Nachruf auf Helmut Kohl

Von Eulengezwitscher @Edda_Eule
By Bundesarchiv, B 145 Bild-F074398-0021 / Engelbert Reineke / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5471519

Trillerpfeifen und Sprechchöre gegen den Kanzler. "Kohl muss weg, Kohl muss weg!" Ich erinnere mich gut an die Abschlussveranstaltung des Bundestagswahlkampfs 1998. Auf dem Mainzer Domplatz wirbt Helmut Kohl zum letzten Mal um Stimmen. 16 Jahre hat er die Regierung der Bundesrepublik Deutschland geführt. Er hat die Deutsche Einheit ausgehandelt und die europäische Einigung vorangetrieben. Das bleibt. Helmut Kohl wird aufgrund seines beeindruckenden Lebenswerkes nie ganz weg sein –  auch nach seinem Tod nicht.

Helmut Kohl war eine politische Urgewalt: Er hat es verstanden, Mehrheiten zu beschaffen. Er hat loyale Mitstreiter an sich gebunden und Konkurrenten innerhalb und außerhalb seiner Partei, der CDU, in die Knie gezwungen. Er hat die feinsinnige Ironie und den derben Spott seiner Kritiker ausgehalten und pariert. Unvergessen sind die Redeschlachten, die er sich beispielsweise mit dem SPD-Kärrner Herbert Wehner im Bundestag geliefert hat. Unvergessen auch seine Dauerfehde mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Was hat Strauß über Kohl vom Leder gezogen: Er könne "nie Kanzler werden" hat Strauß geätzt. "Er ist total unfähig. Ihm fehlen die charakterlichen, die geistigen und die politischen Voraussetzungen." Wie falsch Franz Josef gelegen hat. 

Kohl, Jahrgang 1930, hat alle Voraussetzungen gehabt: Vernetzt und ehrgeizig wie kein zweiter Nachkriegspolitiker, willensstark, konfliktfähig, bisweilen stur. Er ist einer der ersten gewesen, die die klassische Parteikarriere durchlaufen haben. Junge Union, Landespolitiker, Ministerpräsident, Oppositionsführer im Bundestag, Kanzlerkandidat, Kanzler. Und Kanzler. Und Kanzler. Und nochmal Kanzler. Vier Bundestagswahlen hat Kohl für sich entschieden. Seine größtes politisches Pfund ist sein Instinkt gewesen: Kohl hat Bedrohungen und Chancen gespürt und entschlossen gehandelt. Er hat die Gunst der Stunde genutzt, in der die sozialliberale Koalition zerbrochen ist und die FDP bereit war, die Seiten zu wechseln, um ihn zum Kanzler zu wählen. Er hat den innerparteilichen Putschversuch auf dem Bremer Parteitag 1989 geahnt und im Keim erstickt. Und er hat das internationale Staunen über die friedliche Wende und den Fall der Berliner Mauer genutzt, um in wenigen Wochen und Monaten die Deutsche Einheit klar zu machen. Dass er selbst stark polarisiert hat und längst nicht alle seine Entscheidungen – politische wie persönliche – richtig waren, ändert nichts an dieser historischen Leistung.

Mit Helmut Kohl ist der letzte Kanzler der alten Bonner Republik gestorben. Aber sein Vermächtnis reicht weit über Bonn und Berlin hinaus: Kohl hat sich ebenso engagiert für ein friedliches Europa engagiert. Dieses Vermächtnis gilt es zu bewahren.

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