Unvermeidbar ist ein Papierbuch für mich, wenn es entweder einen Inhalt hat, der sich auf Papier einfach besser rüberbringen lässt (Beispiel Bildband oder Schmuckband) oder der Inhalt aus heute eigentlich unerfindlichen Gründen (noch) nicht als eBook verfügbar ist, er mir aber unmittelbar wichtig erscheint.
Ich lese heute tagsüber meist auf dem iPhone und abends im Bett auf dem iPad. Das iPhone habe ich immer dabei, so dass ich mein Lesebedürfnis immer befriedigen kann, ohne einen Buchberg mitzuschleppen. Vorteil Mobilität, Nachteil kleines Display.
Das iPad habe ich nur zur Hand, wenn ich es extra einstecke oder eben daheim. Auch hier habe ich meine ganze Bibliothek im Zugriff. Vorteil Displaygröße, Nachteil geringere Mobilität.
Auf dem Laptop lese ich nur noch, was mir während sonstiger Arbeit darauf gerade vor die Augen kommt. Wenn ich es aber nicht sofort lesen muss, verschiebe ich es auf iPad oder iPhone.
Und nun, Buchhändler, hergehört: Ich benutze euch, ohne, dass ihr davon etwas habt.
Klingt hart, ist aber so. Ich gehe gern in Buchläden. Da lässt sich so schön stöbern. Ein Buch anzufassen, darin zu blättern, Bücher ausgebreitet zu sehen, zwischen den Abteilungen einfach wechseln zu können… das ist toll. Ein Besuch im Buchladen ist immer total anregend, finde ich. Da schnappe ich ganz viele Leseideen auf.
Nur kaufen tue ich dort nichts mehr.
Was hat der Buchhandel davon? Nichts. Er liefert mir nur ein nettes Ambiente und eine Form der Übersicht, wie sie mir kein online Shop bieten kann. Ich halte den Buchhandel, nein, besser: die physische Buchpräsentation, also nicht für überflüssig. Auf keinen Fall! Ich liebe Bücher zum Anfassen, Stöbern. Regale sind toll, um sich inspirieren zu lassen.
Nur weiß ich nicht mehr, warum ich dann so ein Papierbuch (pBook) dort oder überhaupt kaufen soll.
Papierbücher haben ein paar Vorteile. Aber sie haben auch eine Menge Nachteile. Die sollte man nicht versuchen, als Vorteile oder auch nur als notwendige Attribute von Büchern zu verkaufen.
Mit eBooks bin ich sehr viel näher am Impulskauf als mit pBooks. Heute ist ihr Kauf schon leichter: ein Link, dem ich zu Amazon folge, ein Klick, mit dem ich kaufe, ein weiterer Klick und ich habe das Buch auf meinem Rechner. Das dauert 20 Sekunden. Dafür musste ich mich nicht aus dem Haus bewegen und noch nicht einmal warten.
Günstiger ist der Kauf allerdings noch nicht. Das hält mich manches Mal noch davon ab, drauf zu klicken. Kindle-Bücher, die mehr als ihr papierernes Pendant kosten, sind widersinnig und kontraproduktiv. Doch das ist ein Problem der Verlage, nicht des Buchhandels.
Bücher sind toll. Buchläden sind toll. Deshalb kaufe ich aber noch lange nicht im Buchladen. Das ist meine Botschaft an den Buchhandel. Ich nutze ihn gern, trinke auch mal ein Käffchen beim Stöbern – doch einkaufen tue ich nicht mehr im physischen Laden. Und damit bin ich sicherlich nicht allein.
Die schlechte Nachricht ist also, dass der Buchhandel an mir und vielen anderen nicht mehr mit seinem Hauptprodukt verdienen kann. Jedenfalls nicht so, wie in den letzten 200 Jahren. Umdenken ist also nötig. Besser schnell als langsam. Denn der breite Umbruch steht vor der Tür, wenn Smartphones wie Pads besser und preiswerter werden. Bisher sind iPhone und iPad ziemlich einsam in der Qualität, finde ich – aber noch recht teuer. Doch Android und WP7 schlafen nicht, sie zögern nur. In 2-3 Jahren sieht der Device-Markt sicher rosiger aus.
Doch es gibt auch eine positive Nachricht: Ich und sicher auch viele andere lieben ja das Stöbern in langen, bunten Buchregalen. Wir haben also ein Interesse daran, dass es Buchläden weiterhin gibt. Wir möchten beides: bequem und preisgünstig mit unseren Devices lesen und (!) Bücher aufstöbern in angenehmer Atmosphäre.
Ich wünsche mir daher einen Dialog mit dem Buchhandel oder der ganzen Buchproduktionskette. Wo ist das Forum, in dem Leser, Buchhändler, Grossist und Verlage darüber diskutieren, wie für alle Beteiligten die Zukunft aussehen könnte?
Klar, es geht auch ohne Diskussion. Dabei wird es dann aber vor allem einen Gewinner geben: die Leser. Selbst wenn es radikal weniger Buchläden geben sollte, täte uns das nicht so weh wie den Buchläden selbst. Uns ist es relativ egal, ob wir Amazon oder libri unser Geld geben. Wenn wir aber unser “Stöbererlebnis” erhalten könnten, würde uns das noch besser gefallen.
Also, wann beginnt der Dialog zwischen der heute schon existierenden Zukunft der Leserschaft und dem Buchhandel? Wo ist der Buchhändler, der eBook-Leser wirklich ernst nimmt und uns ein unwiderstehliches Angebot macht? Apps wie “stories unterwegs” sind ja nett – deshalb kaufe ich aber kein pBook in dem Buchladen.
Und wann nehmen Verlage den Buchhandel als wertvollen Mittler zum eBook-Leser wahr? Derzeit sind die eBook-Margen marginal für den Buchhandel. Der ist also gar nicht motiviert, ein eBook statt eines pBook zu verkaufen. Er muss sich also quasi an die Planken des untergehenden Schiffs pBook klammern. Damit tun sich Verlage mittelfristig keinen Gefallen. Denn: Wenn der bunte Buchhandel vor Ort entfällt, konzentriert sich der Buchverkauf noch mehr auf die wenigen großen online Buchhändler, allen voran Amazon. Und die setzen dann die Daumenschrauben an. Ach was, das haben sie schon. Verlage sind also gut beraten, sich auch besser schnell als langsam mit dem lokalen Buchhandel zu verbünden zum Thema eBook.
Im Moment gehöre ich wohl noch zur Avantgarde der Buchleserschaft, wenn ich 90% als eBooks lese. Doch das ändert sich in den nächsten 5-10 Jahren. Ich würde mich deshalb freuen, wenn mir schöne Buchstöbererlebnisse auch darüber hinaus erhalten blieben. Noch ist es für den Buchhandel nicht zu spät. Ich hoffe, er kriegt die Kurve.