"My brother. My captain. My king!" Oder auch nicht. [Rezension LOTR - Die Gefährten]

Wir erinnern uns kurz mal an folgende Szene:

Wahrscheinlich eine der bewegendsten Szenen der Filmgeschichte. Hab. Ich. Geheult!
Deswegen war ich innerlich auch ganz aufgewühlt als Buch eins der Herr der Ringe Saga sich dem Ende neigte. Jemand hatte mir vor Jahren mal erzählt, Boromirs Tod sei im Buch noch viel schlimmer als im Film. Tja, entweder springe ich extrem auf Hollywood Effekte an, oder besagter Herr hatte das Buch überhaupt nicht gelesen. 

"I would have followed you. My brother. My captain. My king!" So ergreifend. So heroisch. Und so - überhaupt nicht existent. Manno. Das ist nun die zweite meiner beiden Lieblingsszenen des Filmes, die überhaupt nicht im Buch steht. Während allerdings Arwens Flusszauberszene im Buch zwar anders, aber nicht weniger spektakulär verläuft, war ich von Boromirs Abschiedsszene einfach nur enttäuscht. Peter Jackson wusste schon was er tat, als er die Szene umgeschrieben hat, die im Original folgendermaßen klingt:
"Farewell Aragorn! Go to Minas Tirith and save my people! I have failed." "No!" said Aragorn, taking his hand and kissing his brow. "You have conquered. Few have gained such victory. Be at peace! Minas Tirith shall not fall!" Boromir smiled. "Which way did they go? Was Frodo there?" said Aragorn. But Boromir did not speak again.

Das wars. Aragorn kniet danach noch ein bisschen weiter, weint und fragt sich wie es weitergehen soll - aber von heroischen Worten keine Spur. Hmpf.
Nicht nur bei den spekatkulären Szenen bin ich froh, dass ich den Film gesehen und geliebt habe, bevor ich die Bücher gelesen habe. Wie ihr ja von hier wisst, hatte ich zu Anfang deutliche Probleme, überhaupt in die Geschichte reinzukommen. Dann hat sie mich aber schließlich doch noch gepackt und wieder tief in ihren Bann gezogen, genauso wie es mir schon damals mit den Filmen ging. Zwischendurch war ich sogar so vertieft, dass ich einen Freund angefaucht habe, der über das nächste Buch sprechen wollte.  "Pssst! NICHT VERRATEN WAS PASSIERT!" "?... Mila, du hast die Filme doch schon gesehen, du WEISST doch schon, was passiert!" "Oh. Ach ja. Na dann kannst du weiter reden."

Vor allem die Elben Szenen haben es mir angetan, allen voran die Lothlorien Szene, die im Film ja deutlich verkürzt war. Außerdem hatte ich Galadriel aus dem Film als ziemlich unsymphatisch in Erinnerung, aber da lag ich ja komplett falsch. Gimli würde mich einen Kopf kürzer machen, wenn er das wüsste. Überhaupt, Gimli. Gimli ist neben den Hobbits der einzige Charakter, der ein bisschen Leichtigkeit in die Dialoge bringt. Seine Kommentare sind nämlich, genau wie im Film in dem sie oft eins zu eins übernommen wurden, ziemlich genial und sarkastisch. Leider hatte ich bei Dialogszenen insgesamt aber echt ein Problem mit Tolkiens Erzählweise. Hätte ich nicht aus dem Film schon gewusst, wie ich manche Charaktere einzuschätzen habe, wären sie mir im Buch wahrscheinlich nicht mal aufgefallen. Tolkien hat die Dialoge komplett puristisch runtergeschrieben, ohne jemals hinzuzufügen, in welchen Ton sie gesagt werden, oder welchen Gesichtsausdruck jemand dabei hat. Bei mir hat das dazu geführt, dass ich manche Schlüsselszenen fast komplett überlesen hätte, wenn ich nicht aus dem Film noch gewusst hätte, wie wichtig/ lustig/ ergreifend sie waren. 
Insgesamt würde ich die Erzählweise als sehr unaufgeregt beschreiben. Szenen in denen irgendwelche Landschaften beschrieben werden (was mir übrigens sehr gut gefallen hat, beschreiben kann er, der Herr Tolkien!) sind nicht selten länger als die Schlüsselszenen des ganzen Buches. Eine Beispiel ist die Balrog-Szene in Moria. Gerade mal eine halbe Seite zwischen "Gleich sind wir draußen" und "Scheiße, ein Balrog" und dann ist Gandalf auch schon weg. "Fly, you fools!" he cried, and was gone." Alles geht so schnell und wird so wenig beschrieben, das ich wahrscheinlich garnicht so richtig geschnallt hätte, was da überhaupt passiert ist, wenn ich den Film nicht schon gesehen hätte.

