Ist es okay, in arme Länder zu reisen? Tut es Einheimischen eher Gutes oder Schlechtes? In diesem Beitrag geht es darum, wie wir (nicht nur) in Entwicklungsländern nachhaltiger reisen können. Außerdem gibt es ein anschauliches Beispiel mit meiner ganz persönlichen Bilanz nach 10 Tagen Myanmar.
Eigentlich habe ich geplant, einen Beitrag zur (Öko)Bilanz meiner letzten Reise nach Myanmar zu erstellen. Ich wollte mich selbst dabei kontrollieren, wie nachhaltig ich auf dieser 10-tägigen Reise unterwegs war. Davon berichte ich auch ausführlich im zweiten Teil des Artikels.
Ein kürzlich erschienener Beitrag in der Zeit hat mich aber dazu motiviert, meinen Artikel mit einer anderen Frage einzuleiten.
Ist es okay, in armen Ländern Urlaub zu machen?
Genau das war der Titel des Beitrags in Zeit-Online. Vielleicht ist deine erste Reaktion ähnlich wie meine und du wunderst dich, was diese Frage soll. Warum sollte es denn nicht okay sein? Ist es nicht gerade der Tourismus, der vermeintlich ärmeren Ländern zu mehr Wachstum verhilft?
Als Gegenargumente führt die Autorin an, dass Tourismus Abhängigkeiten schafft, die auf lange Sicht eben nicht nachhaltig sind. Es wird von einer Tourismusblase gesprochen, die durch Besuche von westlichen Reisenden entsteht.
Ein anderer Kritikpunkt ist, dass die Begegnungen zwischen “reichen” Touristen und Einheimischen nicht auf Augenhöhe stattfinden, sondern eher zwischen einem Konsumenten und einem Dienstleister.
Das Gegenargument lautet, dass die Situation in Entwicklungsländern durch den fernbleibenden Tourismus ganz sicher nicht besser wird. Hausgemachte Probleme wie Korruption, Prostitution, Armut und mangelnder Naturschutz müssen durch die Landespolitiker gelöst werden.
Zwei komplett unterschiedliche Meinungen, die wohl beide nicht ganz falsch sind. Was denkst du, hilft das Reisen in arme Länder mehr als es schadet oder umgekehrt?
Du wirst sicher mit mir übereinstimmen, dass es ganz auf die Art und Weise ankommt, wie wir reisen. Verhalten wir uns respektvoll den Einheimischen gegenüber und achten darauf, dass unser ausgegebenes Geld der lokalen Wirtschaft zugute kommt, dann handeln wir wohl nachhaltig.
Nachhaltig können Reisen in Entwicklungsländer dann sein, wenn die dort herrschenden Ungleichheiten nicht zu negativ ausgenutzt werden.
Wir sollten uns ganz gewiss nicht als Wohltäter betrachten, wenn wir in arme Länder reisen. Wir sind am Ende Konsumenten und dringen in den Alltag von Einheimischen ein. Für diese erscheint es allzu oft als beste Wahl, am boomenden Tourismus mitverdienen zu wollen.
Was würde jedoch passieren, wenn wir fernbleiben? Der lokale Touristenführer müsste zurück auf’s Land und der sowieso geringe Verdienst würde noch weiter sinken. Das Hotelpersonal wäre wieder von Almosen der Regierung abhängig, wenn keine Reisenden mehr einchecken.
Probleme wie Prostitution, Umweltverschmutzung und der Verfall kulturellen Erbes liegen dabei aber auch in unserer Verantwortung. Wenn wir uns so verhalten, wie wir das selbst auch von Fremden erwarten würden, dann können Reisen in Entwicklungsländer nicht nur den Menschen vor Ort helfen, sondern auch zu einem besseren Verständnis untereinander beitragen.
Meine Bilanz einer 10-tägigen Reise nach Myanmar
Myanmar ist ein ziemlich perfektes Beispiel für Reisen in weniger entwickelte Länder. Das Land leidet unter schlechter Bildung, Unterdrückung von Minderheiten, Problemen mit Drogenmissbrauch, Prostitution und den Folgen des lange währenden Militärregimes.
Ist es also okay, in ein solch relativ isoliertes Land zu reisen, in dem Menschenrechte missachtet werden und das nominale BIP pro Einwohner etwa 1/30 des deutschen Durchschnitts beträgt?
