Nachhaltigkeit ist ein schlechtes Geschäftsmodell

Seit mehr als 4 Jahre bin ich jetzt als Geschäftsmann tätig. Die Branche: Nachhaltigkeit. Wir produzieren nachhaltige Güter und versuchen, Einweggegenstände aus dem Alltag durch nachhaltige, mehrfach verwendbare Produkte zu ersetzen. Dabei musste ich feststellen, dass das ein «undankbares» Geschäftsmodell ist. Ich kann jeden Geschäftsmann/Frau verstehen, die lieber auf Einweggegenstände setzt.

Hier ein paar Kostproben von Produkten, welche wir verkaufen:

  • Wiederverwendbare/waschbare Abschminkpads anstelle Wattepads
  • Rasierhobel anstelle von Einwegrasierer
  • Bienenwachstücher anstelle von Klarsichtfolie und Alufolie
  • Gestrickte Küchenlumpen anstelle von Einweglumpen
  • Silikonbeutel anstelle von Zipperbags
  • Menstruationstassen anstelle von Tampons
  • Strohhalme aus Edelstahl für die Mehrfachverwendung anstelle von Einweg-Strohhalmen aus Plastik
  • Waschbare Taschentücher aus Stoff
  • Stilleinlagen aus Stoff

Sicher gibt es noch ganz viele andere Produkte.

Nachhaltigkeit ist ein schlechtes GeschäftsmodellGuter Ersatz für herkömmliche Einwegrasierer

Wo liegt das «Problem» von mehrfach verwendbaren Produkten?

Ich stelle mir die Gillettes, die Johnson & Johnsons und all die anderen grossen Hersteller vor. In Anzügen und Krawatten sitzen sie um einen grossen runden Holztisch und legen die Umsatzziele für das kommende Jahr fest. Umsatzziele, welche Einfluss auf den Lohn haben. Mr. Marketingmanager lanciert seinen Rasierhobel, welcher einschlägt wie eine Bombe, die Leute kaufen wie wild, der Umsatz schnell in die Höhe, um im darauf folgenden Jahr gegen 0 zu verebben. Das Produkt ist so gut, so langlebig, dass du für die kommenden Jahrzehnte keinen neuen Rasierhobel mehr brauchst. Top Bonus im ersten Jahr, die Entlassung im zweiten Jahr. Ein überspitztes Beispiel, aber es bringt das Problem auf den Punkt.

Wie also bringst du die Kunden dazu, dass sie nach 1 oder 2 Jahren ein neues Produkt kaufen und ihr noch funktionierendes Produkt ersetzen? – Neue Funktionen hinzufügen à la besser, schneller, kleiner.

Kommt dir das bekannt vor?

Genau, nämlich aus der Mobilfunkbranche: Apple ist Meister darin: “Das leichteste iPad”, “das schnellste iPhone, dass es je gab” usw. dabei würde das alte Handy noch längsten für den täglichen Besuch auf Instagram reichen und auch Fruit Ninja geht mit dem alten noch und telefonieren sowieso. Ist das Nachhaltigkeit?

Nun gut, wir sind in einer Lowtech Branche unterwegs. Ein Abschminkpad bleibt ein Abschminkpad. Wir können neue Farben und Muster auf den Markt bringen, doch das kann auch nicht das Ziel sein. Ein Bienenwachstuch hat eine Lebensdauer von 1-2 Jahren, Abschminkpads auch, Rasierhobel können Jahrzehnte halten. Wir wollen nicht, dass Kunden auf einen Marketingzug aufspringen und einen voll funktionsfähigen Rasierhobel ersetzen, nur weil eine neue Farbe da ist, denn das wäre kaum nachhaltig.

Auch klassische Verkäufer sind von diesem Problem betroffen. Produkte, welche den Kunden nicht dazu bringen, regelmässig Nachschub zu kaufen sind schlecht. Beispiel Ecoegg. Ursprünglich gab es die Ecoeggs in einer 720er Verpackung zu kaufen. Sprich, das Ei wurde mit genügend Refills verkauft, um 720 Waschgänge zu machen (das entspricht mehreren Jahren Wäschen mit einem Ei). Etwa im 2020 haben sie dann die Packungen verkleinert und sind aktuell nur noch in 70er Grössen zu kaufen. Grund: Die Läden haben sich «beschwert», dass die Kunden nicht mehr in den Laden kommen müssen, wenn sie das Produkt einmal haben. Absolut nichts gegen das Ecoegg. Es ist ein tolles Produkt, aber auch Ecoegg muss Geld verdienen und setzt gewisse Strategien ein.

Das führt gleich direkt zum nächsten Punkt.

