Mythos männliches Sexualhormon

Mythos männliches Sexualhormon  

Testosteron ist ein Kunstwort, das von testis (Hoden) und Steroid abgeleitet ist. Es wurde vom Schweizer Mediziner Ernst Laqueur kreiert, der es erstmals aus Stierhoden isolierte. Bei Männern wird es größtenteils im Hoden, aber auch in der Nebennierenrinde produziert. Testosteron fördert nicht nur den sexuellen Appetit, sondern auch Aggressionen und Dominanz.

Bei Hengsten mit hohen Testosteronwerten wurde verhaltensbiologisch Imponiergehabe, Kampfverhalten und ein ungeheurer Begattungsdrang festgestellt. Kastriert man aggressive Hengste, werden sie zu lammfrommen Wallachen. Das Sexualhormon Testosteron steht für Kraft und Männlichkeit schlechthin.

Der große Irrtum

Testosteron – auch in Tablettenform erhältlich – ist deshalb bei Sportlern ein beliebtes Dopingmittel. Es wirkt anabol, das heißt, es fördert den Muskelaufbau und hilft, die körperlichen Leistungsgrenzen auszureizen.

Ein hoher Testosteronspiegel fördert auch das Entstehen beziehungsweise die Steigerung von sexuellem Verlangen. Den Sex verbessert er aber nicht. Ganz im Gegenteil: Übermäßige Testosteroneinnahme lässt Penis und Hoden schrumpfen. Je nach Studie geben bis zu 55 Prozent der befragten, gedopten Sportler an, dass sie eine Verkleinerung feststellen. Offenbar führt die extern zugeführte Gabe von anabolen Steroiden dazu, dass die körpereigene Produktion vermindert wird.

Außerhalb der Geschlechtsorgane fördert das Hormon das Wachstum der Körperbehaarung und der Barthaare, aber nicht der Kopfhauptbehaarung, weswegen viele Dopingopfer unter Haarausfall leiden. Künstliche Testosteronzufuhr bei Frauen führt übrigens nicht nur zu einer Vermännlichung bei der Stimme, der Muskulatur, den Gesichtszügen und der Behaarung, sondern auch zu einer Vergrößerung der Klitoris.

Mehr Schlaf gleich mehr Testosteron?

Es besteht offensichtlich auch eine Korrelation zwischen Schlafdauer und dem Testosteronspiegel. So stieg in einer Studie des Deutschen Ärzteblattes, die mit 800 gesunden Männern aller Altersstufen durchgeführt wurde, der Testosteronspiegel mit zunehmender durchschnittlicher Schlafdauer (gemessen über drei Wochen) zuerst an. Bei etwa acht Stunden erreichte dieser einen Höhepunkt und fiel ab dort überraschend stark ab. Während der Anstieg mit einer vermehrten Hormonproduktion erklärt wird, die vor allem im Schlaf stattfindet, ist der Abfall bisher ungeklärt.

Testosteron-Mangel bei alternden Männern wird unter dem Begriff Testosteron-Mangel-Syndrom beziehungsweise dem englischen Fachbegriff «Partial Androgen Deficiency in the aging Male» (PADAM) beschrieben. Zwischen den vermeintlichen Wechseljahresbeschwerden bei Männern in fortgeschrittenem Alter und einem niedrigen Testosteronspiegel konnten Forscher der Universität Manchester allerdings keinen Zusammenhang feststellen.

Auch chinesische und amerikanische Wissenschaftler haben die Auswirkung des Androgens Testosteron auf das Verhalten und die Gesundheit von Männern unterschiedlichen Alters, Trainingszustands und Beziehungsstatus’ in Versuchsreihen erforscht. An der University of Michigan, der University of Massachusetts und der Chinesischen Akademie der Wissenschaften wurden insgesamt 3900 Testpersonen überprüft.

Ehe und Kinder lässt Testosteronspiegel sinken

Die Wissenschaftler fanden dabei heraus, dass 52 Prozent der Probanden durch einen hohen Testosterongehalt zu Allmachtsfantasien und einem überdimensionierten Imponiergehabe neigten. Bei 74 Prozent der Testpersonen hat die Vaterschaft den Testosteronhaushalt um 30 Prozent nach unten geregelt. Singles und kinderlose Männer hatten dagegen einen unveränderten Testosteronspiegel.

35 Prozent der Befragten nahmen Testosteron zum Muskelaufbau zu sich. 21 Prozent ließen sich auch nicht davon verunsichern, als man ihnen erklärte, wie gesundheitsschädlich diese Präparate seien und dass Herzrhythmusstörungen, Nieren- und Lebertumore, Blutgerinnsel im Gehirn, Depressionen und Schlaganfälle häufige Nebenwirkungen wären. 47 Prozent der chinesischen Teilnehmer wussten nicht, dass man Testosteron einnehmen kann. Befragt, ob sie damit in Zukunft ihren Hormonspiegel dopen würden, verneinten aber nur 24 Prozent klar.

Was lernen wir aus dieser Studie: Männern scheint ihre Gesundheit weit weniger wert zu sein als die Vorstellung, Männlichkeit in Tablettenform einnehmen zu können. Lustlose Ehemänner oder Väter hingegen haben die perfekte Ausrede für einen sexlosen Abend. Es ist schließlich wissenschaftlich belegt, dass Vaterschaft und Ehe den Testosteronspiegel und damit die Lust senken.

Lesetipp: Alles, was man über Männer wissen muss, Alina Schumann, mvg-Verlag, 223 Seiten, August 2011, 16,99 Euro.

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Testosteron – Mythos männliches Sexualhormon  

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