MWC 2015 – was die Branche so bewegt


Der Mobile World Congress 2015 ist vorüber. Vor 10 Jahren trafen sich die Mobilfunkspezialisten zum ersten Male in Barcelona, damals noch im “alten” Messegelände (Baujahr 1929), der sogenannten “Fira Montjuic”, direkt am großen Kreisverkehr am Placa Espanya gelegen.

Barcelona 2015 vom Dach der Stierkampfarena

Barcelona: Blick auf das alte Messegelände – bei Nacht

Vor 3 Jahren zog man in die neue “Europa Fira” um, die dieses Jahr schon wieder “zu klein” wurde. Vor 10 Jahren hieß das ganze noch GSM-World-Congress und fand im beschaulichen Cannes statt. Damals kamen so rund 1500 Delegierte, dieses Jahr sollen es so ungefähr 100.000 Leute gewesen sein. Die Organisation der GSMA, dem Weltverband der mobilen Telekommunikation wie immer top.

Was wenige wissen: Der Mobile World Congress umfasst neben der Ausstellung neuer Geräte und Dienste immer auch ein riesengroßes hochkarätig besetztes Vortragsprogramm.

In der Keynote 1 ging es beispielsweise um die aktuelle Betrachtung der philosophischen Frage “Was ist, was wird”. Wie schon erwähnt, der Mobile World Congress war der 10. in der Hauptstadt von Calatunya, Barcelona, die den Namen “Welthauptstadt des Mobilfunks tragen darf.”

So gab Cesar Alierta, quasi Gastgeber und Chef des in Spanien beheimateten, aber weltweit aktiven Telekommunikationskonzern “Telefónica” einen kleinen ‎Überblick zur Lage der spanischen Wirtschaft und ist optimistisch, dass es weiter aufwärts geht.

In der “h‎yperconnected digital world” werde heute in wenigen Tagen soviel Informationen erzeugt, wie sie in der Geschichte der Menschheit vorher insgesamt erstellt wurde. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Von Höhlenmalereien, über Steintafeln, Schriftrollen bis zu den ersten Groß und Klein Computern, all das zusammen ist gerade mal soviel, wie in den letzten Tagen … Wundern wir uns da noch, wenn die Netze glühen?

Das konnte man in Barcelona nicht sagen. Zwar hat das LTE-Roaming für o2 Kunden im spanischen Movistar Netz dieses Jahr irgendwie nicht funktioniert, aber Telekom Deutschland Kunden konnten LTE bei Orange nutzen und Anhänger von Vodafone durften bei Vodafone Spanien mit hoher 4G-Geschwindigkeit surfen, den passenden Tarif vorausgesetzt. In den Tiefbahnhöfen der Metro verkauften fliegende Händler SIM-Karten von Orange-Spanien, 1 GB für 9 Euro, 2 GB für 14 Euro. Netz hatte man immer, auch unterirdisch, aber Anrufe gingen oft erst im zweiten Versuch raus, je nach Standort und Tageszeit.

Zurück zur Keynote.

Der Vorstand der weltgrößten Netzbetreiber Organisation GSMA und des norwegischen Netzbetreiber Telenor ‎John Fredrik Baksaas erinnerte uns daran, dass die digitalen Mobilfunknetze dieser Welt jetzt fast 3,7 Milliarden Kunden zählen. Mit sinkenden Preisen für die Endgeräte konnte starkes Wachstum‎ in den sogenannten aufstrebenden (“emerging”) Ländern erzielt werden.

Baksaas, der sein ‎Handy bei einer Konferenz gar nicht mehr ausschalten mag, erinnert sich gerne an sein erstes Mobiltelefon, oder sein erstes Smartphone. Das waren Momente, die im Leben der Menschen einen Wendepunkt eingeläutet haben.

“Heute”, so Baksaas, “geht es um eine digitale Identität.” Ein typischer Nutzer habe im Schnitt
26 verschiedene Online-Benutzernamen, aber nur fünf verschiedene Passwörter. Wie kann man das besser absichern? Baksaas empfiehlt, trotz aktueller mysteriöser Vorkommnisse, die Absicherung per SIM-Karte. Unter dem Begriff “Mobile Connect ” wird aktuell eine “Secure Digital Identy” erprobt. Im Augenblick sind verschiedene (meist asiatische) Mobilfunkanbieter mit dabei, aber auch die Schweizer Sunrise und Swisscom, andere Big Player aus Europa fehlten in der Präsentation.