Einweg Rasierer, nichts von NachhaltigkeitEinweg-Rasierer, hier gibt es sinnvolle alternativen

Die Vorteile von Einwegprodukten

Einwegprodukte haben ein paar gewaltige Vorteile:

  1. Sie bringen dem Hersteller eine stetige Einnahmequelle. Das haben z.B. auch Softwarehersteller gemerkt. Früher kaufte man noch ein Programm und konnte es unendlich lange brauchen. Heute gehen praktische alle Hersteller in die Richtung eines Abomodells, um monatlich ein bisschen Geld abzuschöpfen. Nehmen wir Tampons: Ein Zyklus von 28 Tagen, pro Zyklus werden 10-20 Tampons verwendet, ergibt 130 – 260 Tampons pro Frau pro Jahr. Wenn ich als Hersteller gescheit bin, mache ich somit ein Tampon Abo und kann jeder Frau monatlich 10-20 Tampons verkaufen und das so budgetieren. Eine nie versiegende Einnahmequelle.
    Ganz anders die Menstruationstasse. Einmal gekauft hält sie einige Jahre.
  2. Sie passen perfekt in unsere faule Gesellschaft. Aufreissen, verwenden, wegwerfen. Ich muss mir keine Gedanken um die Reinigung machen. Nehmen wir das Beispiel “Strohhalme”. Wenn du damit ein Smoothie trinkst, dann bleiben Rückstände im Röhrli drin. Du wirst nicht drum herumkommen, das Röhrli mit einer kleinen Bürste zu reinigen. Das ist einiges aufwändiger, als es einfach in den Müll zu werfen und beim nächsten Mal wieder bei 0 anzufangen.
  3. Dann wäre hier noch der Preis. Jedes Mal, wenn ich im Mediamarkt bin, bin ich schockiert und überrascht, was man alles auf Raten kaufen kann. “Kunden haben die Möglichkeit, mit der MediaMarkt Shopping Card Einkäufe mit Ratenzahlung zu begleichen.” Kurz: Ich kann alles auf Raten kaufen.
    Ich bin noch so aufgewachsen, dass Schulden schlecht sind und die einzigen akzeptablen Schulden eine Hypothek für ein Eigenheim sind. Also, ob Auto, Ferien oder der neue Fernseher: Wenn es nicht aus dem Sack bezahlt werden kann, dann lieber noch ein bisschen warten. Ich bin ziemlich veraltet, denn scheinbar wird alles auf Raten gekauft, anstatt ein paar Monate (oder Jahre) zu warten und dann gleich alles auf einmal zu bezahlen.
    So scheint es auch bei den Einwegprodukten: Die sind einfach spottbillig und stehen oftmals im Gegensatz zu hohen Initialkosten von Mehrfachprodukten… spätestens seit der “Geiz ist Geil” Mentalität ist das natürlich viel einfacher zu vermarkten.

Kurz gesagt: Ich habe ein gewisses Verständnis für Geschäftsleute, welche lieber auf Einwegartikel setzen. Es ist der einfachere Weg. Wir setzen auf Nachhaltigkeit.

Aber es ist nicht unser Weg.

Ich bin passionierter Läufer. Ich liebe es einen steilen Berg hinaufzurennen, lange Distanzen über einen Bergkamm zu rennen oder früh am Morgen loszurennen, um den Sonnenaufgang von der Bergspitze zu bewundern. Es ist anstrengend. Es ist schwierig, aber die Freude und Befriedung über ein erreichtes Ziel umso grösser. Daher nehme ich diesen Challenge gerne an.

Was heisst das für unser Geschäft?

Wir werden immer im Hinterkopf behalten und unsere Produkte so entwickeln, dass sie mehrfach verwendet werden können und wahrscheinlich gibt es noch viele solche Produkte zu entwickeln. Es heisst aber auch, dass wir kaum Produkte haben werden, die über Jahre hinweg “gut laufen”, weil unser Kundenstamm für ein gewisses Produkt mit jedem Verkauf kleiner wird, somit ist der Umkehrschluss, dass wir uns ständig neu erfinden müssen.

Zurück zu “Nachhaltigkeit ist ein schlechtes Geschäftsmodell”. Besser wäre wahrscheinlich: “Nachhaltigkeit ist ein schwieriges Geschäftsmodell”, aber schlussendlich das einzig richtige und hat eigentlich zum Ziel, dass wir Kunden weniger konsumieren. Das Geschäftsmodell mit Einwegprodukten suggeriert ein ständiges Wachstum und eine ständige Einnahmequelle. Das Mehrwegmodell muss andere Wege und Mittel finden… das wird unser Weg für die kommenden Jahre sein.

Klingt nach einer spannenden Mission: Der Feldzug gegen Einwegprodukte. Was ist dein Lieblings-Einwegprodukt? Bist du bereit, einen Mehraufwand für Reinigungsarbeiten zu leisten, um einen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten?


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