Na, Ihr Nazis?

Von Andy
Eine Szene aus den Öffentlichen. Eine Gruppe junger Menschen stieg ein. Sie sprachen türkisch und da ich ein wenig türkisch verstehe, wusste ich, dass sie auf Provokation aus sind. Ihre Körpersprache war eindeutig. Kennen Sie die muskelbepackten großmauligen Bürschlein, die sich bewegen als hätten sie Rasierklingen unter den Armen?
In dem überfüllten Wagen stand ein großer kräftiger Mann neben mir. Typ: Deutsche Eiche. Ich machte ihn auf die Burschis ausmerksam und sagte ihm, dass sie auf Ärger aus sind. Er antwortete in leicht gebrochenem Deutsch mit skandinavischem Akzent. Er hätte das Wort "Nazis" gehört. Ich auch. Ich bat ihn im Geschehensfalle um Unterstützung, die er mir versicherte.
Die jungen Männer rempelten sich rücksichtslos durch den Wagen bis sie ca. in der Mitte angekommen waren. Der Anführer sagte: "Na, Ihr Nazis." Ich sagte: "Na, ihr Armenier- und Kurdenkiller." Er wechselte die Gesichtsfarbe. "Hömma Alde, zu der Zeit haben wir nicht gelebt." Antwort: "Hömma Alder, zur Zeit des 3. Reiches haben wir auch nicht gelebt." "Alde, willste watt auf die Fresse?" Weiter kam er nicht.
Der kräftige Skandinavier packte ihn am Kragen und ließ ihn in der Luft baumeln. "Alter" Schwede. "Ich bin Schwede und du nennst mich Nazi." Ein schwarzhaariger Mann mischte sich ein. "Ich bin Deutscher. Meine Eltern sind aus Spanien und ich bin kein Nazi." Es meldeten sich noch mehr mit "Migrationshintergrund" zu Wort. Alle in korrektem Deutsch. Ich hörte einen Italiener übelst über die Burschis fluchen. In keiner Sprache kann man so klangvoll fluchen, wie auf Italienisch. Gut, dass sie das nicht verstanden haben.
Die Maulhelden sind an der nächsten Station ausgestiegen. Das war auch besser so, bevor "deutsche" Fahrgäste aus ihrem Dornröschenschlaf oder Schockzustand aufgewacht wären. Niemand von uns muss sich beschimpfen lassen. Die Szene habe ich einigen Menschen erzählt. Die Standardreaktion: Das hätte ich ignoriert oder ich hätte geschwiegen. Was Schweigen und Ignoranz bedeutet, dürften wir alle wissen.
Die Herkunft und die Sprache der Kerle war mir egal. Das hätten Menschen anderer Herkunft sein können. Wunderbar waren die unterstützenden Reaktionen der "integrationsunwilligen Migranten" oder "Ausländer".
In 2009 habe ich den Artikel über den etwas anderen Busfahrer geschrieben. Er fährt die Strecke immer noch und hat die Schööölerbande im Griff. Seine Beliebtheit bei den Schülern und Studenten ist enorm. Die Hintour führt zu den Gymnasien in der Innenstadt, die Rücktour zur Uni.
Wenn Sie sich gegen Stänkerer in den Öffentlichen wehren wollen und das sollten Sie tun, verschaffen Sie sich vorher helfende Rückendeckung. Als Frau kann man sich auf männlichen Beschützerinstinkt ziemlich verlassen. Danke Männer.
Ich zitiere aus dem Buch "Tatort Schule". "Es ist immer dasselbe, immer die gleiche Fassungslosigkeit, dasselbe Kopfschütteln und der gleiche schockierende Gesichtsausdruck. ... Was sich jedoch verändert hat, ist meine Bereitschaft sich für andere einzusetzen." Die Autorin Sylvia Hamacher schildert in ihrem Nachwort eine Busszene. Sie hat einen gehänselten Jungen verteidigt. "Alter hier stinkt es, Brillenschlange mach mal deine Fresse zu..... und er stand nur da, hilflos und allein... Ich sah mich um, die ganzen Erwachsenen sahen nach vorn oder zum Fenster hinaus." 
Man fängt an in den Öffentlichen kontrollierendes Begleitpersonal einzusetzen. Ich zitiere weiter aus dem Buch: "Wir bräuchten keine Busbegleiter, wenn unsere Gesellschaft eingreifen würde statt wegzuschauen. Sieh dich doch mal um! Wie viele Erwachsene siehtst du hier, die nichts getan haben? Da muss ich als siebzehnjährige eingreifen, weil sie alle zu feige sind. Was sind das für Vorbilder?"  


Wo sie recht hat, hat sie recht. Was sie gemacht hat, nennt man Zivilcourage. Niemand von uns würde zusammengeschlagen werden, wenn andere sich erheben und einsetzen würden.