Nachruf auf die Grippe

Nach einem fulminanten Höhepunkt vom Februar bis in den März hinein ist nun die Grippe-Saison vorbei. Wer sich impfen hat lassen, war diesmal nicht auf der sicheren Seite: Die bislang veröffentlichten Angaben zur Wirksamkeit der Influenza-Impfung liegen zwischen 0 und 50 Prozent. Bei einigen Arbeiten - und nicht den schlechtesten - zeigte der Zeiger auf unter Null, deutete also an, dass Geimpfte eventuell sogar ein höheres Krankheits-Risiko hatten. 

Nachruf auf die Grippe

Schwächt die Grippe-Impfung die Abwehrkräfte? (Foto: CJ Sorg)


Laut der unabhängigen Cochrane Collaboration besteht bezüglich der Wirksamkeit der Influenza Impfung ein enormes Wissens-Defizit. Für Kinder unter 2 Jahren gibt es gar keinen Nachweis der Wirksamkeit. Ebenso schlecht ist die Datenlage für Personen im Alter über 65 Jahren.
Und sogar bei Menschen in Gesundheitsberufen schließen die Cochrane-Autoren. "Unsere Übersichtsarbeit fand keine vernünftige Basis, um die Impfung der Menschen in Gesundheitsberufen zu empfehlen." Derzeit, so der Vorsitzende der Impfgruppe der Cochrane Collaboration, Tom Jefferson, "gleicht die Werbung für die Influenza-Impfung eher den Praktiken von Staubsauger-Verkäufern auf Jahrmärkten".

Doch in manchen Jahren bezieht sich das schwarze Wirksamkeitsloch der Impfung nicht nur auf Kleinkinder und Senioren, sondern dehnt sich auf die gesamte Bevölkerung aus. Als Grund für diese Abstürze nennen die Influenza-Experten die zeitverzögerten Herstellung. Der Impfstoff wird nämlich ein halbes Jahr im voraus - nach den vorherrschenden Influenza-Viren auf der Südhalbkugel - konzipiert. Leider war der vorherrschende Virentyp auf der Nordhalbkugel dann ein ganz anderes Modell, zumindest was die Komponente für Influenza A (H3N2) betrifft.