Zur Erinnerung: nachhaltiges Reisen bedeutet, ökologisch, ökonomisch und kulturell verantwortungsvoll unterwegs zu sein. Neben den gut messbaren Umweltauswirkungen der Reise geht es auch darum, Einheimischen mit Respekt zu begegnen und darauf zu achten, dass das Geld direkt dem Reiseziel zugute kommt.
Es macht also Sinn, auf All-Inklusive-Angebote zu verzichten, einheimische Reiseführer zu nehmen, regionale Produkte zu kaufen und landestypische Gerichte zu essen. Die Umweltauswirkungen können vor allem dadurch reduziert werden, dass Reiseziele nicht zu weit entfernt sind und Transportmittel bewusst gewählt werden.
Ökologische Bilanz
Stichpunkt Transportmittel. Nachdem unser ursprünglicher Flug nach Yangon durch Air China eine Woche vor Abflug gestrichen wurde, bestand die einzig erschwingliche Alternative in einem Flug mit jeweils eintägigem Stopover in Vietnam.
In Myanmar sind die Wege zwischen den Hotspots zwar nicht sehr lang, dauern aber aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse mit dem Bus eine Ewigkeit. Die Alternative sind günstige Inlandsflüge mit nationalen Airlines.
Ein Beispiel: der Bus von Bagan nach Mandalay braucht 7 Stunden und kostet um die 10 USD. Der Flug dauert 30 Minuten und kostet 20 USD (inklusive einiger Luftlöcher, die bei der kleinen Maschine ganz besonders angenehm waren). Aufgrund der geringen Flughöhe halten sich die negativen CO2-Emissionen zwar in Grenzen, dennoch stimmt hier das Kosten/CO2-Verhältnis nicht.
Die entstandenen CO2-Emissionen aller Flüge und unserer weiteren Transportmittel habe ich in der folgenden Grafik veranschaulicht.
Gesamtbilanz der 10 Tage: 9023 km gereist und dabei 1874 kg CO2-Emissionen verursacht
Zum Vergleich: die durchschnittlichen jährlichen CO2-Emissionen pro Person in Deutschland liegen bei 10.630 kg. Damit habe ich gut ein Sechstel meines Jahresbudgets in nur 10 Tagen aufgebraucht. Und die zusätzlichen Emissionen durch die Übernachtung in Hotels und das Essen in Restaurants sind noch gar nicht mit einbezogen.
Mein schlechtes Gewissen klingt etwas ab, wenn ich mir Angebote von angeblich nachhaltigen Reiseveranstaltern ansehe. Das Portal für nachhaltiges Reisen Traverdo bietet beispielsweise eine 13-tägige Individualreise nach Myanmar an. Es werden dort Nachhaltgkeitssiegel erwähnt, die der Anbieter dieser Reise haben muss.
Wenn ich mir die Details der Tour anschaue, dann sehe ich aber auch hier 3-4-Sterne-Hotels, alle Transporte in privaten, klimatisierten Fahrzeugen, Vollverpflegung und inländische Flüge für alle längeren Strecken. Auf die Verursachung von 5.820 kg CO2 durch Hin- und Rückflug wird hingewiesen und die Kompensation bei Atmosfair empfohlen.
Ein ähnliches Angbeot gibt es im Forum Anders Reisen. Die Leistungen werden hier noch um die Gepäckträgergebühren an den Flughäfen und Anlegestellen erweitert. Klingt das nach einer nachhaltigen Reise für dich? Meine Vorstellung davon sind etwas anders.
Wenn ich mir die Webseiten der Reiseveranstalter dann anschaue, dann fällt mir zuerst ins Auge, dass ich die Reisekataloge im Hochglanzformat per Post bestellen kann. Das weckt zumindest bei mir ein großes Unbehagen (Papier, Druck, Lieferung, …).
Was bei diesen Anbietern dann, bis auf all die netten Siegel, wirklich nachhaltig ist, das kann ich auf den ersten Blick bei bestem Willen nicht erkennen.
Ökonomische Bilanz
Bis auf den kurzfristig gebuchten Ersatzflug war die Reise für uns echt günstig. Das bedeutet natürlich nicht, dass unsere verhältnismäßig geringen Ausgaben, nicht doch ein paar Menschen in Vietnam und Myanmar unterstützt haben.
Sowohl in Hanoi als auch Saigon haben wir die Unterkünfte über Airbnb (private Wohnungen von Einheimischen) gebucht und leckere Pho’s (Nudelsuppen) auf der Straße gegessen. Ökonomisch gesehen ist das für mich sehr nachhaltiges Reisen.
