„A Million And One“
(Rhyme And Reason Records)
Es gab Zeiten, da hatte man sich damit abgefunden, dass manche Rätsel der Menschheit für alle Zeiten ungelöst bleiben würden. Die populärsten unter ihnen waren das Verschwinden einzelner Socken in der Waschmaschine, die Sache mit den heruntergefallenen Marmeladentoastscheiben und auch der Umstand, dass man immer an der Kassenschlange zu stehen kommt, die garantiert am längsten braucht. Nun gut, Kleinigkeiten, wenigstens wissen wir seit dem französischen Film „Das brandneue Testament“, daß hinter all dem möglicherweise ein frustrierter und soziopathischer Kotzbrocken von Himmelherrgott steckt – ein kleiner Trost. Warum allerdings eine Künstlerin wie Shara Nova alias My Brightest Diamond nach einer Hand voll grandioser Alben (es sei nur an das brillante „This Is My Hand“ aus dem Jahr 2014 erinnert) neben Stars wie Björk, Florence And The Machine, Goldfrapp und Robyn ein undankbares Schattendasein fristen muss, will sich einem nicht erschließen. Denn aus der Schnittmenge dieser gleichwohl ehrenwerten Musikerinnen speist sich das Werk der New Yorkerin. Wem die Isländerin zu abgedreht, die eine Londonerin zu sehr over the top, die andere zu hibbelig und die Schwedin zu poppig ist, für den müsste doch ... Müsste, wie gesagt. Fraglich allerdings, ob Nova sich tatsächlich von solchen Gedanken umtreiben lässt. Ihre Fangemeinde sollte eine kleine, feine, aber auch sehr treue sein, geht man nach der Qualität, mit welcher sie in größeren Abständen versorgt wird.
Denn auch die aktuelle Platte ist wieder eine erstaunlich vielschichtige und noch dazu äußerst tanzbare geworden. Dass es mehr und mehr in Richtung Elektronik geht, hatte sich auf dem besagten Vorgänger schon angedeutet, hier nun stehen gleich mehrere Tracks mit dunkel pulsierenden Beats und dronig-brazzigen Synths auf dem Programm: Los geht’s mit dem programmatischen „It’s Me On The Dancefloor“, bei dem sich schon mal die ersten funkigen Gitarren und Loops blicken lassen, „Champagne“ stampft dann ungleich härter und richtig dicke wird’s spätestens mit „You Wanna See My Teeth“ – die Antwort darauf ist durchaus ernst zu nehmen „I’m gonna show ya!“ Dass Nova darüberhinaus auch über eine beeindruckende Stimmkraft verfügt, beweist sie kurz darauf in der trippigen Ballade „A Million Pearls“. Jedes Stück ist auf seine Weise fesselnd – die vertrackten Drums von „Sway“, der Stomp des Schlußtracks „White Noise“. Und ebenso das anrührende „Mother“, wohl die Art von Selbstfindung, die sie eingangs schon für den Tanzboden ankündigt („It’s me I’m looking for…“). Hier mit den Zeilen: „I came from my mother, then forgot my mother, so I'll go back to mother and I'll learn to love her”. Selten genug, dass man musikalisch wie thematisch in so kurzer Zeit so unterschiedliche Ansätze und Ideen findet, insofern bleibt My Brightest Diamond das, was sie schon vorher war: eine Ausnahmeerscheinung. https://www.mybrightestdiamond.com/