Mit 13 hätte ich meine kleine Schwester fast verloren. Von uns unbemerkt, hatte ihr Körper aufgehört Insulin zu produzieren und sie fiel in einen Zuckerschock. Glücklicherweise wurde sie gerettet. Aber seither bestimmen Spritzen und Blutzuckermessgeräte, essen ohne Hunger oder Sättigungsgefühl und ständige Rechnerei in Broteinheiten ihren Alltag. Im Lauf der Zeit wird sich Zucker in ihren Gefäßen ablagern und es besteht die Gefahr, dass sie blind wird oder ihre Füße nicht mehr spürt. Und egal, wie gut ihre Blutzuckerwerte auch sind, ihre Lebenserwartung ist durch ihren Diabetes dennoch um einiges geringer als die eines gesunden Menschen.
Neue Chancen durch Stammzelltherapie
Menschen wie meiner Schwester könnte möglicherweise zukünftig geholfen werden – durch die Behandlung mit Stammzellen aus Nabelschnurblut. Fachleute halten es sogar für möglich, dass Typ1-Diabetiker mit Hilfe einer solchen Stammzelltherapie ganz geheilt werden könnten (Fachstudie an der University of Illinois/ BMC Medicine 2012). Körpereigene Stammzellen werden u. a. bei der Behandlung von schweren Verbrennungen, Hirnschäden und Herzinfarkten eingesetzt. Künftig könnte noch viel mehr möglich sein: geforscht wird derzeit beispielsweise am Einsatz von Stammzellen bei Querschnittsgelähmten, bei Menschen mit Parkinson oder Erblindung und Kindern mit Hörverlust. Insbesondere bei verschiedenen Krebsarten wie Blut- oder Lymphdrüsenkrebs greifen Ärzte heute auf Stammzellen aus Nabelschnurblut zurück – zumeist von Fremdspendern. In bestimmten Konstellationen wird jedoch auch das eigene Nabelschnurblut eingesetzt.
Nabelschnurblut enthält die Puzzleteile unseres Lebens
Stammzellen sind die Bausteine unseres Körpers. Sie teilen und vermehren sich und sind maßgeblich an den ständigen Erneuerungsprozessen im Körper beteiligt. Natürlich lassen sie sich auch aus Blut oder Knochenmark von älteren Menschen gewinnen. Diese älteren Zellen teilen sich aber nicht mehr so rasch und sind möglicherweise durch Umwelteinflüsse belastet oder gar anfälliger für Mutationen: das heißt, sie könnten entarten. Stammzellen aus Nabelschnurblut sind dagegen unbelastet von Umwelteinflüssen, teilungsfreudig und aus ihnen können Mediziner jede beliebige Zelle des menschlichen Körpers herstellen. Werden diese Nabelschnurblutstammzellen dem eigenen Körper wieder zugeführt, fällt die Abstoßungsreaktion gering aus – weil der Körper sie nicht als „fremd“ einstuft. Ein weiterer Vorteil ist die schmerzlose Entnahme: nach der Entbindung wird ein kleines Röhrchen Blut aus der Nabelschnur entnommen, durchgecheckt und bei minus 170 Grad Celsius in Tanks mit Stickstoff quasi schockgefroren. Durch die Kälte wird der Entwicklungsprozess der Zellen unterbrochen – sie fallen sozusagen in eine Art Winterschlaf. Theoretisch gesehen sind sie damit unbegrenzt halt- und damit auch einsetzbar.
Nabelschnurblut ist kein Wunderheilmittel
Derzeit werden Stammzellen aus Nabelschnurblut nur selten verwendet – und manchmal kann es sein, dass sich die Ärzte sogar bewusst dagegen entscheiden. Denn angeborene Krankheiten sind im Erbgut eingraviert und damit auch in jeder Zelle. Würden etwa bei bestimmten Blutkrebsarten die eigenen Zellen eingepflanzt, wäre die Gefahr einer erneuten Erkrankung groß. Darüber hinaus sind in Nabelschnurblut deutlich weniger Stammzellen als beispielsweise im Knochenmark. Eine Behandlung macht aber nur Sinn, wenn eine ausreichende Menge an Stammzellen zur Verfügung steht. Da Stammzellen aus dem Nabelschnurblut erst seit ca. 25 Jahren eingefroren werden, ist bisher nicht erwiesen, ob diese Stammzellen ihre Vitalität auch über 30 oder 50 Jahre behalten. Es gibt jedoch bereits Erkenntnisse zum Zustand von Stammzellen aus Nabelschnurblut, das 23,5 Jahre eingefroren war. Es konnte nach dem Auftauen eine hervorragende Qualität festgestellt werden, was darauf hindeutet, dass auch sehr viel längere Aufbewahrungszeiten realistisch sind.
Nabelschnurblut spenden oder privat einlagern
Eine Art Rund-um-Lebensversicherung ist die Einlagerung von Nabelschnurblut daher nicht. Aber in einem sind sich Experten einig: auf keinen Fall wegwerfen! Dafür ist Nabelschnurblut viel zu kostbar. Wer sich dafür entscheidet, das Nabelschnurblut zu spenden, rettet möglicherweise Leben. Eine Spende an öffentliche Nabelschnurblutbanken ist kostenlos und in manchen Fällen können Patienten ihre Spende auch wieder zurückfordern – wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgebraucht ist. Die Entscheidung, das Nabelschnurblut des eigenen Kindes privat für den Eigengebrauch einzulagern, ist eher zukunftsorientiert. Durch sie eröffnen Eltern ihrem Kind die Möglichkeit, am Fortschritt vor allem auf dem Gebiet der Regenerativen Medizin teilzuhaben. Denn nach derzeitigem Forschungsstand wird es sicherlich einmal möglich sein, mit einer Therapie mit Nabelschnurblut-Stammzellen verloren gegangene Körperfunktionen zu ersetzen, kaputtes Gewebe zu reparieren oder sogar geschwächte Organe zumindest zu unterstützen. Die Preise der privaten Stammzellbanken für die Einlagerung von Nabelschnurblut liegen bei 1.500 bis 3.000 Euro für eine Laufzeit von 25 Jahren.
Wenn Du mehr darüber wissen möchtest, dann schau Dir doch einfach unser Interview mit einem der Gründer der privaten Stammzellblutbank Seracell, Prof. Dr. med. Mathias Freund, an.