In Myanmar gibt es kaum Angebote über Airbnb und die Unterkünfte teilen sich in schlechte 3-Sterne-Hotels und Weltklasse-Hotels und Ressorts. Das Straßenessen war nichts für unseren Geschmack und selbst für asiatische Verhältnisse aus hygienischer Sicht eine Katastrophe.
Wir haben teilweise in echten Absteigen geschlafen, uns aber auch ein nettes Ressort in Bagan gegönnt. Ökosiegel sind bei den Unterkünften ohnehin Fehlanzeige. Was mir wichtig war, ist dass wir nicht in einer der internationalen Hotelketten, sondern in lokal betriebenen Hotels übernachten.
Das Gleiche galt auch für unsere Mahlzeiten. Da Starbucks, McDonalds & Co in Myanmar nicht existieren, war es nicht schwer, nur in lokalen Restaurants zu essen. Ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass ein großer Anteil unseres ausgegebenen Geldes entweder direkt einem Burmesen oder zumindest der lokalen Wirtschaft zugute gekommen ist.
Traditionelle Gesichtsbemalung in Mandalay: “Begegnung auf Augenhöhe”
Sozio-kulturelle Bilanz
In der sozio-kulturellen Ebene geht es darum, das kulturelle Erbe, traditionelle Werte und die Einzigartigkeit von Einheimischen zu respektieren sowie zu interkulturellem Verständnis und Toleranz beizutragen.
Im Klartext: keine Pagodas beschädigen, keine Besuche im Rotlichviertel, kein Müll auf den Straßen hinterlassen und Einheimischen auf Augenhöhe zu begegnen.
Wenn ich unterwegs bin, dann kommt es nicht selten vor, dass ich mich für andere Touristen fremdschämen muss. Das passiert vor allem dann, wenn die Privatsphäre von Einheimischen nicht respektiert (z.B. durch Fotos) oder im Restaurant der gleiche Service wie zu Hause erwartet wird.
Ich finde es vollkommen okay neugierig zu sein, solange dabei der Respekt bewahrt wird. Wenn ich ein Foto von einem Essenstand oder einem Einheimischen schießen will, dann frage ich die jeweilige Person ganz einfach. Auf diese Weise entstehen nicht selten nette Konversationen und es zeigt ganz einfach gute Manieren.
Ein weiterer Punkt ist arrogantes Verhalten. Mit wenig Geld können wir uns in ärmeren Ländern wie Myanmar vieles leisten, jedoch müssen wir uns deshalb nicht wie die Könige aufführen. Unverschämt hohe Trinkgelder zu geben, kann genauso herablassend wirken, wie sich das schwere Gepäck von einem 10-jährigen Jungen tragen zu lassen.
Nachhaltig sind für mich Begegnungen, die für beide Seiten angenehm sind. Eines der vielen spannenden Erlebnisse in Myanmar hatten wir mit dem Künstler Myo Zaw, worüber ich bereits geschrieben habe. Solche Begegnungen mit Einheimischen haben uns Einblicke in die Kultur gegeben, die uns sicher kein Reiseführer hätte geben können.
Ein weiteres tolles Erlebnis war eine Show der “Moustache Brothers” in Mandalay. Wenn du jemals dort sein solltest, dann kannst du dir das auf keinen Fall entgehen lassen. Die mutigen Brüder machen sich seit Jahrzehnten mit satirischer Comedy über die korrupte Regierung lustig und sorgen damit für Beachtung im Ausland.
Wie lautet nun das Fazit?
Insgesamt gesehen denke ich, dass die kurze Reise relativ nachhaltig war. Natürlich können die CO2-Emissionen der Flüge nicht durch Ausgaben vor Ort und nette Gesprächen mit Einheimischen ausgeglichen werden. Die einzige Alternative wäre jedoch, zu Hause zu bleiben.
Durch solche Reisen können zum einen unterentwickelten Ländern wie Myanmar finanziell geholfen werden und zum anderen tragen sie zum besseren Verständnis zwischen den jeweiligen Kulturen bei. Deshalb sage ich: wer bewusst und respektvoll reist, der kann besonders in Entwicklungsländern viel Gutes tun.
Warum ich auch in der Zukunft nicht auf solche und ähnliche Ausflüge verzichten will, zeigt ein kurzes Video mit Eindrücken aus Myanmar. Viel Spaß damit und immer schön nachhaltig denken.
Lebe rastlos, zeitlos und grenzenlos