Baksaas erwartet b‎is zum Jahre 2020 3,8 Milliarden Internet Nutzer. Dazu müsse die Netzwerk-Reichweite erhöht werden und die Nutzung bezahlbarer gemacht werden und es sei sicherzustellen, dass es erreichbare Inhalte gibt.

Anne Bouverot , Marketing Director der GSMA führte die (bereits letztes Jahr gezeigte) “vernetzte” ‎Zahnbürste‎ von oral-B als Beispiel an, welche das Zahnputzverhalten kontrolliere oder den “vernetzten” Reisekoffer, der sein Gewicht frühzeitig vor dem Abflug ermittle, bevor man Zuschläge zahlen müsse.

Aus dem “Internet of Things” wird langsam das “Internet of Everything”. Die Schuhe, die bereits eine URL im Internet haben, obwohl sie (noch) nicht selbst senden.

Im Jahre 2020 sollen 50% aller weltweiten Verbindungen über 4G (LTE) abgewickelt werden, ab 2020 – 2025 werde es mit 5G losgehen.

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Telekom, Timotheus Höttges ist sich nicht sicher, ob wir mobilfunkferngesteuerte Autos brauchen, “eher wir brauchen eine bessere Verkehrsinformation und Lenkung‎”. In der Tat: Zu bestimmten Tageszeiten sind die Straßen in Barcelona dicht, aber es gibt ein hervorragendes Nahverkehrssystem, das nur am Rande.

Bei ‎Innovation, so Höttges weiter, denke die Branche viel zu oft an Produkte und Endgerät, vielleicht noch Dienste, aber nicht an die notwendigen Prozesse im Hintergrund und die beteilgte Infrastruktur. Innovation finde schon in der Organisation statt.

Kaum beachtet wurde, dass 22% der Mobilfunkkunden älter als 60 Jahre alt seien. Höttges räumte seinen persönlich größten Fehler ein, er habe seiner 86jahrigen Mutter ein Tablett mit “Retsina Display” mitgegeben, nun bombardiere sie ihn mit Nachrichten und Videos, um die neue digitale Welt besser erklärt zu bekommen. Solche kleine Anekdoten machen die Mächten der TK-Industrie menschlich und nahbar und des zeigt, dass sie die Bodenhaftung nicht verlieren, weil sie das Kundenfeedback nicht aus dem Auge lassen und das ist gut so.

50 Milliarden Geräte sind derzeit connected, 55% der verwendeten Anwendungen (Apps) der Industrie 4.0 laufen in der Cloud. Die Welt ‎folge dem “Teilen” (englisch “Sharing”) “und das müssen wir so einfach, wie möglich machen.” Der internationale Claim der Telekom “Life is for sharing” (in Deutschland sehr frei übersetzt: “Erleben was verbindet”) sei kein dummer Spruch, sondern Programm. Die Netze müssten überall sein, die Integration der Zugangstechnologien in einander, egal, wie es geht, müsse funktionieren.

‎Und dann begann Höttges den ersten Paradigmenwechsel: Er forderte explizit die “Softwarization” der SIM-Karten die sogenannte eSIM‎ (embedded SIM). “Software ersetzt die Intelligenz von Hardware.”

Die ‎Virtualisierung bedeute, dass Netzwerke in der Cloud arbeiten. Es mache heute keinen Sinn mehr, für jedes Land was eigenes zu bauen. “Die Effizienz der Cloud ist nicht aufzuhalten.” Je nach dem biete eine Cloud eine höhere Sicherheit (z.B. vor Datenverlust)‎ als der eigene Rechner oder Server. ‎”Konvergenz ist der Name des Spiels. Warum brauchen wir verschiedene Tarife und Verträge für daheim, unterwegs etc. ?”

