"Nachtlichter" von Amy Liptrot

Ein autobiografischer Roman.

Amy Liptrot trank.

Nun ist sie zurück auf dem Hof ihrer Eltern, der auf demselben Breitengrad liegt wie Oslo oder Sankt Petersburg. Hier gibt es nur noch das Meer, die Klippen und den immerwährenden Wind. Brutseeschwalben die während der Brutzeit Scheinangriffe fliegen, Möwen, Seehunde, ein paar Einwohner. Hier in diese Einsamkeit ist sie zurückgekehrt vor der sie mit 18 Jahren floh.

Das Leben schien woanders stattzufinden. London. London bot Leben, Jobs, Clubs, Partys. Einsam ist es hier trotzdem, das Anderssein hat sie mitgenommen, den Schmerz, die Brüche, die Sehnsucht. Alkohol verhilft ihr die Schüchternheit abzulegen, soziale Schmiere, cool sein, außerordentlich sein, crazy, mutig mit Biss. Es geschieht scheinbar langsam, der Übergang vom Partytrinken zum Alkoholikerdasein. Sie arbeitet in verschiedenen Verlagen, schleppt sich verkatert durch den Tag.

„Normalerweise begann ich zu trinken, sobald ich von der Arbeit nach Hause kam. Manchmal stieg ich auch auf halber Strecke aus dem Bus und trank ein paar Dosen im Park. Ich konnte es einfach nicht abwarten, und als ich arbeitslos wurde, musste ich es nicht mehr.“

Den Schein zu wahren gelingt immer weniger. Im Kleiderschrank türmen sich leere Flaschen, überall der säuerliche Geruch eines kranken Schafes. „Es riecht nicht nach Alkohol, sondern nach den kränklichen Ausdünstungen eines Geschöpfs, dessen innere Organe, wie Leber und Nieren, damit beschäftigt sind, Giftstoffe abzubauen und diese durch die Haut, die Fingernägel und Augäpfel wieder auszuscheiden.“

Das Schlimmste schreibt sie, sei nicht das äußere Chaos gewese , sondern der innere Zerstörungstrieb.

Drei Versuche mit dem Trinken aufzuhören waren gescheitert. Jetzt hat sich die Spirale weiter gedreht. Wohnung, Job und Freund sind weg.

Sie hat die Wahl noch weiter in die Zerstörung zu gehen und wählt das Leben. Nach einer dreimonatigen, stationären Entgiftung kehrt sie nach Orkney zurück.

Hier beginnt der Part des Nature Writings in Verbundenheit mit der Beobachtung ihres Innenlebens. Sie kämpft gegen Ängste und Depressionen mit körperlicher Arbeit an, bessert Trockenmauern aus.

Und sie beobachtet die Wolken, die Vögel, die Natur.

„Ich hätte eine einsame traurige Trinkerin von vierzig, fünfzig oder 60 Jahren werden können.Am Ende jagte ich einem Versprechen hinterher, das sich nie erfüllt hat, und jetzt setzt ich lieber auf die Überraschungen meiner natürlichen Umgebung und lasse mich von ihnen inspirieren.“

Der Weg ist nicht leicht, der Drang zu trinken oft groß. Dünnhäutigkeit, das sich schutzlos fühlen, die Nachbesserung des eigenen Fundaments kostet Kraft und Zeit. Als sie im Sommer einen Job im Rahmen eines Vogelschutzprojektes annimmt, merkt man das nicht nur die Nächte in Orkney heller werden. Die Besessenheit schläft, aber sie lauert unter der Oberfläche, stetig bereit erneut zu übernehmen.

Die Leere schwindet langsam.

Das Buch ist auf seine Art und Weise ein ungewöhnliches Buch über das Leben mit Alkoholabhängigkeit und dem Kampf um Gesundung. Es ist nicht alles gut, es ist knallharter Kampf um das Überleben in dem sich nach und nach das Licht zeigt.

„Ich begann außerdem, mich mehr für die Natur zu interessieren. Ich fing an, Vögel zu beobachten und sie für eine Organisation zu zählen. Für meine Genesung war diese Aufgabe ganz entscheidend und ist es noch immer. Ich weiß nun, dass es Kräfte gibt, die größer sind, als ich es bin. Und sie werden weiterwirken, unabhängig von meinem persönlichen Schicksal. Das macht demütig.“

Ein ungewöhnliches schonungslos ehrliches Buch über Abgründe und Sehnsüchte, das Ringen um das Selbst und dem Leben in der Natur.

„Nachtlichter“ von Amy Liptrot erschien 2016 im btb Verlag


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