Der Mythos der alles zerfleischenden Kampfmaschine lauert jetzt seit einigen Jahren kontinuierlich in den Medien, mal mehr, mal weniger aktiv, aber immer bereit, um zur passenden Zeit etwas aufpoliert und frisch ausgewalzt zu werden. Natürlich ist es schrecklich, wenn Menschen und besonders Kinder von Hunden angegriffen oder sogar getötet werden, daran besteht kein Zweifel! Und selbstverständlich sollte die Politik den Bürgern größtmöglichen Schutz vor gefährlichen Hunden bieten – aber leider läuft die Politik dafür in die völlig falsche Richtung!
Als Kampfhunde bezeichnet man heute im Allgemeinen Hunde der Rassen Staffordshire Terrier, American Staffordshire Terrier, American Pitbull Terrier und Bullterrier, sowie Mischlinge dieser Rassen. Fakt ist, dass Kampfhunde im eigentlichen Sinne heute nicht mehr existieren, denn als Kampfhunde galten niemals bestimmte Rassen, sondern Hunde, die bei Tier- und speziell Hundekämpfen eingesetzt wurden. Diese Kämpfe sind heute fast überall auf der Welt illegal! Es stimmt, dass die oben genannten vier Rassen vor vielen Jahren fast ausschließlich für Kämpfe gezüchtet wurden, allerdings wurden diese Kämpfe bereits vor mehr als 100 Jahren verboten und seitdem distanzierten sich Züchter deutlich von Hundekämpfen.
In den USA beispielsweise sind American Staffordshire Terrier keine von der Öffentlichkeit gleichermaßen verpönte und gefürchtete Rasse, sondern vielerorts liebevolle Familienhunde. Auch als Farmhunde kommen sie zum Einsatz. Die Rolle dieser Terrier in den USA ist wohl mit den Retrievern hier in Deutschland zu vergleichen und seien wir mal ehrlich, wer fürchtet sich schon vor einem Golden Retriever?!
Insgesamt existieren tausend Ammenmärchen über „Kampfhunde“, sowohl in den Köpfen der Menschen, als auch medial aufbereitet. Die meisten dieser vermeintlichen „Fakten“ sind falsch und das ist oftmals sogar wissenschaftlich belegt.
Ich bin kein Experte in Bezug auf die sogenannten „Kampfhunde“, ebenso wenig kenne ich mich näher mit der Problematik aus. Wer sich genauer informieren möchte, sollte sich die Seiten der Arbeitsgruppe „Mir san Hund“ oder das hier ansehen.
Ich kann nur von meinen Erfahrungen mit „gefährlichen Hunden“ berichten, was ich im Folgenden tun möchte:
Da wäre zuerst einmal die Pitbull-Hündin einer befreundeten Familie. Shyla. Als ich ungefähr 10 war, wurde eine Wohnung bei uns im Haus frei und eines Tages erwarteten meine Eltern potenzielle neue Mieter. Wir wussten zwar, dass ein Hund mitkommen sollte, aber erst in letzter Minute erfuhren meine Eltern, dass es ein „Kampfhund“ war. Sofort schickte man mich mit meinem Bruder und einer Freundin zum Eis essen, damit wir bloß nicht in Gefahr geraten konnten. Ich ließ das schon damals nicht gern mit mir machen, ich war doch sooo gespannt auf den neuen Hund, mit dem ich sozusagen vielleicht bald mein Zuhause teilen würde, meine Eltern jedoch blieben unnachgiebig.
Das Ende vom Lied? Eine Weile später entschieden wir, wieder nach Hause zu gehen, die Eisdiele wollte schließen und theoretisch müsste die Wohnungsbesichtigung auch längst abgeschlossen sein. Und als wir nun um die Ecke bogen, saßen meine Eltern dort mit unseren definitiv neuen Mietern und der ach so gefährliche Hund lag im Schatten, eng zusammengekuschelt mit unserem damaligen Kater Felix. Kurze Zeit später zog die Familie also bei uns ein und ich konnte mein Glück kaum fassen – das war fast so, als hätte ich endlich einen eigenen Hund! Tag für Tag nahm ich mir nun von neuem vor, unsere Mieterin beim Gassi mit Shyla zu begleiten. Und Tag für Tag war ich viel zu schüchtern. Es sollte noch fast ein Jahr vergehen. Dann hat die Mieterin mal auf meinen Bruder aufgepasst und ich hab mich endlich getraut, sie zu fragen. Von da an ging ich jeden Tag mit Shyla spazieren, anfangs in Begleitung, später allein. Und wir machten die tollsten Touren, von Shyla lernte ich sehr viel über Hundeerziehung, ich brachte ihr kleine Kunststücke bei und wenn ihr Frauchen arbeiten musste, nahm ich sie mit in die Wohnung meiner Familie.
Mit 12 Jahren diagnostizierte man Gebärmutterhalskrebs bei Shyla, kaum ein Jahr später musste sie eingeschläfert werden.