Schon Ende Januar zeichnete sich hier ein Debakel ab. Eine vom Influenza-Überwachungssystem Kanada veröffentlichte Arbeit belegte die absolute Unwirksamkeit der Impfung: Sie lag im Schnitt bei MINUS 8 Prozent. Das heißt Geimpfte erkrankten tendenziell sogar häufiger als Ungeimpfte. 
Für Impf-Lobbyisten wie den Leiter der "Public Health Kommission des Obersten Sanitätsrates", den Wiener Professor Michael Kunze waren solche Informationen kein Grund mit der Impfwerbung nachzulassen. Kunze empfahl sogar noch Anfang März dringend die Impfung - oder wenn die Infektion schon begonnen hatte: "schnellstmöglich Tamiflu".  Jenes berühmte Mittel also, dessen Vermarktung als "größter Diebstahl aller Zeiten" (© Peter Gøtzsche) in die Medizingeschichte eingegangen ist. 
Mir ist es ein Rätsel, auf welcher wissenschaftlichen oder moralischen Basis derartige Leute funktionieren.
Schlechte Erfahrungen
Doch abgesehen von solchen schlechten Jahren, wie dem heurigen, sorgt die Influenza-Impfung schon seit langem für jede Menge Fragezeichen - welche von den Marketing-Abteilungen der Hersteller-Konzerne und ihren Lohnschreibern nur mühsam verwischt werden können.
So zeigte sich beispielsweise, dass während der Schweinegrippe-Pandemie - als ein relativ neuartiger Virentyp die Welt umrundete - die meisten Menschen nur sehr milde erkrankten. Ausgenommen waren jedoch Kinder, die zuvor jährlich eine Grippe-Impfung erhalten hatten. In Kanada wurden gleich vier Studien durchgeführt, die diesem Verdacht nach gingen und ihn schließlich auch bestätigten: Anscheinend ist es für die Kinder von Vorteil, die Viren - ohne pharmazeutische Schützenhilfe - kennen zu lernen. Dann erwerben sie auch das immunologische Rüstzeug mit stark veränderten Viren klarzukommen. Die Impfung hingegen stört anscheinend diesen Lerneffekt des Immunsystems.
Nachruf auf die GrippeDiesen Effekt belegte auch eine recht drastische niederländische Arbeit die im Journal The Lancet  erschienen ist. Dafür haben die Wissenschaftler Mäuse verschiedenen Impfungen und nachfolgenden Infektionen in mehreren Kombinationen ausgesetzt:
  • Wurden die Mäuse mit dem saisonalen Impfstoff (H3N2) geimpft und danach mit Vogelgrippe-Viren (H5N1) konfrontiert, so starben sie.
  • Wurden die Mäuse nicht geimpft und dann mit den Vogelgrippe Viren konfrontiert, so starben sie ebenfalls.
  • Wurden die Mäuse mit saisonalem Impfstoff (H3N2) geimpft, danach mit saisonalen Viren (H3N2) infiziert, so überstanden sie im Normalfall die saisonale Grippe, starben aber ebenfalls wieder, wenn sie mit H5N1 infiziert wurden.
Was denken Sie, war die einzige Variante, bei der die armen Versuchsmäuse dieses Experiment überlebt haben?
Folgendes:
Die Mäuse wurden NICHT geimpft, danach aber mit saisonalen H3N2 Viren infiziert. Sie wurden krank und machten eine Grippe durch. Danach waren sie jedoch gegen die ansonsten stets tödlichen H5N1 Viren gewappnet. Sie hatten weniger Viren in der Lunge und erkrankten weniger heftig.
Dieser Effekt wäre auch eine Erklärung dafür, warum in den USA die Sterblichkeit an H1N1 gerade bei Kindern vergleichsweise hoch ist. Die holländischen Wissenschaftler nannten als mögliche Ursache die in den USA wesentlich häufigeren und bereits für Babys ab 6 Monaten empfohlenen Grippeimpfungen.
Wer seine Kinder gegen Grippe impft geht demnach also das Risiko ein, dass diese nur eine "Scheinimmunität" gegen die in der Impfung enthaltenen Antigene erhalten, sich jedoch keine breitere Immunität gegen nachfolgende andersartige Grippeviren ausbilden kann.
Mehr Impfstoff - stärkerer Impfstoff
Anstatt solche Studien zu diskutieren und in ihren Konsequenzen auszuloten und zu verstehen, gehen die Firmen bei den Influenza-Impfstoffen einen anderen Weg: Die Wirksamkeits-Löcher - speziell in der Altersgruppe der Kleinkinder und bei den Senioren über 65 Jahren - sollen durch Wirkverstärker angekurbelt werden. Es gibt bereits eine Reihe derartiger Impfstoffe am Markt. Weil Aluminiumsalze bei der Influenza-Impfung schwere Nebenwirkungen auslösen, müssen hier andere Wirkverstärker verwendet werden. Beispielsweise Squalene - Öl-Wasser-Emulsionen. Ein damit verstärkter Impfstoff - Pandemrix von GSK - erwies sich im Zuge der Schweinegrippe-Pandemie dann als Auslöser der mysteriösen und unheilbaren Narkolepsie. Die davon betroffenen Menschen erleiden in allen möglichen Situationen plötzlich auftretende Schlafanfälle, können deshalb beispielsweise nie einen Führerschein machen und ein Fahrzeug lenken. 
Also probierte man es ohne Wirkverstärker - dafür aber mit einer höheren Dosis der abgetöteten Influenza-Viren. In einer  aktuellen vom französischen Impfstoff-Hersteller Sanofi Pasteur finanzierten Arbeit bekamen ältere Menschen entweder die einfache - oder die vierfache Wirkstoff-Dosis geimpft. Die insgesamt knapp 32.000 Studienteilnehmer wurden über zwei Jahre beobachtet. In der Hochdosis-Gruppe erkrankten 1,4 Prozent, in der Normal-Gruppe 1,9 Prozent an Influenza. Die Autoren - und mit ihnen der Sponsor Sanofi Pasteur - freuten sich über eine um 25 Prozent verbesserte relative Wirksamkeit der neuen Impfvariante. Wie gut die Impfung insgesamt gewirkt hat, konnten - oder wollten - die Forscher nicht beantworten, weil es nämlich keine ungeimpfte Kontrollgruppe gab. Die Autoren schätzen stattdessen die Wirksamkeit: auf ca. 50 Prozent. Dieser Wert, jubeln sie, könnte mit dem neuen Impfkonzept auf 62 Prozent gesteigert werden.
