

Diese Zitate sollten genügen, um einen Einblick zu verschaffen, welchen Zweck Blogs im Iran erfüllen. Und wie weit das, was da geschrieben wird, sich von dem unterscheidet, was unser Bild von Persien ist. (Und wie sehr diese Situation der ähnelt, die allen bekannt ist, die zum Ende der DDR jung waren.)

 Dieses Buch ist ein sehr wichtiges Buch: für Blogger, um sich selbst zu verorten in der Blogosphäre; für Menschen, die interessiert sind an Informationen außerhalb des Mainstreams; für Neugierige, die Tellerränder als Grenze nicht akzeptieren und für alle, die eine andere Seite des Orient kennen lernen wollen.

Nic


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