Noch heute ist Shyla, die Pitbull-Hündin, für mich das Sinnbild einer ausgeglichenen, gut sozialisierten Hündin. Sie war immer freundlich, zu Menschen, Hunden, Katzen und allen anderen Tieren, souverän in jeder Sekunde, gehorsam, verspielt und verschmust. Was sogar verwunderlich ist, weil es bei ihr keinen überrascht hätte, wenn es anders gewesen wäre! Denn Shyla lebte die ersten 4 Jahre ihres Lebens bei einem Türsteher in unsagbar schlechten Verhältnis, wurde vom Tierschutz gerettet und kam zu ihrer späteren Familie. Die machten aus einer abgemagerten, verängstigten und zuweilen aggressiven Hündin den Schatz von Hund, der sie später wurde.
Shyla ist ein Beispiel für einen der sogenannten „Kampfhunde“, die mindestens so freundlich sind wie die meisten anderen Hunde! Und ihr Leben zeigt außerdem, dass es möglich ist, einen Hund auch nach negativen Erfahrungen mit viel Geduld, Liebe und Konsequenz zu einem liebevollen Begleiter zu erziehen.
Ein ganz anderes Kaliber ist Spike…
Spike war die Französische Bulldogge meiner besten Freundin und ich muss zugeben, er hat die Freundschaft stark belastet. Spike zog bei ihrer Familie ein, als ich vielleicht acht Jahre alt war. Ehrlich gesagt weiß ich es nicht mehr genau, vielleicht war ich auch älter. Der Punkt jedenfalls ist, dass ich noch nie vor einem Hund soviel Angst hatte wie vor Spike. Im Prinzip war ich mein Leben lang mutig, fast schon leichtsinnig bei fremden Hunden gewesen, hatte nie schlechte Erfahrungen gemacht. Spike änderte das. Spike war mir schon als Welpe suspekt, er verhielt sich aggressiv gegenüber Artgenossen und Menschen, war schwer zu erziehen und so stark wie man es einem Hund dieser Größe niemals zutrauen würde. Ich wollte meine Freundin nicht mehr gern besuchen und sie war sauer, weil ich ihren Hund nicht mochte. Selbstverständlich spielten noch viele andere Faktoren eine Rolle, trotzdem läpperte diese Freundschaft so dahin, bis wir irgendwann kaum noch in Kontakt standen. Für mich war und blieb die Französische Bulldogge das „Feindbild“ eines Hundes und das über Jahre.
Erst als sich die Besitzer von Shyla entschlossen, einen Pflegehund aufzunehmen, änderte sich mein Bild. Denn dieser Pflegehund war eine Französische Bulldogge, genauer gesagt eine schwarz-gestromte Hündin namens Tini.
Tini war ein Engel von einem Hund, sehr brav, gut erzogen und unglaublich verschmust. Sie hat mein Bild von Bulldoggen erheblich aufgerüttelt und mir glücklicherweise früh genug gezeigt, dass es keine „gefährliche“ Hunderasse gibt, sondern die Probleme am anderen Ende der Leine zu finden sind. (Was nicht heißt, dass die Familie meiner besten Freundin den Hund falsch erzogen hätte… Wie gesagt, ich kenne Spike fast nur als Welpen und ich denke, dass ich die Situation als Kind schlicht falsch eingeschätzt hab und heute anders an die Sache rangehen würde! Leider geht es so wahrscheinlich den meisten Menschen mit Angst vor Hunden, sie machen eine negative Erfahrung, womöglich als Kind, wenn man noch leicht beeinflussbar ist und es ist schwierig, diese Angst wieder zu beseitigen!)
Wenn ein Hund aggressiv gegenüber Menschen oder Artgenossen reagiert, gibt es hierfür eine Fülle von Gründen und Ursachen, die genau analysiert werden müssen! Die Rasse eines Hundes sagt nichts über seine Gefahr für Menschen aus. Natürlich haben Rasse ihre individuellen Eigenschaften, für die sie von Liebhabern geschätzt werden, deshalb sollte man sich als Halter frühzeitig über die Rasse informieren und bei der Erziehung des Hundes beispielsweise auf Hilfe, etwa einer Hundeschule, zurückgreifen.
Bestimmte Hunderassen zu verbieten, schafft das Problem nicht aus der Welt, sondern damit macht man sich die Sache schlicht und einfach viel zu leicht und diese Verbote werden Angriffe von Hunden auf Menschen niemals aus der Welt schaffen können! Hier ist es wichtig, dass die Politik mit Menschen zusammenarbeitet, die sich damit auskennen, sprich mit Haltern und Züchtern der Rassen, Tierärzten, Therapeuten usw. Die Medien dürfen dabei nicht polarisieren, sondern müssen ein differenziertes, der Wahrheit entsprechendes Bild vermitteln, sodass keine weiteren Vorurteile entstehen!