Nach 77 Jahren wieder vereint? Installation zur #kunstjagd

Nach 77 Jahren wieder vereint? Installation zur #kunstjagd

Ein vor 77 Jahren verschollenes Gemälde, dem über 30 Menschen ihr Leben verdanken. Eine transmediale Spurensuche, an der sich über 1000 Menschen beteiligt haben. Eine Recherche-Reise, die nun in eine 45-minütige TV-Dokumentation und eine Installation im Jüdischen Museum München mündet. Das ist die #kunstjagd.

Das Rechercheteam “Follow the Money” (FtM) ist in Kooperation mit der Gebrüder Beetz Filmproduktion im Mai 2015 zu einer Livesuche angetreten. Man hat  tatsächlich ein Gemälde gefunden, das jenes sein könnte, das Paula Engelberg 1938 – auf welchem Weg auch immer – gegen ein Visum in die Schweiz eingetauscht hat, mit dem sie ihren Mann Jakob aus der Schutzhaft im Konzentrationslager Dachau befreite. Ihr Sohn Edward glaubt, es wiederzuerkennen. Doch seine Erinnerung ist nach 77 Jahren brüchig. Ist es also wirklich das verschollene Gemälde?

Zurück ans Licht, das hat die Kunstjagd versucht, und ist dabei in den zwei Monaten sehr weit gekommen. Über eine Viertelmillion Menschen kennen jetzt den Künstler Otto Th. W. Stein und die Geschichte der Engelbergs, haben die transmediale Liverecherche unterstützt, mitdiskutiert, Ideen geliefert und eigene Familiengeschichten erzählt.

Für die Installation im Jüdischen Museum München entleiht Edward Engelberg das Zwillingsgemälde von Otto Th. W. Stein aus Portland, das die Familie in die Emigration mitnehmen konnte. Das Rechercheteam stellt seine Ergebnisse vor und vielleicht ja auch das verschollene Gemälde.

Auf dem Online-Portal kunstjagd.com begann die Recherche mit eine Blogeintrag, der den Ausgangspunkt beschreibt.

Nach 77 Jahren wieder vereint? Installation zur #kunstjagdDAS SCHWESTERGEMÄLDE

Das Treppenhaus ist noch von damals. Hat den Krieg überdauert, auch wenn es beschädigt wurde. Auf der vierten Stufe zum zweiten Stock hat sich das Phosphor einer Bombe ins Eichenholz gebrannt. Diese Stufen muss Edward Engelberg am 10. November 1938 hoch gerannt sein, nachdem er von der Schule nach Hause kam. Bis in die Wohnung im dritten Stock. Dass die Engelbergs tatsächlich hier gewohnt haben, verrät uns das Adressbuch von 1938 aus dem Münchner Stadtarchiv.

Von der Thierschstraße 7 aus hat sich Paula Engelberg 1938 mit dem Bild auf den Weg gemacht. Die Häuser verraten uns nicht, wohin. Häuser haben kein Gedächtnis. Und das von Andreas Zrenner reicht nur bis in die 1950er-Jahre zurück. Sein Vater habe das Mehrfamilienhaus 1951 von einem jüdischen Hopfenhändler namens Silbernagel gekauft, erzählt er. Wem es vor dem Krieg gehörte, weiß Zrenner nicht. Ob noch jemand am Leben sein könnte, der die Engelbergs kannte, auch nicht. “Die letzte Eigentümerin, die wir vor dem Krieg nachweisen können, war eine gewisse Theresie Moor”, sagt Andreas Heusler, Historiker am Münchner Stadtarchiv und spezialisiert auf die Zeit des Nationalsozialismus. “Diese Dame war jüdisch. Und offenbar deshalb gab es auch sehr viele jüdische Mietparteien hier im Haus”, sagt Heusler. Weil sonst keiner mehr an Juden vermietet hat? “Der Zusammenhang ist anzunehmen.” 57 Menschen sind laut des Biografischen Gedenkbuchs der Münchner Juden nach den Engelbergs in das Haus gezogen. Die Engelbergs sind noch entkommen. Alle anderen wurden ermordet.

Die Zrenners lassen uns netterweise in ihre Wohnung. Im Esszimmer sei das Fischgrät-Parkett noch original, sagt Andreas Zrenner. Im Wohnzimmer hätten sie erst kürzlich neues Parkett verlegt. Ein Spiegel hängt heute an der Wand. In etwa so groß wie das verschollene Gemälde, das wir suchen. Hatten es die Engelbergs hier aufgehängt? Neben dem Schwestergemälde, das bis heute in Edward Engelbergs Wohnzimmer in Portland hängt.

Nach 77 Jahren wieder vereint? Installation zur #kunstjagd

Es zeigt eine sitzende Frau mit einem Buch. Öl auf Leinwand. Kein Hinweis auf seine Herkunft auf der Rückseite. Das Bild sei in den 1980er-Jahren restauriert worden, hat uns Edward Engelberg im Januar erzählt. Beide Bilder seien sich sehr ähnlich gewesen. Das, was noch da ist, misst in etwa 70 x 45 Zentimeter. Auch das verschollene Gemälde habe eine Frau gezeigt, der Grundton sei aber etwas brauner gewesen, erinnert sich Edward Engelberg. Der Strich dürfte wie bei den meisten Stein-Gemälden gewesen sein: Abgeschwächte Kontraste, kaum Konturen, inspiriert von Renoir und Cézanne. Das erfahren wir aus der Bibliothek des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München. Dort lesen wir in der Dissertation von Olaf Thormann „Der Maler und Zeichner Otto Th. W. Stein“, dass unser Künstler gerne und oft Damen in ähnlicher Pose gemalt hat. Leider enthält das Werkverzeichnis im Anhang keine Abbildungen. Es wird also nicht leichter, die eine zu finden.

Von Marcus Pfeil

Programmhinweis: Preview des Films zur #kunstjagd
DO | 19.11.2015 | 19:00 #kunstjagd Wo steckt das verschollene Gemälde? Eine transmediale Spurensuche, an der sich über 1000 Menschen beteiligt haben. Eine Recherche-Reise, die nun in eine 45-minütige TV-Dokumentation und eine Installation im Jüdischen Museum München mündet. Der Film zur #kunstjagd wird am 26. November um 22:30 im Bayerischen Rundfunk ausgestrahlt. Eine Produktion von Follow the Money (FtM) und Gebrüder Beetz Filmproduktion. Vorab zeigen wir den Film als Preview im Jüdischen Museum München.


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