In der neuen Welt konvergiert vieles, stellt er fest. “Ist Facebook ein Telekommunikationsdienst?” Höttges bejaht dieses, und fragt gleich, ob sie reguliert seien. Sind sie nicht. Also folgert er, wenn Facebook nicht reguliert werde, dann möchte er mit seinem “europäischen” Konzern mit einer prosperierenden Außenstelle in Nordamerika, auch nicht reguliert werden.

Genauer: “Wir müssen Interconnect gewährleisten, Rufnummernportierung, unterbrechungsfreien Anschlußwechsel”. Und was müssen die?

Höttges wurmt es, dass Unternehmen wie die Deutsche Telekom rund 110 Mrd Euro in ihre Infrastruktur‎ gesteckt haben, worüber die “Over the Top Player” ihre Netze und Dienste anbieten und für die Nutzung wenig, bis nichts bezahlen müssen. “Heute ist alles ‎offen und funktioniert miteinander, aber Google oder Facebook setzen eigene Standards, sind nicht offen.” Die ‎Regulierung müsse mit den Marktrealitäten Schritt halten. Neue Funkfrequenzen müssten harmonisiert werden.

Höttges für Netztneutralitat, aber…

“‎Wir wollen Netzneutralität. Aber in Notfällen muss es Prioritäten geben durfen‎, wie beim Krankenwagen, der mit Blaulicht schneller durch die Strassen zum Krankenhaus fahren kann.”

‎Das Thema Datenschutz und Sicherheit bewegt die Branche. Europa habe grosse Chancen, jeder sollte mit jedem reden. Höttges plädierte ‎für offene Plattformen und Standards für eSIM, IoT und so weiter.

Datenschutz und Datensicherheit ist ihm wichtig, aber andererseit sei es ‎absurd, dass alle Bedenken wegen der Sicherheit hätten und ‎zugleich überall im Netz auf “Zustimmung” klicken und als meistgenutztes Passwort “123456” verwenden würden.

Höttes will nicht die kreativen Firmen in die Regulierung hinein treiben, sondern möchte selbst aus der Regulierung raus.

Der EU-Kommissar Günther Oettinger solle etwas für Datenschutz tun, forderte der Telekom Chef. Wenn es Probleme gäbe: “Wen rufen die Kunden an? Nicht Facebook oder Google, sondern die Deutsche Telekom.”

Beim Ausblick in die kommende Zukunft mit dem Mobilfunk der nächsten Generation (“5G”) ist sich Höttges sicher: Das wird die meisten Anforderungen an das Netz stellen. Antwortzeiten (Latenzen) von nahe Null werden die Produktivität steigern. Wie 5G aussehen könnte, wurde an vielen Ständen gezeigt.‎

Dann ein Wechsel: Der CEO der Vodafone Group, Vittorio Colao, sonst ein staubtrockener Magier der Bilanzzahlen, war richtig locker und stellte die Lage der Mobilfunkwelt einmal aus Kundensicht dar. “Schließlich telefoniere ich und verschicke SMS, also bin ich auch Kunde.”

Roam like Home

Die Nutzer wollten Qualität und Unterhaltung, wofür 4G hervorragend geeignet sei. Die gedruckte Medienwelt sei im digitalen Zeitalter angekommen. Neben bezahlbaren Preisen sei “roam like home” bei 31% der Kunden gefragt, zu bezahlbaren Preisen., etwa für 3 EUR pro Tag. “Roam like home”, eine Idee der EU-Kommisison ist übrigens auch das neue Credo von Timotheus Höttges und er weiß schon, dass sich das vor 2-3 Jahren noch ganz anders angehört hat. Die Zeiten ändern sich.

Colao hat erkennt: Kunden und Nutzer wollten Auswahl, Sicherheit und Datenschutz und keine Diskriminierung. Was Colao mißfällt: 65% des Gewinns in der TK-Branche werde nach wie vor von den großen marktbeherrschenden ehemaligen staatlichen Monopol Gesellschaften (Incumbents) erzielt. Vodafone ist einer der weltweit größten privaten Anbieter von Mobilfunk (und neuerdings auch Festnetz und TV-Angeboten) und muss viel Geld in den Netzausbau stecken und dafür sorgen, dass seine Kunden das auch merken und bei der Stange bleiben.


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