Wir sehen also, dass die Art, wie sich Impfstoff-Konzerne gute Studien vorstellen, gewöhnungsbedürftig ist. Um es einmal milde auszudrücken.Seit Jahrzehnten fordern deshalb unabhängige Wissenschaftler große, gut gemachte Vergleichsstudien von Geimpften mit Ungeimpften. "Nur dann können wir die banalsten Fragen zum Nutzen und zur Sicherheit der Influenza-Impfung beantworten", erklärte mir dazu Cochrane-Experte Tom Jefferson. Derzeit gleiche die Impfung einem Werbeversprechen ohne wissenschaftliche Basis - das gesamte Risiko liege beim Käufer - Garantie oder Haftung im Schadensfall gebe es keine. 
Sind Geimpfte sogar häufiger krank?
Eine löbliche Ausnahme vom Durchführen und Vermarkten schlechter Studien machte ein Team der Universität von Hong Kong. Ihre Studie war zwar nicht groß - doch von ihrem Design her genügte sie höchsten Qualitätsansprüchen: doppelt verblindet, randomisiert - dazu noch ein langer Beobachtungszeitraum. Ein Studiendesign wie es im Impfbereich leider absolute Mangelware ist.
115 Kinder im Alter von 6 bis 15 Jahren wurden zwei Gruppen zugelost. Die eine bekam die Influenza Impfung - die andere eine neutrale Salzlösung als Placebo-Impfung.
Die Forscher wollten eine ganz einfache Frage beantworten: Sie wollten wissen, ob gegen Influenza geimpfte Kinder gesünder durch den Winter kommen.
Wenn der gemessene Effekt groß genug wäre, so würde er auch über eine relativ kleine Gruppe signifikante Resultate liefern.
Die Kinder bekamen also ihre Impfungen und wurden dann über einen Zeitraum von 272 Tagen beobachtet. Wenn Infekte auftraten, wurden die Erreger genauestens bestimmt.
Und das waren die Resultate:
In beiden Gruppen erkrankten 3 Kinder an der echten Influenza. Weil die Impfgruppe mit 69 Kindern etwas größer war als die Kontrollgruppe (46 Kinder) ergab sich daraus ein leicht schützender - jedoch nicht signifikanter - Effekt zu Gunsten der saisonalen Influenza-Impfung.
Ganz anders sah es bei den Nicht-Influenza Infekten aus:
In der Impfgruppe waren 20 Kinder krank, in der Placebogruppe nur 3 Kinder!
Die geimpften Kinder hatten demnach ein mehr als vierfach höheres Risiko, dass sie an Nicht-Influenza-Infekten (hsl. durch Rhino- und Coxsackie-Viren) erkrankten.
Damit ist die - von Erwachsenen - oft gehörte Aussage: "Ich war noch nie so oft krank, wie in dem Jahr, wo ich gegen Grippe geimpft wurde" - erstmals auch wissenschaftlich belegt.
Die Autoren erklären den erstaunlichen Effekt so: "Die Influenza-Geimpften erleiden möglicherweise eine temporäre Abwehrschwäche gegen andere virale Atemwegs-Infekte"
Todesfälle: Ganz sicher kein Zusammenhang?
Kommen wir an dieser Stelle noch einmal kurz zu unserer oben erwähnten Sanofi-Pasteur Studie mit den Senioren zurück. Wie sah es hier mit den möglichen Nebenwirkungen der Impfung aus? Gerade ältere Menschen kommen ja mit einer "temporären Abwehrschwäche" - speziell in der kalten Jahreszeit - wesentlich schlechter zurecht als Kinder.
Nochmals kurz zur Erinnerung: Der Schutzeffekt der Impfung wurde auf 50% geschätzt. Wären die Teilnehmer nicht geimpft gewesen, wären in den beiden Studienjahren demnach rund 2,8 bis 3,8 Prozent an Influenza erkrankt.
Im Abschnitt zur Sicherheit heißt es, dass bei 8,3 bis 9,0 Prozent der Teilnehmer mindestens eine ernsthafte negative gesundheitliche Auswirkung aufgetreten ist. Mehr als 200 Studienteilnehmer brachen deswegen ihre Teilnahme ab. Vor allem wurden hier Herzprobleme und Infektionen genannt. 167 Personen starben im Studienzeitraum - die Autoren erklären jedoch, dass keine Todesfälle mit der Impfung in Zusammenhang standen.
Auch das Paul Ehrlich Institut (PEI) berichtet in seinem eben erschienenen Jahresbericht 2013 über gemeldete Nebenwirkungen nach Impfungen, dass sieben von acht gemeldeten Todesfällen bei Erwachsenen nach der Influenza-Impfung aufgetreten sind.
Ein kausaler Zusammenhang zur Impfung bestehe aber nicht, schreibt das PEI, denn: "Sieben ältere Personen starben wenige Stunden bis zwei Monate nach verschiedensten Grippeimpfstoffen an den Folgen einer anderen Erkrankung, wie z.B. einer Pneumokokkensepsis oder einem Herzinfarkt, und nicht durch die Impfung."
Dass die Influenza-Impfung einen negativen Einfluss auf das Immunsystem und die Abwehrkraft der Patienten haben könnte, das kommt den Sachverständigen des PEI gar nicht erst in den Sinn.
Und somit wird auch in diesem Herbst - zuverlässig wie jedes Jahr - wieder ein behördlich unterstütztes Werbegewitter für die Grippe-Impfung auf uns nieder gehen.
Wir werden aber immerhin etwas mehr wissen.
Nämlich:
  • dass die Influenza-Impfung schauderhaft schlecht wirkt - sogar in Jahren, wo das Viren-Roulette glückt. 
  • dass die Influenza-Impfung schauderhaft schlecht auf ihre Sicherheit untersucht ist
  • und dass die Impfung möglicherweise dazu beiträgt, dass im Winter deutlich mehr Krankenstands- und Pflegetage anfallen als dies ohne Impfung der Fall wäre


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