YOU! CANNOT! PASS!


Insgesamt würde ich aber jedem der die Filme geliebt hat auch empfehlen, die Bücher zu lesen. Es braucht ein bisschen Anstrengung, um sich durch die ersten hundert, evtl. durch die ersten zweihundert Seiten zu kämpfen, aber die vielen kleinen Geschichten und Information die man dann zusätzlich zum Film erhält, sind es wert. Auf spektakulär beschriebene Hollywood Szenen muss man zwar größtenteils verzichten, aber dafür gibt es ja dann die Filme. Die Bücher waren für mich auch super, um endlich die vielen kleinen Details zu erfahren, die ich im Film zwar so hingenommen, aber nicht wirklich verstanden habe; z.B. - warum haben die Gefährten auf einmal alle grüne Umhänge und vor allem, warum kann man sie damit plötzlich nicht mehr sehen? - warum können Frodo und Sam wochenlang von ein paar Scheiben Lembasbrot leben? - wieso ist Aragorn so dicke mit dem Elbenvolk?

Der letzte Punkt, nämlich das Aragorn seine Eltern verloren hat und nichtsahnend bei Elrond aufgewachsen ist, war aber wirkliche eine Überraschung für mich. Übrigens erfährt man diese ganzen Dinge auch im Buch überhaupt nicht, sondern nur im Appendix. Da erfährt man dann auch, dass Aragorn und Arwen verlobt sind. Im Buch wird diese Verbindung höchstens mal mit einem Wimpernschlag angedeutet. Interessiert aber wahrscheinlich auch nicht sonderlich, weil Arwen eigentlich überhaupt nicht im Buch vorkommt.  Es gibt eine Miniszene (vielleicht 3 Sätze), in der Frodo "Die Elbenprinzessin" aus der Ferne sieht und danach wird sie nie wieder erwähnt. Deshalb ist die Abendstern Szene natürlich Quatsch. (Also kommerziell war sie für die Herr der Ringe Schmuckverkauf Maschinerie wahrscheinlich sehr sinnvoll, nur eben komplett ausgedacht.) Insgesamt sind Frauen in Tolkiens Welt größtenteils nicht vorhanden. Auch deshalb bin ich froh, dass ich die Filme vorher gesehen habe, denn ansonsten hätten mich die romantischen Anklänge der Verfilmung wahrscheinlich eher genervt. Im Buch fehlen sie nämlich eigentlich nicht.  (Eine derartige Erfahrung hat mir übrigens der siebte Harry Potter Film beschert. Diese furchtbare Szene als Harry und Hermine im Zelt miteinander tanzen und sich tief in die Augen schauen, hat mir fast den Magen umgedreht. Wo kam das denn her?!)

Einen Punkt muss ich noch erwähnen: Wie cool ist Sam?! Im Film wesentlich cleverer ausgelegt als im Buch, ist Sam der typisch gutherzige Nebencharakter. Er hält sich selbst nicht für den Hellsten und seine Kommunikationsweise bestätigt das, aber seine Gedanken sind so treffend und scharf, das dem Leser ziemlich schnell klar wird, das ohne Sam nicht viel laufen würde! Außerdem ist er dabei so gnadenlos mit sich selbst, dass man Sam einfach liebhaben muss.

"Whoa, Sam Gamgee!" he said aloud. "Your legs are too short, so use your head! Let me see now! Boromir isn´t lying, that´s not his way; but he hasn´t told us everything. Something scared Mr. Frodo badly. He screwed himself up to the point, sudden. He made up his mind at last - to go. Where to? Off east. Not without Sam? Yes, without even his Sam. That´s hard, cruel hard." Sam passed his hands over his eyes, brushing away the tears. "Steady, Gamgee!" he said. "Think, if you can! He can´t fly across rivers and he can´t jump waterfalls. He´s got no gear. So he´s got to get back to the boats. Back to the boats! Back to the boats, Sam, like lightning!"

Ich hätte am liebsten laut applaudiert!

Fazit Bezaubernd wie der Film, nur etwas langatmig. Dafür hat man aber länger etwas davon. Außerdem sollte man dem Buch beim Lesen auf jeden Fall seine Aufmerksamkeit schenken, sonst ist am Ende jemand gestorben und man hat es garnicht mitbekommen. 
Mit dem zweiten Band bin ich mittlerweile auch schon durch, stay tuned!  So das wars nun aber zum ersten Band. Ach nee, eins noch...


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