Mysteriöse Experten in der Werbung: Wer ist Prof. Schlieper?

Von Stenographique @stenographique
Jeden Morgen teilt nur ein einziger Mensch den vielleicht intimsten Moment des Tages mit mir: Nicht die Freundin, nicht der Sohn – sondern Prof. Dr. P. Schlieper lächelt mich tagtäglich unter der Dusche an. Vom Duschgel-Etikett herunter. In seinem weißen Kittel. Mit dem Namensschild, auf dem steht “Prof. Dr. P. Schlieper, Experte”. Aber wer ist der charmante Mittsechziger?

Auch morgens immer gut drauf: Der mysteriöse Prof. Dr. P. Schlieper

Nachdem wir dutzende verhältnismäßig ereignisarme Morgen miteinander verbracht haben – immer Auge in Auge – kam zwangsläufig irgendwann der Punkt, an dem die Beziehung vertieft und mehr über den sympatischen Weißkittel in Erfahrung gebracht werden musste. Also los, Google wird’s schon wissen! Die ersten Treffer verraten, dass Prof. Schlieper Pharmakologe und Berater der Salthouse-Forschung ist. Salthouse wiederum stellt Pflege- und Kosmetikprodukte auf Basis von “Totes Meer Salz” her, die von Murnauer vertrieben werden – so auch mein Duschgel.

Salthouse, auf deren Unternehmensseite P. Schlieper sogar einen eigenen Navigationspunkt bekommen hat, verrät weiter, dass der Experte eine Lehrtätigkeit an der Uni Düsseldorf ausübt und mehrfach Gastprofessor in Südamerika war. Daneben viel Blasen und Schaum: “…hoch angesehen… Experte in… mit seiner Expertise… hohe fachliche Kompetenz…” Kurzum: Ein Lebenslauf aus dem Bilderbuch.

All das klingt verheißungsvoll und so versuche ich mehr über Lehre und Forschung von Prof. Schlieper herauszufinden. Erste Anlaufstelle: Die Uni Düsseldorf, wo er der Salthouse-Seite zufolge, eine Lehrtätigkeit ausübt. Es finden sich Dr. Daniel Schlieper (Biochemische Pflanzenphysiologie), Dr. Dr. Jörg W. Schlieper (mittlerweile Zahnarzt in Hamburg) und Dr. Henkrik Schlieper (Französische Literaturwissenschaft). Keiner davon hat einen Vornamen, der mit “P” beginnt, keiner ist Pharmakologe. Etwas verwirrt nehme ich Kontakt zur Pharmazie an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität auf. Eine Woche später gibt es immer noch keine Antwort aus dem Sekretariat. Ist die Anfrage nicht wichtig genug? Die Ansprechpartnerin im Urlaub? Oder hat hier auch noch nie jemand von Prof. Dr. P. Schlieper gehört?! read on

Aus der Verwirrung wird langsam eine böse Vorahnung. Egal: Mund abwischen, weitergooglen! Der nächste Anhaltspunkt ist leider reichlich vage: Prof. Schlieper hat dem Vernehmen nach mehrere Gastprofessuren in Südamerika ausgeübt. Dutzende Suchanfragen auf deutsch, englisch und spanisch später ein einziger sinnvoller Treffer – der aber verheißungsvoll klingt: Prof. Dr. P. Schlieper, Lehrbeauftragter an der TH Nürnberg. Nun liegt Nürnberg streng geographisch betrachtet nicht unmittelbar in Südamerika, aber immerhin scheint das die erste akademische Tätigkeit Schliepers zu sein. Irritierend nur, dass er im Fach Betriebswirtschaftslehre auftaucht. Ein Mann mit vielen Fähigkeiten? Leider nein, wieder kein Treffer. Kann es wirklich sein, dass ein laut Salthouse derart profilierter Experte absolut keinerlei wissenschaftliche Fußabdrücke hinterlassen hat? Keine Dissertations- oder Habilitationsschrift, keine Fachpublikationen in Journals, keine Mitgliedschaften oder Tätigkeiten als Reviewer?

Last exit: Die Nachfrage bei seinem Arbeitgeber Salthouse. Über die Facebookseite und das Kontaktformular auf der Website bitte ich um eine Kontaktmöglichkeit oder zumindest Hintergrundinfos zum Werdegang Schliepers, um meine stetig heraufkriechenden Zweifel an der Figur zu bekämpfen. Ein paar Tage später hake ich noch einmal nach, setze eine Frist. Und auch die verstreicht ohne jedes Lebenszeichen von Schlieper, Salthouse oder Murnauer. Auch ohne endgültige Gewissheit gehe ich jetzt davon aus, dass Prof. Dr. P. Schlieper nicht Lehrbeauftragter der Uni Düsseldorf ist, vllt. noch nie in Südamerika war und nur maximal unwesentlich mehr Ahnung von Pharmakologie hat als ich.

Warum also das Ganze? Professor Schlieper ist das Sterotyp und Sinnbild von Experten in der Werbung medizinischer und kosmetischer Produkte: Ob Salthouse, Alpecin oder Dr. Best: Weißkittel-Werbung ist “in”, die Glaubwürdigkeit von promovierten oder habilitierten Experten zwischen Reagenzgläsern, die in edelstählernen Laboren unbezeichnete Achsen verschieben und bedächtig durchs Fernsehbild schreiten, ist ungebrochen. Da stört es den geneigten Verbraucher kaum, dass die Aussagen meist einseitig  formuliert, halbseiden fundiert und unmöglich nachprüfbar sind.

Zum Abschluss ein persönlicher Appell an den Protagonisten: Lieber Herr Schlieper, sollte Ihnen hier Unrecht getan werden, melden Sie sich bitte – Platz für Klarstellungen ist in der kleinsten Hütte. Und falls Ihr Gesicht aus einem Photostock-Bild heraus auf einen weißen Kittel geshopt wurde, gerne auch. Und wenn Ihnen der (anderswo nachgewiesene) Beschiss mit gefälschten Experten in medizinischer und kosmetischer Werbung mittlerweile auch gegen den Strich geht, am Allerliebsten! Bis bald…