Der Mann mit dem gelben Pullunder ist tot. Hans-Dietrich Genscher hat Politik für die Freiheit gemacht. Er wird fehlen.
Er war der liberale Rekord-Minister: Hans-Dietrich Genscher hat der Bundesregierung fast zwei Jahrzehnte lang als Innen- und Außenminister angehört. Gestern ist der langjährige FDP-Vorsitzende gestorben - zehn Tage vor seinem 90. Geburtstag. Sein Markenzeichen war der gelbe Pullunder, seine Politik eine Politik für die Freiheit. Seine Botschaft wird überdauern: "Freiheit und Verantwortung gehören für uns Liberale untrennbar zusammen."
Hans-Dietrich Genscher wird 1927 in Reideburg geboren (das liegt auf dem Gebiet der späteren DDR). Zum ersten Mal muss er seinem Land unfreiwillig helfen – als Flakhelfer im Zweiten Weltkrieg. Trotz einer langwierigen Tuberkuloseerkrankung schafft Genscher danach zuerst das Ergänzungsabitur, dann eine Juristenausbildung. Seine eigentliche Bestimmung ist aber die Politik. Doch in der DDR haben Genschers freiheitliche Grundwerte keine Zukunft – in der jungen Bundesrepublik werden sie dagegen gebraucht.
In der Freien Demokratischen Partei (FDP) durchläuft Genscher eine klassische Parteikarriere bis zum Bundesvorsitzenden (1974-1985). Seit 1969 sitzt er auch auf Bonner Regierungssesseln. Dort arbeitet er erst mit den sozialdemokratischen Kanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt zusammen, dann schlägt er sich auf die Seite von Helmut Kohl und der CDU. Zwei Tragödien muss der Dauerminister Genscher verkraften: Die Anschläge auf die olympischen Sommerspiele in München (1972) und den Terror der Rote Armee Fraktion (RAF). Genscher gilt als begnadeter Netzwerker, der seine einflussreichen Kontakte auf zahllosen Reisen pflegt.
Im Herbst 1989 gewinnt er hinter den Kulissen einer UNO-Vollversammlung in New York den sowjetischen Außenminister Eduard Schewardnadse für die Sache der ausreisewilligen Botschaftsflüchtlinge. Kurz darauf stimmt auch die DDR-Regierung zu und Genscher kann seine Botschaft der Freiheit überbringen: „Wir sind zu ihnen gekommen“, hebt er an, „um Ihnen zu sagen, dass heute Ihre Ausreise…“ Weiter kommt Genscher nicht. Ohrenbetäubender Jubel brandet auf und bereitet ihm den schönsten Moment seiner politischen Laufbahn – und die dauert immerhin eine halbe Ewigkeit.
Genscher kann nicht nur starke Auftritte (wie auf dem Prager Botschaftsbalkon). Auch sein Abgang von der Regierungsbühne hat Stil: Kurz nach seinem 65. Geburtstag ist er freiwillig zurückgetreten. Bis heute zuletzt hat er international einen ausgezeichneten Ruf als Vermittler genossen. Einer wie Genscher wird nicht nur den Liberalen fehlen.