Danny Boyle gehört zu den innovativsten, britischen Regisseuren der letzten 20 Jahre Filmgeschichte. Statistisch ist jeder Dritte seiner Filme ein Kracher. Dazwischen experimentiert er und wird nicht müde, frische Ideen aus zu probieren. So eindrucksvoll solche Filme, wie „Trainspotting“ und „Slumdog Millionär“ auch waren, so sehr gefallen mir eben die Filme, in denen er irgendwie einen Gang zurück schaltet, wenn es um Starpower und Action geht – eben die Eigenschaften eines potentiellen Blockbusters – und stattdessen experimentiert. Dabei entstehen Filme, die irgendwie klein daher kommen. Sie sind nicht unfertig oder unzureichend, sondern einfach kleiner. Oft lastet auf diesen Filmen kein besonders großer Druck – ein weiterer Pluspunkt. Boyle erzählt obendrein spannende Geschichten und so kommt man in den Genuss solcher Kleinode, wie „Sunshine“, „127 Hours“ und „Trance“.
Simon arbeitet in einem Auktionshaus. Eines Tages soll ein besonders wertvolles Bild versteigert werden. Dies ist auch der Tag, an dem Franck und seine Gangster-Kumpel auftauchen, um das Bild zu klauen. Die Mitarbeiter sind auf einen solchen Fall natürlich vorbereitet. Gemäß dem Training bringt Simon das Gemälde in Sicherheit, wird allerdings von Franck entdeckt, der ihm eine auf den Kopf gibt und die Tasche mitgehen lässt.
Zu früh gefreut, denn die Tasche ist leer. Simon liegt im Koma und er ist der einzige Mensch, der weiß, wo das Bild ist.
Als Simon eines Tages erwacht, krallt sich Franck den Komplizen. Nach stundenlanger Folter stellen sie fest, dass Simon tatsächlich alles vergessen hat. Also wird er zu einer Psychologin geschleppt, deren Spezialität Hypnose ist. Schon bei der ersten Sitzung stellt sie fest, dass in Simons Kopf einiges Durcheinander zu herrschen scheint. Die Gangster tun sich mit ihr zusammen, um letztendlich gemeinsam die Erinnerung zu finden, die sie zum Gemälde führt. Dabei stoßen sie auf Erinnerungen, die besser in Simons Kopf geblieben wären.
Dieser Film beginnt Boyle-Typisch rasant mit einem beeindruckenden Überfall. Allein diese ersten Minuten sind vollgestopft mit Hinweisen und Reizen und der Fokus des Zuschauers wird immer wieder auf kleine Details gelenkt. Man muss in diesen Minuten höllisch aufpassen, damit einem ja nichts entgeht und sich am Ende alles auflöst. Zumindest soll man das denken. Dann wird es ruhiger und Boyle arbeitet mit handwerklichem Standard. Hierbei nutzt er vor allem Dialoge, etwas was nicht immer seine Stärke zu sein scheint. In diesem zweiten Akt des Filmes wird nach meinem Geschmack zu viel erklärt. Dieser Sendung-Mit-Der-Maus-Touch passt irgendwie nicht zu den Charakteren und zum sonstigen Stil Boyles. Relativ schnell kriegt er allerdings die Kurve und kreiert im nächsten Akt ein absolutes Durcheinander an mehreren Ebenen visueller und inhaltlicher Form. Man verliert völlig den Überblick. Besonders diesen Teil des Films konnte ich genießen, war ich mir doch sicher, es würde am Ende alles aufgeklärt werden. Und so kommt es auch. Alles wird bis ins kleinste Detail erklärt und serviert. Hätte man nicht wenigstens ein kleines bisschen noch offen lassen können? Die Erklärung des Ganzen ist mir zu einfach gewesen. All dieses Kuddel-Muddel in Simons Kopf und all die vielen kleinen Details und Bilder laufen zu einem irgendwie unbefriedigenden Ende hinaus.
„Trance“ ist cool, aber nicht zu cool. Offensichtlich ist dies einer der kleineren Filme Boyles. James McAvoy und Rosario Dawson sind aber Schauspieler, die ich immer wieder gerne sehe, auch wenn ihre Figuren ein bisschen oberflächlich zu sein scheinen. Schön ist, dass Boyle einen frischen visuellen Stil geschaffen hat, der weniger auf CGI basiert, sondern viel mit analogen und handwerklichen Effekten arbeitet. Ich bin gespannt, wie und ob dieser neue Stil in seinen kommenden Projekten Anklang findet.
Trance (GB, 2013): R.: Danny Boyle; D.: James McAvoy, Rosario Dawson, Vincent Cassel, u.a.; M.: Rick Smith; Offizielle Homepage
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